Wozu Experten? Wissenschaftliche Expertise zwischen politischen Ansprüchen und öffentlicher Skepsis, Dritte österr. TA-Konferenz, 26. Mai 2003, Wien
Privatsphäre – ein Sicherheitsrisiko?
Erneuerbare Energien – wirklich eine Zukunftsoption?
Embryonenforschung – ja oder nein oder doch lieber jein?
So unterschiedlich die Antworten der Politik auf Fragen dieser Art ausfallen, der Weg zum Lösungsvorschlag ist meist derselbe: Man befragt ExpertInnen – oder man versucht gar, die Entscheidung auf sie abzuschieben. Die Folge ist eine Inflation von ExpertInnengremien, Gutachten und Empfehlungen haben Hochkonjunktur.
Aller modernen Wissenschaftsskepsis zum Trotz ist wissenschaftliche Expertise also nach wie vor erste Wahl in der Politik, wenn es um riskante und kontroverse Entscheidungen geht – wobei im Einzelfall Uneinigkeit darüber bestehen mag, was überhaupt als relevante Expertise gelten soll. Die Politik greift auf ExpertInnenwissen in vielfältiger Form zurück, nicht zuletzt auf die 'institutionalisierte Expertise' der TA. In welcher Form auch immer – der rasante Bedeutungszuwachs wissenschaftlicher Politikberatung wirft Fragen nach deren Funktion, Autorität und Legitimation auf.
In der öffentlichen Debatte sind Expertisen nicht zuletzt aufgrund ihrer Widersprüche und Unsicherheiten zum Politikum geworden. Zuweilen als Gegenbewegung zu einer drohenden 'Expertokratie' interpretiert, haben sich Partizipationsansprüche und -verfahren neben der klassischen Beratung durch Fachleute etabliert. BürgerInnenforen, Konsensuskonferenzen oder Planungszellen sind Methoden, um bei kontroversen Themen auch dem Wissen und den Einschätzungen von 'NormalbürgerInnen' (als 'ExpertInnen für den jeweiligen Lebenszusammenhang') Raum zu geben. Auch wenn sie sich in einigen Fragen – z.B. bei der Umweltverträglichkeitsprüfung – einen festen Platz erobert haben: Der politische Stellenwert von partizipativen Verfahren ist oft unklar, ihre Geltung im Durch- und Gegeneinander der Expertisen unbestimmt. Mit der Etablierung partizipativer Verfahren sind die Fragen nach politischer Bedeutung, kognitiver Autorität und Legitimation nicht hinfällig geworden.
Konkurrierende Erwartungen in Öffentlichkeit und Politik, die Geltungskrise von Expertisen und die Manifestation bzw. Anerkennung von Nichtwissen erfordern von der wissenschaftlichen Politikberatung ein hohes Maß an Selbstreflexion. Für die TA erwächst daraus die Notwendigkeit wie auch die Chance, ihre Ziele und Zukunftsperspektiven im Spannungsfeld von Demokratisierungsgeboten und Professionalisierungszwängen neu auszuloten. Das stellt diese Problematik in den Mittelpunkt seiner Jahrestagung 2003. Zur Diskussion stehen sowohl die politische Funktion, die öffentliche Reflexion als auch das professionelle Selbstverständnis wissenschaftlicher Politikberatung, nicht zuletzt der TA. Aus dem Beziehungsgeflecht von Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft ergeben sich grundlegende Fragen:
Welche Expertise braucht die Politik?
Helmut WILLKE, Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld
Vorsorgeprinzip und Expertenrolle – der Dauerkonflikt um transgene Pflanzen
Gentechnik und BSE: Zum politischen Umgang mit Risiko und Nichtwissen in der EU
Science Assessment und Wissenspolitik: Zur reflexiven Strukturierung von Gestaltungsöffentlichkeiten
Stefan BOESCHEN, Lehrstuhl für Soziologie, Universität Augsburg
Nationale Ethikkommissionen: Aufgaben, Begründungen und Funktionen
Politik und Expertendissens – der Streit um die Stammzellforschung
Zum gesellschaftlichen Funktionswandel wissenschaftlicher Expertise
Gentechnik zwischen Expertise und Handlungswissen
Die vereinte Stimme der Wissenschaften – unverzichtbar für politikberatende Technikfolgenabschätzung
Politikberatung: Die österreichische Praxis im europäischen Vergleich