Problemstellung

Ortsunabhängiges Arbeiten hat durch die Covid-19-Pandemie an Bedeutung gewonnen. Neben dem Arbeiten im „Home Office“ hat die Pandemie Überlegungen zu neuen entgrenzten und flexiblen Arbeitsformen wie Coworking intensiviert (Ceinar und Mariotti, 2021). Der rasant fortschreitende Prozess der Digitalisierung, der durch Ausgangsbeschränkungen und Lock-Downs im Zuge der Pandemie beschleunigt wurde, eröffnet vielfältige Perspektiven für ländlich-periphere Standorte. Durch die zunehmende Etablierung digitaler und ortsunabhängiger Arbeitspraktiken, wird von Seiten der Forschung und der Praxis die Möglichkeit gesehen, dass sich räumliche Qualitäten verändern und Standortentscheidungen – sowohl von Firmen als auch von Privatpersonen – verschieben. Das Arbeiten jenseits zentraler Firmenstandorte kann dabei für Arbeitnehmer*innen eine Alternative zu langen Pendelzeiten oder einem Wohnortwechsel darstellen. In Folge der Pandemie ist zu erwarten, dass diese neuen, ortsunabhängigen Formen des Arbeitens weiter an Bedeutung gewinnen werden. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen werden ländliche Räume gegenwärtig als potenzielle Gewinner der digitalen Transformation und einer sich verändernden Arbeitswelt diskutiert. Coworking Spaces werden nicht mehr länger nur als Phänomen großstädtischer Agglomerationen betrachtet, sondern auch als Chance für den ländlichen Raum. Dieses Forschungsprojekt greift die skizzierten Entwicklungen auf und erhebt umfassende Informationen zu Coworking Standorten in ländlichen Räumen in Österreich.

Definitive Trends und Perspektiven sind in Hinblick auf Coworking noch nicht absehbar und wissenschaftliche Untersuchungen neuer Formen des (ortsunabhängigen) Arbeitens sind rar, da sich die Literatur zu Coworking Spaces bisher vorrangig mit urbanen Räumen und Settings beschäftigt (Clifton et al., 2019). Erst in jüngerer Vergangenheit ist – auch verstärkt durch die Covid-19-Pandemie – ein wissenschaftliches Interesse für ländlich-periphere Regionen erkennbar. Die durchgeführten empirischen Analysen fokussieren dabei vorrangig auf die Nutzer*innen und die Innovations- und Kreativitätsprozesse innerhalb von Coworking Spaces (Bähr et al., 2020; Hölzel und de Vries, 2021), während lokale Effekte und sozial-räumliche Implikationen bislang keine Berücksichtigung fanden und als Forschungslücken ausgewiesen werden (Avdikos und Merkel, 2020). So gibt es noch wenig Wissen darüber, wo sich Coworking Spaces im ländlichen Raum vorrangig ansiedeln (Mariotti et al., 2021) und welche Effekte diese neuen Arbeitsräume auf die jeweiligen Orte haben.

Zielsetzung und Forschungsfragen

Das Projekt basiert auf theoretischen Annahmen zu veränderten Raumqualitäten von ländlichen Räumen durch digitalen Wandel. Prozesse der Digitalisierung spielen sich nicht nur im virtuellen Raum ab, sondern manifestieren sich auch im physisch-sozialen Raum (Löw, 2016). Digitalisierung bietet die Chance durch den Ausbau virtueller Räume räumliche Standortnachteile zu kompensieren und periphere Regionen und Gemeinden als Wohn- und Arbeitsstandorte zu attraktiveren. Coworking Spaces als Orte des kollaborativen Arbeitens können beispielweise nicht nur den Aufbau sozialer Netzwerke auf lokaler Ebene (Fuzi, 2015), sondern auch eine Vernetzung zwischen Stadt und Land fördern. Auch die Stärkung von lokalen Dienstleistungs- und Handelsstrukturen und die soziale und kulturelle Belebung von Zentren stellen mögliche positive Effekte dar, die mit der Etablierung von Coworking Standorten einhergehen (Hölzel and de Vries, 2021). Gleichzeitig müssen aber auch Risiken räumlich entgrenzter Arbeitsformen wie z.B. Zersiedlungstendenzen berücksichtigt werden. Aufbauend auf diesen theoretischen Annahmen soll am Beispiel von Coworking Standorten analysiert werden, inwiefern digitale Infrastrukturen zu einer Produktion neuer sozial-räumlichen Realitäten in ländlichen Regionen und Gemeinden beitragen.

Konkret werden die folgenden Forschungsfragen im Projekt adressiert:

  • An welchen Standorten siedeln sich Coworking Spaces im ländlichen Raum in Österreich an und wie lassen sich diese neuen Arbeitsräume kategorisieren?

  • Welche Standortpräferenzen, sozial-räumliche Motivationen und Verhaltensmuster weisen die Nutzer*innen von Co-Working Spaces auf? Welche Optionen ergeben sich durch das Arbeiten im Coworking Space (z.B. Verkürzte Pendelzeiten, räumliche Bezugspunkte in der Arbeits- und Wohnortumgebung)?

  • Welche lokalen und regionalen Effekte und sozial-räumliche Implikationen (z.B. Innenstadtbelebung) gibt es durch neu errichtete Coworking Standorte im ländlichen Raum?

Methodik

Die Forschungsfragen werden dabei durch drei unterschiedliche methodische Herangehensweisen beantwortet: (1) Durch eine Datensammlung, Kartierung und Typisierung (Lage, Größe, Ausstattung etc.) von Coworking Standorten in ländlichen Räumen (2) Durch eine quantitative Befragung von Coworking-User*innen über ihr (verändertes) räumliches Verhalten durch den Arbeitsstandort im Coworking Space (3) Durch die Untersuchung von drei Fallbeispielen, inklusive teilnehmender Beobachtung und Expert*inneninterviews vor Ort. Die Beantwortung der Forschungsfragen trägt zum übergeordneten Erkenntnisinteresse bei, nämlich zu verstehen inwiefern die digitale Transformation eine Chance für ländliche Räume darstellt.

Erste Ergebnisse

Auf Basis der Datensammlung im Rahmen einer Onlinerecherche wurde eine Coworking Landkarte für Österreich erstellt. Anhand der Urban-Rural-Typologie der Statistik Austria kann in der Darstellung zwischen verschiedenen Kategorien von städtischen und ländlichen Räumen als Coworking Standorte unterschieden werden.

Projektteam

Stefanie Döringer MA

Dr. Elisabeth Gruber

Mag. Carina Wagner

Projektpartner


Modul5 GmbH

Mag. Max Aichinger

Projektlaufzeit


August 2021 bis März 2022