Text: Johanna Witzeling

Nachdem das Geschichtswerk des Historikers Onno Klopp im Vorfeld des 200-jährigen Jubiläums des Entsatzes von Wien für heftige Diskussionen gesorgt hatte (siehe „Onno Klopp greift an“), nahm er in einer Schrift vom 17. November 1822 zur „Frage der anzustellenden Säkularfeier“ Stellung. Seiner Meinung nach sei der 12. September nicht nur ein Ehrentag der Wiener Bürger, wie dies von Seiten des Wiener Gemeinderates betont wurde, sondern der „gesamten christlichen Armee“. Klopp setzte sich daher für die Abhaltung einer religiösen Dankesfeier ein, die allen am Sieg Beteiligten gerecht werden sollte.

Klopp meldet sich erneut zu Wort

Klopp meldet sich erneut zu Wort

Bevor Onno Klopp sich in seinem Schreiben vom 17. November 1882 zur bevorstehenden Säkularfeier äußerte, ging er im Vorwort auf die vorangegangene Debatte rund um den Beitrag der Wiener Bürgerschaft an der Verteidigung Wiens 1683 ein, die er durch die Veröffentlichung seines umstrittenen Geschichtswerk selbst ausgelöst hatte. Klopp betonte darin, dass bereits in Albert Camesinas Buch „Wien’s Bedrängniß im Jahre 1683“, das 1865 erschienen war und auf das er sich in seiner Argumentation weitgehend stütze, des Wiener Bürgers Camesina „tiefe Klippen“ erkennbar gewesen seien:

Der eigentliche Beweggrund aber des Unmuthes wider das Geschichtswerk des Unterzeichneten mag bei nicht Wenigen in Wien die Wahrnehmung gewesen sein, dass eine Säcularfeier des 12. September 1683, welche die damalige Bürgerschaft von Wien als die Trägerin des Ruhmes der Verteidigung der Stadt darstellen würde, in dem genannten Werke auf bedenkliche Hindernisse stoße. Daß tiefe Klippen auch schon in dem Werke des Wiener Bürgers Camesina wohl erkennbar sind, mochte ja Wenigen bekannt sein. (Klopp 1882: 4)

Als Grund für den „Unmuth“ gegenüber seiner Publikation nannte Klopp die geplanten Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum des Entsatzes von Wien. Daher habe er sich überhaupt erst Gedanken über die „anzustellende Feier“ gemacht.

Klopps Kritik an den Wiener „Scandalblättern“

Klopps Kritik an den Wiener „Scandalblättern“

Klopp beschwerte sich auch darüber, dass Bürgermeister Eduard Uhl auf sein zweites Sendschreiben nicht reagiert hatte. Dieses wäre auch von den Medien nicht beachtet worden, so Klopp (siehe auch “Onno Klopp und die Medien”). Stattdessen hätten im Gegensatz dazu die Wiener „Scandalblätter“ laut Klopp „eine sehr rege Bethätigung im Sinne der Anklage des Herrn Bürgermeisters Uhl bewiesen“. Die Existenz des zweiten Sendschreibens wäre jedoch auch von diesen Zeitungen verschwiegen worden. Als der Wiener Gemeinderat auch in den folgenden Tagen keine Reaktion auf Klopps Schreiben zeigte, verglich dieser die Zurückhaltung des Gemeinderats mit dem einstigen Rückzug der Türken:

Muss man von dem Wiener Gemeinderathe sagen, dass er, in ähnlicher Weise wie die Türken vor 200 Jahren, die Stärke des Kriegsgeschreies, mit welchem er am 20. October den Angriff unternahm, etwas zu sehr wie eine reelle Kraftleistung anzusehen geneigt war: so gebührt ihm für die Stille, mit welcher er den Rückzug angetreten hat, so sehr, dass der große Haufe von Wien diesen Rückzug nicht einmal bemerkte, alle Anerkennung der Klugheit und der Kenntnis seines Terrains. (Klopp 1882: 16)

1883: „Eigentum“ der Wiener Bürgerschaft?

1883: „Eigentum“ der Wiener Bürgerschaft?

Klopps besondere Aufmerksamkeit erregte schließlich ein Artikel im Abendblatt der Wiener ‚Deutschen Zeitung‘ vom 7. November 1882 (siehe auch „Onno Klopp und die Medien“).

Der Autor gab in seinem Zeitungsartikel die Ideen des Gemeinderates wieder, wie die Feier des 12. September 1883 am besten zu begehen sei. Nachdem man vom ursprünglichen Plan, einen historischen Festzug abzuhalten, abgekommen und der Gedanke zur Errichtung eines Denkmals „mehr und mehr zusammengeschrumpft“ sei, wäre lediglich folgender Entschluss gefällt worden: „Der Gemeinderath wird eine Festschrift erscheinen und eine Gedenk-Medaille prägen lassen“ (‚Deutsche Zeitung‘, zit. nach: Klopp 1882: 17). Weiters habe der Artikelautor dem Gemeinderat vorgeschlagen, einen Preis für ein Volksstück auszuschreiben, „das den Befreiungskampf der Wiener schildern, und zugleich ein getreues Bild des Wiener Culturlebens im siebzehnten Jahrhunderte bieten würde“ (ebd.: 17). Dieser Vorschlag sei bereits am 8. November, also nur einen Tag nach Veröffentlichung des Artikels, im „Forschritts-Club des Gemeinderates“ akzeptiert, am 10. November im Gemeinderat eingebracht und „günstig aufgenommen“ worden.

Daraus ergab sich für Klopp ein bestimmtes Naheverhältnis zwischen dem Wiener Gemeinderat und der ‚Deutschen Zeitung‘. Zumindest sei der Verfasser des Aufsatzes „Die Feier des Jahres 1683“ in der „Deutschen Zeitung Nr. 3898“ (= 18. Oktober 1882 ) über die Meinung des Wiener Gemeinderates „wohl unterrichtet“ gewesen (vgl. Klopp 1882: 17).

Zudem kritisierte Klopp, dass „Vorschläge solcher Art, mögen sie im Gemeinderathe angenommen werden oder nicht“, nicht Zeugnis ablegen würden „von einem Verständnisse eines der denkwürdigsten Tage der Christenheit“. Der Grundirrtum zeigte sich für Klopp bereits im ersten Satz des Artikels in der ‚Deutschen Zeitung‘:

Der Wiener Gemeinderath rüstet bereits zu dem großen Feste, das die Bürgerschaft Wiens im September des kommenden Jahres begehen soll; zu der Feier des zweihundertsten Gedenktages der Befreiung Wiens von den Türken.

Klopp zufolge war es „anmaßend und beschränkt“, die Feier des 12. September 1683 als „Eigenthum für die Bürgerschaft von Wien in Anspruch“ zu nehmen. Schließlich habe der 12. September 1683 nicht „bloß die Commune Wien“ betroffen, sondern vor allem die „starke kaiserliche Festung Wien, welche bis dahin von der kaiserlichen Besatzung heldenmüthig und mit schweren Opfern vertheidigt, nun die Rettung fand durch das Eintreffen der kaiserlichen Armee mit ihren Hilfstruppen“ (ebd.: 17).

Darum sei

die zweihundertste Wiederkehr dieser Siegesfeier ein besonderer Ehrentag, weniger der Bürgerschaft von Wien, welche gerettet wurde, als der gesamten kaiserlichen Armee, welche erhielt und rettete. Der Tag ist zugleich ein Ehrentag für die Polen, die Bayern, die Sachsen, die Franken, die Schwaben, für alle die Länder, aus denen die Vorfahren sich am Entsatze von Wien betheiligten. (ebd.: 17)

Eine Dankesfeier zur Erinnerung an den „Sieg der Christenheit“

Eine Dankesfeier zur Erinnerung an den „Sieg der Christenheit“

Klopps besondere Aufmerksamkeit erregte schließlich ein Artikel im Abendblatt der Wiener ‚Deutschen Zeitung‘ vom 7. November 1882 (siehe auch „Onno Klopp und die Medien“).

Darüber hinaus sei Wien nicht nur starke kaiserliche Festung, sondern auch das „Bollwerk der Monarchie des Hauses Habsburg“ gewesen.

Mit dem Fallen und Stehen der Festung Wien stand und fiel auch, jedenfalls nach der Meinung und Hoffnung der Gegner, aber auch nach der Besorgnis und Furcht vieler wohlgesinnten Zeitgenossen – die Monarchie des Hauses Habsburg. (ebd.: 17)

Aus diesem Grund hätten alle christlichen Nationen Westeuropas und „selbst diejenigen, von welchen aus damals zu Gunsten der Türken gearbeitet wurde, das Recht und die Pflicht, bei der Wiederkehr des Tages, der den Islam für immer entscheidend zurückwarf, mit Dank und Freude zu gedenken“. Schon 1683 hätten in „allen Kirchen der Christenheit des Abendlandes, ob protestantisch oder katholisch“ Siegesfeiern stattgefunden, vor allem in Rom, als Mittelpunkt der Christenheit, sei der Sieg mit Jubel gefeiert worden. Zudem habe laut Klopp Rom damals zugleich den „Mittelpunkt der materiellen und moralischen Hilfe für den Kaiser Leopold“ dargestellt. Klopp zufolge sollte die bevorstehende Säkularfeier daher in Anlehnung an diese Vorbilder gefeiert werden und der „Sieg der Christenheit“ betont werden: „Wie also damals die Siegesfeier von Wien die allgemeine der Christenheit war: so würde auch bei der zweihundertsten Wiederkehr des Tages eine Feier der Christenheit dem Sinne der Vorfahren entsprechen“ (ebd.: 18). Wie daher die Feier des 12. September anzustellen sei, dafür hätten uns ganz besonders „die Vorfahren selber das Beispiele dessen hinterlassen, was sie als ihre Pflicht betrachteten“.

Im Rückblick auf 1683 werde klar, wie groß die Gefahr damals eigentlich gewesen sei, und es dränge sich daher die Frage auf, wie es möglich war, dass die Stadt nicht genommen worden wäre? Wieder verwies Klopp auf den Ausspruch Kaiser Leopolds: „Was soll ich dem Herrn vergelten für Alles, was er mir erwiesen?“ „In diesem Sinne handelten wie er, so auch die Anderen“: Der Polenkönig Jan III. Sobieski besuchte am 13. September die Augustinerkirche und stimmte selber das Tedeum an (eine Gedenktafel erinnert noch heute daran). Kaiser Leopold hielt am nächsten Tag feierlich Einzug vom Stubentor direkt zum Stephansdom.

Unter diesem Eindruck empfand es Klopp als angemessen, die Feier des 200-jährigen Jubiläums ähnlich zu begehen und eine entsprechende Dankesfeier abzuhalten, um Gott für den Sieg im Jahre 1683 zu danken: „Wie für die Vorfahren in jenen Tagen selbst, so ist auch bei der Wiederkehr derselben für die Nachkommen in ihrer Gesamtheit, die Feier des Dankes für den Geber alles Guten die würdigste“ (ebd.: 19). Diese Dankesfeier sollte alle umfassen, ohne Unterschied von Sprache und Nationalität, sie sei untrennbar von der Erinnerung, dass damals alle „verschiedenen Völker der Monarchie mit vereinten Kräften ihre Pflicht erfüllt haben, um die Gesamtheit zu erhalten und zu festigen als ein Bollwerk des Rechtes auf Erden“ (ebd.: 19).

Kritik im „Wienerischen Ehrenkränzlein“

Kritik im „Wienerischen Ehrenkränzlein“

Onno Klopps Vorschlag, eine religiöse Dankesfeier im Jubiläumsjahr 1883 abzuhalten, stieß bei den Mitgliedern der ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ auf Kritik, wie im „Wienerischen Ehrenkränzlein“ nachzulesen ist. Onno Klopp sei

eben auch in dieser Hinsicht Parteimann, der über seine einseitige Kenntniß früherer Zeiten die Formen und Ansprüche des modernen Lebens übersieht. Man braucht nicht allen der aufgetauchten Projecte für die Säcularfeier zuzustimmen, wenn man andererseits findet, dass eine rein kirchliche Feier im großen Publikum ziemlich spurlos vorübergehen würde. (Wienerisches Ehrenkränzlein 1883: 33)

Für die Mitglieder der ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ war es zwar denkbar, die Feier auch in religiöser Weise zu begehen, letztlich sollte aber ein möglichst breites Publikum in allen Formen des öffentlichen Lebens zum Erinnern und Gedenken eingeladen werden. Man verkenne

weder die Dankespflicht gegen Gott, den allmächtigen Lenker aller Dinge, noch soll die höhere Weihe bestritten werden oder gar unerwünscht erscheinen, welcher ein religiöser Act einer jeden Feier verleiht, wenn man der Meinung ist, dass die Erinnerung an den 12. September auch in anderer unmittelbarer Weise im Publikum zu wecken oder rege zu erhalten ist. (ebd.)

Der Vorwurf des „Local-Patriotismus“ wurde im „Wienerischen Ehrenkränzlein“ mit folgenden Worten zurückgewiesen:

Und in diesem Sinne – nicht bloß als locales Erinnerungsfest unserer Stadt, sondern als ein Gedenktag, welcher für den Staat selbst von hoher Bedeutung ist, wurde die Feier von allen Einsichtigen betrachtet und die Anregung, sie in den Formen [Fußnote: Als eine dieser Formen ist freudig zu begrüßen das Projekt eines Befreiungs-Denkmals am Kahlenberg, wozu vor einigen Tagen von einem ‚Patrioten und treuen Gemeindegenossen der Stadt Wien’ durch eine Flugschrift die Anregung gegeben wurde.] des modernen öffentlichen Lebens abzuhalten, stieß überall auf freudige Zustimmung. (ebd.: 33f.)

Joseph-Alexander Freiherr von Helfert wies in seiner Aufarbeitung der Jubiläumsliteratur zum Jahr 1883 auf folgendes Detail hin: Nachdem Onno Klopp in seinem Votum für die Säkularfeier eine kirchliche Dankesfeier vorgeschlagen hatte, soll der päpstliche Nuntius eine italienische Übersetzung der betreffenden Stelle in Klopps Werk nach Rom geschickt haben. Helfert zog daraus den Schluss, dass dies „der Anlass gewesen sein [dürfte] aus welchem der Heilige Vater sein vom 30. August 1883 (sic!) datiertes Breve an den Fürst-Erzbischof von Wien richtete“ (Helfert 1884: 7).

Literatur

Literatur

Camesina, Albert (1868): Wien’s Bedrängniß im Jahre 1683. Band 1. Wien und seine Bewohner während der zweiten Türkenbelagerung 1683. Band 2. Begebenheiten ausserhalb Wien während der zweiten Türkenbelagerung 1683. Wien.

Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie (07.11.1882): Abermaliges Sendschreiben an den Herrn Bürgermeister Uhl, 1–3, 26.01.2011.

Helfert, Joseph-Alexander Freiherr von (1884): Die Jubiläums-Literatur der Wiener Katastrophe von 1683 und die Kaplir-Frage. Prag.

Klopp, Onno (1882): Zur Zweiten Säcular-Feier des 12. September 1683. Wiederabdruck der Anfrage des Herrn Bürgermeisters Uhl und der zwei offenen Sendschreiben von Onno Klopp an denselben, mit einem Votum für die Säcularfeier. Graz.

Wienerisches Ehrenkränzlein von 1683 (1883). Unparteiische Prüfung der Anschuldigungen des Herrn Onno Klopp durch eine Vereinigung von Wiener Bürgern. Herausgegeben als erste Vereinsgabe der „Bürgervereinigung Liebenberg“. Wien.