Text: Johannes Feichtinger, Johann Heiss, Johanna Witzeling
Mit seinem an den Wiener Fürsterzbischof Cölestin Josef Ganglbauer „telegraphisch signalisirten“ Sendschreiben aus Anlass der Säkularfeier (Neue Freie Presse 12.09.1883: 2) erinnerte Papst Leo XIII. an das „überaus glückliche Ereigniß des zwölften Septembers, nämlich die an diesem Tage vor zweihundert Jahren erfolgte Befreiung Wiens von der gräßlichen Türkenbelagerung“ (Leo XIII., in: Blätter der Erinnerung 1883: 11).
Ein gemeinsamer Sieg von Staat und Kirche
Der Sieg sei eine gemeinsame Tat von Kirche und Staat gewesen. Daher habe sowohl die Kirche als auch der Staat „allen Grund dazu“, den „herrlichen Sieg über den übermächtigen Feind“ gebührend zu feiern, „weil er durch gemeinsamen Rath und gemeinsame That errungen ward und so für Beide um so heilsamer sich gestaltet hat“ (ebd.: 12).
Nicht nur um das Reich, sondern „auch um die Religion und für den katholischen Glauben wurde bei Wien gefochten“. Ziel des Feindes wäre es schließlich gewesen, den „muhamedanischen Aberglauben (im lat. Original: superstitio) über Europa zu verbreiten“ (ebd). Die Befreiung der Stadt Wien bedeute zugleich die Erhaltung des Christentums.
Ganglbauer habe mit den anderen Bischöfen „den ganz zeitgemäßen Entschluß gefaßt, bei der Wiederkehr der Säcularfeier eines so großen Ereignisses jene Frömmigkeit aufs Neue zu bethätigen, welcher Eure Vorfahren unmittelbar nach dem errungenen Siege vor Allem Ausdruck gegeben haben“ (ebd.: 13).
Ein Beispiel für die heutige Zeit
Ein Beispiel für die heutige Zeit
Als besonders bedeutsam für das Gelingen des Entsatzes hebt Papst Leo XIII. die Leistungen seines Vorgängers Innozenz XI. im Jahre 1683 hervor: Zum Beispiel habe er das Bündnis zwischen Kaiser Leopold I. und König Jan III. Sobieski erwirkt:
So zeigte es sich denn in so schwierigen Zeitverhältnissen abermals klar und deutlich, daß die bewährteste und sicherste Bürgschaft für die öffentliche Wohlfahrt in der Einigkeit der Fürsten mit dem Apostolischen Stuhle liege, und daß es nicht minder der Klugheit als der Gerechtigkeit widerspreche und für Staat und Kirche gleich gefährlich sei, wenn zwischen diesen beiden Mächten der Same des Argwohnes und der Zwietracht gestreut werde. (ebd.: 14)
Diese gute Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat solle auch als Beispiel für die heutigen Zeiten dienen: „Auch in unserer Zeit wird die Kirche heftig bekämpft, wenn auch von anderen Feinden und mit anderen Mitteln“. „Nicht so sehr äußere als innere Gegner“ würden die „Waffen gegen die katholische Sache in zwar unblutigem, aber heftigem und unheilvollem Kampfe“ führen. Zudem würden sie auch versuchen, die „Macht der Fürsten selbst zu untergraben“. Kirche und Staat sollten sich daher zusammen schließen, um die staatliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Gegner würden vor allem die Tagespresse zu „mißbrauchen pflegen, um Unheil zu stiften“. Angriffe der Presse sollten von „katholisch gesinnten Männern“ wiederum durch das Mittel der Presse widerlegt und „durch sie die hinterlistigen Machinationen der Gegner aufgedeckt werden“ (vgl. ebd.: 15). Der Historiker Peter Rauscher verweist auf den „damit angesprochenen Grundkonflikt des Katholizismus mit dem Liberalismus“, der 1883 „auch Gegenstand lebhafter Debatten in der österreichischen Presse“ (Rauscher 2010: 291) war, wie zum Beispiel auch die Auseinandersetzungen zwischen dem konservativen Historiker Onno Klopp und dem liberalen Wiener Gemeinderat , die sich für Liberale und Konservative gleichermaßen zu ausgiebigen Stellungnahmen eigneten (siehe “Onno Klopp und die Debatte um die Wiener Bürger von 1683″).
Literatur
Literatur
Blätter der Erinnerung an die im September 1883 in Wien abgehaltene kirchliche Säcularfeier der Rettung Wiens aus der Türkennoth im Jahre 1683. Wien.
Rauscher, Peter (2010): Die Erinnerung an den Erbfeind. Die „Zweite Türkenbelagerung“ Wiens 1683 im öffentlichen Bewusstsein Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert. In: Gabriele Haug-Moritz/Ludolf Pelizaeus (Hg.) Repräsentationen der Islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit. Münster: 278–305 [siehe auch: Online-Version, 21.09.2020]
Neue Freie Presse (12.09.1883): Inland. Wien, 11. September. Das päpstliche Sendschreiben über die Säcularfeier, 2, 21.09.2020.
Das Vaterland (12.09.1883): An Unsern Ehrwürdigen Bruder Cölestin Joseph, Fürsterszbischof von Wien. Papst Leo XIII., 1–2 (deutsch und lateinisch), 21.09.2020.