Am 11. September 1883 wurde anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Zweiten Wiener Türkenbelagerung eine Gedenkfeier am Kahlenberg abgehalten. Höhepunkt der Feier war die Enthüllung einer von der Stadt Wien gestifteten Gedenktafel über dem Hauptportal der St. Josefskirche.
Die Gedenktafelenthüllung bildete den Auftakt des zweiten Tages der aus Anlass der Säkularfeier von der bürgerlich-liberalen Stadtverwaltung veranstalteten Festivitäten (siehe „Die Wiener Säkularfeierlichkeiten 1883“).
Die Gäste reisen mit Dampfschiff und Zahnradbahn an
Bereits morgens um 7:30 Uhr versammelten sich auf Einladung des Wiener Bürgermeisters Eduard Uhl rund 600 Personen auf dem Dampfschiff-Landungsplatz am Carlskettensteg, dem Ausgangspunkt für eine Fahrt auf zwei Lokaldampfern nach Nußdorf. Die Militärkapelle sorgte mit volkstümlichen Weisen wie z.B. dem „Prinz-Eugen-Lied“ und „O du mein Österreich“ für Unterhaltung. Von Nußdorf fuhren die Ehrengäste mit der Zahnradbahn auf den Kahlenberg. Der Platz vor der St. Josefskirche am Kahlenberg war mit Flaggen, Kränzen und Laubgewinden geschmückt. Der Männergesangsverein sang das „deutsche Meßlied“ „Hier liegt vor Deiner Majestät“ (vgl. Das Vaterland 12.09.1883, 6).
Die Gedenkmesse
Die Gedenkmesse
Die Messfeier in der St. Josefskirche begann um 10 Uhr vormittags und wurde, wie schon die Jahre zuvor, vom Prälaten Leopold Stöger unter Assistenz des Pfarrers Bancalari und des Schotten-Professors Emerich Gabely gelesen. Von den insgesamt 1000 Anwesenden fanden jedoch nur 200 Personen in der St. Josefskirche Platz (siehe auch “Jubiläumsfeiern am Kahlenberg”).
Der Höhepunkt der Feier: Uhls Gedenkrede und die Denkmalenthüllung
Der Höhepunkt der Feier: Uhls Gedenkrede und die Denkmalenthüllung
Nach der Messe versammelten sich alle Feiernden auf dem Platz vor der Kirche, wo ein Zelt errichtet war. Der Wiener Männergesangsverein sang die Festhymne und der Wiener Bürgermeister Eduard Uhl hielt seine Gedenkrede.
Zu seiner Ansprache ist mehrerlei bemerkenswert: Auch der liberale Wiener Bürgermeister bediente sich jener Worthülsen, die vor allem im katholisch-konservativen Lager verbreitet waren: Er erinnerte an jenen „gewaltigen Feind“, der „vom Osten drohte“ und „seine Macht festsetzen wollte im Abendlande, ein Feind nicht nur der christlichen Religion, sondern auch der abendländischen Kultur“. Wien, „das Bollwerk des Reiches“, „die Vormauer der Christenheit“, habe jedoch durch vereinte Anstrengung verteidigt und befreit werden können.
Auffallend ist auch, dass Uhl in seiner Rede unter den Verteidigern Militär (Starhemberg als Oberbefehlshaber), Bürger (Bürgermeister Liebenberg und den Wiener Stadtrat) sowie die Kirche (Bischof Kollonitsch) nannte, „die wackere Bürgerschaft“ allerdings hervorhob:
Mit wahrer Hingebung für das Wohl ihrer Mitbürger harrte der Stadtrath, dessen Mitglieder vollzählig in der Stadt geblieben waren, auf seinem Posten aus. Allen voran, ein Muster wahrer Bürgertugend, der wackere Bürgermeister Andreas v. Liebenberg, der im Beginne der Belagerung selbst Hand anlegte bei den Vertheidigungsarbeiten.
Zwar rief Uhl sämtliche am Entsatz beteiligten Kräfte in seiner Ansprache in Erinnerung: „Polens tapferen König Johann III. Sobieski“ samt den polnischen Truppen, „die Kurfürsten Max Emanuel von Bayern und Johann Georg III. von Sachsen mit ihren eigenen Truppen; den Reichsfürsten Georg Friedrich von Waldeck mit den schwäbischen und fränkischen Kreiscontingenten, die Truppen des bayerischen Kreises und jene des Erzbischofs von Salzburg“, den Sieg, das „Erlösungswerk“, schrieb er aber unmissverständlich den kaiserlichen Truppen zu:
„Wien ward befreit durch die Tapferkeit der kaiserlichen Truppen“ und durch den „leitenden Geist Herzogs von Lothringen, des großen Ahnherren unseres erlauchten Kaiserhauses. (vgl. Das Vaterland 12.09.1883, 6)
Der Oberbefehlshaber der vereinigten Armeen Jan III. Sobieski wurde vom Bürgermeister nur am Rande erwähnt.
Mit seinen Worten: „Dieser Stein sei ein bleibend Zeichen der großen erhabenen That der Befreiung am 12. September 1683“ wurde die von der Stadt Wien gespendete Gedenktafel enthüllt. Die Kaiserhymne wurde gesungen und eine Ehrensalve abgefeuert. Den Schlusspunkt der Feier bildete ein gemeinsames ‚Frühstück‘ auf der Terrasse vor dem Hotel ‚Zum Kahlenberg‘ (vgl. Wiener Zeitung/ Abendpost 11.09.1883, 1–2). Zu diesem offensichtlich sehr reichlichen Frühstück richtete die satirische Zeitschrift „Die Bombe“ eine „Bescheidene Anfrage“ an die Öffentlichkeit. (vgl. Die Bombe 16.09.1883, 290).
Wer waren die Gäste?
Wer waren die Gäste?
Folgende Personen nahmen u.a. an der Gedenkfeier am Kahlenberg am 11. September 1883 teil:
- die Mitglieder des Wiener Gemeinderates: Die Gedenkfeier wurde allerdings von 42 Gemeinderäten unter der Führung von Karl Lueger boykottiert
- sämtliche Chefs des Magistrates
- die Prälaten der Stifte Zwettl, Lilienfeld, Melk und des Schottenstiftes sowie Vertreter des Stiftes Herzogenburg
- Statthalter Baron Possinger
- Vertreter des Generalkommandos
- die zur Rathausfeier erschienenen Bürgermeister aus verschiedenen Städten Österreichs und den Nachbarländern (darunter der Bürgermeister von Rom Herzog Torlonia)
- Fürst Camillo Starhemberg
- Präsident Anton Ritter von Schmerling, 1860 Ministerpräsident der ersten liberal zu nennenden Staatsregierung
- Joseph Freiherr von Liebenberg und Julius Freiherr von Liebenberg, die beiden in Wien lebenden Urenkel des Wiener Bürgermeisters von 1683 Andreas von Liebenberg
- eine Deputation des Regiments Deutschmeister
- die Majore Prihoda und Volkmar
- die Vorstände Hödlmoser und Maschek vom militär-geographischen Institut
- zahlreiche Schriftsteller und Künstler
Literatur
Literatur
Das Vaterland (12.09.1883): Die Säkularfeier. Das Fest auf dem Kahlenberge, 6–7, 21.09.2020.
Die Bombe (16.09.1883): Bescheidene Anfrage, 290, 21.09.2020.
Feichtinger, Johannes (2010): „Auf dem Zauberhaufen“. Der Burgravelin und die Funktionalisierung des Gedächtnisses an den Entsatz Wiens von den Türken 1683, in: ÖZKD. Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, Jg. 64, Heft 1–2 (Sonderheft: Wiener Stadt- und Burgbefestigung, konzipiert und koordiniert von Markus Jeitler, Richard Kurdiovsky, Anna Mader-Kratky), 108–115. (Hierbei handelt es sich um die verbesserte und erweiterte Fassung dieses Online-Artikels)
Smolinski, Jerzy (1998): Kahlenberg. Kirche St. Josef. Lublin.
Truxa, Hans Maria (1891): Die Kirche mit der Gedenktafel auf dem Kahlenberge bei Wien. In: Erinnerungs-Denkmäler der Befreiung Wiens aus der Türkennoth des Jahres 1683. Wien, 17–25.
Truxa, Hans Maria (1891): Die Kirche mit der Gedenktafel auf dem Kahlenberge bei Wien. In: Oesterreichisches Jahrbuch. Für den österreichischen Volksschriften-Verein, hg. und geleitet von Frhr. v. Helfert. 15. Jg. Wien, 263–271.
Uhl, Eduard (1883): Ansprache des Bürgermeisters Eduard Uhl anläßlich der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel auf dem Kahlenberg am 11. September 1883. Wien.
Volksblatt für Stadt und Land (13.09.1883): Die Säcularfeier. Das Fest auf dem Kahlenberge, 2, 21.09.2020.
Wiener Zeitung/ Abendpost (11.09.1883): Säcularfeier der Stadt Wien, 1–3, 21.09.2020.