Wer bestimmt, welche Technologien erforscht werden? Wer sagt, welche Fragen wichtig für unser Leben sind? Damit Forschungsprogramme und Politik auch aktuelle menschliche Bedürfnisse berücksichtigen können, ist Beteiligung gefragt.

Technik entwickelt sich gegenwärtig in einem rasanten Tempo. Ständig kommen neue Produkte auf den Markt. Die Digitalisierung verändert den Gesundheitssektor, das Finanzwesen und den Bildungsbereich. Damit die Forschung dabei die Zukunftsvisionen und Bedürfnisse von Bürger:innen nicht aus den Augen verliert, braucht es Wege, um technische Entwicklungen zu reflektieren und mitzubestimmen.

Etwas kritisch zu hinterfragen stärkt die Demokratisierung der Technologiepolitik: Lösungsansätze für große gesellschaftliche Herausforderungen, von Demographie bis Klimawandel, benötigen den Beitrag von Forschung, Technologie und Innovation (FTI). Andererseits geht es darum, durch die Einbeziehung aller Interessensgruppen eine breite Wissensbasis für den Innovationsprozess zu generieren und Technik so besser auf individuelle Bedürfnisse abzustimmen.

Viele Stimmen – viele Interessen

Beteiligung gibt jenen eine Stimme, die normalerweise nicht in die Entwicklung und Bewertung von Technologien einbezogen sind. Laien mitbestimmen zu lassen, ist erstrebenswert – aber ist es auch wissenschaftlich? Um zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen braucht es fundierte Methoden: Die bekannteste ist die Bürger:innenkonferenz. Hier nehmen Bürger:innen zu einer umstrittenen Technologie Stellung. Bei der (Weiter-) Entwicklung von Technologien haben sich Fokusgruppen bewährt. Erfahrungen und Kritik von Laien fließen damit schon früh in den Entwicklungsprozess ein.

Auch die EU experimentiert mit Methoden, damit Bürger:innen tatsächlich Schwerpunkte für die zukünftige Wissenschafts- und Technologiepolitik mitbestimmen können. Das ITA war zuletzt am EU-Projekt CIMULACT beteiligt: In einem partizipativen Verfahren haben mehr als 4.500 Bürger:innen, Expert:innen und Entscheidungsträger:innen gemeinsam konkrete, Forschungsthemen identifiziert. Die Ergebnisse fließen in die Gestaltung von Ausschreibungen im Rahmenprogramm für Forschung und Innovation "Horizon 2020" sowie des Nachfolgeprogramms "Horizon Europe" ein. Sie haben auch für die FTI-Agenden Österreichs eine hohe Relevanz.

Das ITA hat gemeinsam mit Partnern die CIVISTI-Methode entwickelt. Visionen von Bürger:innen für eine wünschenswerte Zukunft werden in konkrete Politikempfehlungen übersetzt. Die Methode lebt davon, möglichst viele verschiedene Standpunkte einzubeziehen. Sie ist zwar statistisch nicht repräsentativ, weil die Gruppengröße meist zu klein dafür ist. Die Ergebnisse sind aber sozial robust. Die Beteiligten entsprechen in Bezug auf ihr Alter, Geschlecht, Beruf, Bildung, Herkunft etc. proportional in etwa deren Verteilung in der Bevölkerung. So können wir sicher sein, dass die meisten Aspekte, die die Bürger:innen bewegen, genannt werden. Im CIVISTI-Projekt Leben 2050 ging es etwa darum, Visionen für ein wünschenswertes Leben in Wien zu entwickeln und zentrale Fragen für die Stadtplanung zu identifizieren.

Verantwortungsvoll forschen

„Responsible Research and Innovation“ (RRI) sieht die kontinuierliche Einbindung aller gesellschaftlichen Akteure in den Innovationsprozess vor. Forscher:innen, Unternehmen, Politiker:innen und Bürger:innen sollen aktuelle und zukünftige Entwicklungen reflektieren und diskutieren. Das ITA-Projekt PROSO hat erforscht, was Bürger:innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen brauchen, um an diesem Prozess teilzunehmen. Gewünscht wird demnach vor allem eine Garantie, dass Meinungen und Ideen gehört und umgesetzt werden. Dazu braucht es u.a. neue Arten der Forschungsförderung und eine Anpassung der Wissenschafts- und Bildungssysteme.

Mitreden? Ja, wenn wir auch gehört werden!

Kritiker:innen meinen, Mitgestaltung könnte von der Politik zur Akzeptanzbeschaffung missbraucht werden. Wenn aber eine Gruppe von Bürger:innen über ein kontroverses Thema ausgewogen informiert wird und danach die Möglichkeit hat, Argumente und Standpunkte im Gespräch auszutauschen, ist es sehr wahrscheinlich, dass komplexe Fragen besser beantwortet werden können. Umgekehrt gibt die Identifikation von Sorgen und Befürchtungen der Politik die Möglichkeit, diese aktiv aufzugreifen.

Die Frage, in welcher Welt wir leben wollen, sollten wir jedenfalls auf einer breiten Ebene diskutieren. Beteiligung kann eine wünschenswerte Zukunft als Ziel definieren. Das ITA unterstützt diese Entwicklung, auch indem wir den Weg dorthin beschreiben. Die Technikfolgenabschätzung nützt mit der Anwendung von Beteiligungsverfahren die Chance, zu einem offenen Agenda-Setting beizutragen, bei dem nicht nur wirtschaftliche, sondern auch Umwelt- und gesellschaftliche Interessen berücksichtig werden können.

Ausgewählte Projekte zum Thema Partizipative Methoden


Foto: David Grandmougin, unsplash.com