Text: Simon Hadler
Im Jahr 1983 feierte man auch in Klosterneuburg 300 Jahre „Türkensturm und Verteidigung“ – so der Titel einer zu diesem Anlass organisierten dreiteiligen Ausstellung. Sie stand im Zentrum einer Reihe weiterer Initiativen und Veranstaltungen, welche an die Abwehr osmanischer Angriffe im Zuge der Zweiten Wiener Türkenbelagerung erinnerten.
Die Erinnerung an 1683
Die Erinnerung an 1683
Als im Sommer 1683 osmanische Truppen unter Großwesir Kara Mustafa Wien belagerten, blieb auch Klosterneuburg von Angriffen nicht verschont. Weite Teile der umliegenden Siedlungen erlitten großen Schaden, doch die Obere Stadt mit dem Stift konnte nicht eingenommen werden. Dies verdankte sie einerseits den massiven Mauern der Wehranlagen und der im Laufe der Zeit eintreffenden Unterstützung durch die Reichstruppen, andererseits aber auch der provisorischen militärischen Organisation der Bevölkerung. Der Laienbruder Marzellin Ortner (1629–1692), der Priester Wilhelm Lebsaft (1656–1683), der stiftliche Rentmeister Bartholomäus Widmann (gest. 1683) oder der Oberst Donat Johann Heißler (gest. 1696) zählen zu jenen Protagonisten der damaligen Ereignisse, die vor allem im Laufe des 19. Jahrhunderts in Bildern und Texten als identitätsstiftende Helden dargestellt wurden. Eine ganze Reihe von Straßennamen erinnert seitdem an die Geschehnisse, und bereits 1933 beging man in Klosterneuburg das 250-Jahr-Jubiläum mit der Grundsteinlegung zum so genannten Türkenbrunnen.
Vorbereitungen
Vorbereitungen
Die Idee zu einer eigenen Ausstellung in Klosterneuburg im Jahr 1983 entstammte einer privaten Initiative unter Karl Mazakarini (Klosterneuburger Nachrichten 28.1.1983: 1), der einige Jahre zuvor ein historisches Gebäude in der Lebsaftgasse für kulturelle Veranstaltungen adaptiert hatte. Er konnte auch die Stadtgemeinde und weitere Unterstützer überzeugen, sodass schließlich am 18. Mai an drei unterschiedlichen Standorten die Ausstellung eröffnet werden konnte. Während in der Filiale der Ersten Österreichischen Spar-Casse am Niedermarkt vor allem die Zerstörungen der Unteren Stadt dargestellt wurden, zeigte das damals in der Rostockvilla untergebrachte Stadtmuseum vorwiegend Bild- und Textmaterial, während im vorhin genannten Mazakarini-Haus Bestände, die das Alltagsleben zur Zeit der Belagerung betrafen, thematisiert wurden.
Die Entscheidung für die Ausstellung scheint relativ kurzfristig erfolgt zu sein, sie dürfte daher auch nicht in die landesweiten Pläne integriert gewesen sein. Darauf deuten die Geleitworte des niederösterreichischen Landeshauptmannstellvertreters und Kulturreferenten Leopold Grünzweig im Ausstellungskatalog – er begrüßte „den überraschend gesetzten Akzent Klosterneuburgs zum Türkenjahr 1683“ (Stadtgemeinde Klosterneuburg 1983: 11) – ebenso hin, wie die Tatsache, dass auch Perchtoldsdorf eine das Land repräsentierende Schau auf die Beine gestellt hatte. Auch die Veranstalter selbst mussten in einer Information für die Presse zuallererst jenen entgegentreten, die „es vielleicht überflüssig finden, daß zu den vielen Türkenausstellungen dieses Jahres noch eine hinzukommt, noch dazu eine von ausgesprochen lokalem Charakter.“ (Stadtarchiv Klosterneuburg: Hinweise für die Presse) In den Klosterneuburger Nachrichten erkannte man im Charakter der Ausstellungsinitiative gar eine Parallele zum Handeln der Bürger im Jahr 1683:
Die Verteidigung Klosterneuburgs gegen die Türken war nicht eine von oben verordnete Aktion. […] Ganz ähnlich war es mit der Klosterneuburger Türken-Ausstellung. Auch sie wurde nicht von oben geplant, sondern die Idee entstand unter einigen interessierten Bewohnern der Stadt. (Klosterneuburger Nachrichten 10.6.1983: 1)
Die Ausstellung
Die Ausstellung
Am 18. Mai wurde die Ausstellung mit einem Festprogramm eröffnet. Den Anfang machte der Stadtchor, ehe Bürgermeister Karl Resperger die Gäste begrüßte und der Kustos des u.a. mit Leihgaben beteiligten Chorherrenstifts Klosterneuburg, Floridus Röhrig, die Ausstellung vorstellte. Nach weiteren Grußworten durch Vertreter des Landes Niederösterreich wurden die Gäste aufgerufen, nun die drei Standorte der Schau zu besuchen, wo sie von weiteren musikalischen Darbietungen begrüßt werden sollten (Stadtarchiv Klosterneuburg: Programmfolge).
Begleitend zur Ausstellung wurde auch ein Katalog publiziert. Er umfasste nicht nur Abbildungen und Beschreibungen der zur Schau gestellten Objekte, sondern daneben auch Texte zu einigen historischen und kunsthistorischen Aspekten des Jahres 1683. Außerdem wurde, wie auch schon anlässlich des früheren Jubiläums 50 Jahre zuvor, die wichtigste Quelle für die damaligen Ereignisse, der Bericht des Kupferstechers Johann Martin Lerch, neu gedruckt. Im Gegensatz zu 1933 erschien er jedoch diesmal als Faksimile.
Die Bedeutung einiger Ausstellungsobjekte wurde von den Veranstaltern besonders betont. Dazu zählte ein erst 1982 wiederentdecktes spätgotisches Taufbecken der im Jahr 1683 schwer beschädigten Pfarrkirche St. Martin in der Unteren Stadt (Stadtgemeinde Klosterneuburg 1983: 54; Klosterneuburger Nachrichten 6.5.1983: 5). Aus einem Fund in den Jahren 1977–1979 stammte ein Messergriff mit einem vergoldeten Schlusskopf in Form eines Türkenkopfs (Stadtgemeinde Klosterneuburg 1983: 61, 65). Um den Besuchern die Lage Klosterneuburgs im Jahr 1683 möglichst plastisch vor Augen zu führen, ließ man nicht nur den Künstler Leo Leitner eine detaillierte Federzeichnung in Anlehnung an frühere Darstellungen anfertigen, sondern auch ein Diorama mit etwa 800 Zinnfiguren.
Am Ende zählte man ca. 13.000 Besucher für alle drei Ausstellungsstandorte (Klosterneuburger Nachrichten 21.10.1983: 7).
Die Türken außerhalb der Ausstellungsräume
Die Türken außerhalb der Ausstellungsräume
Das Thema des Türken-Jubiläums wurde im Jahr 1983 in Klosterneuburg mehrmals aufgegriffen. So enthüllte der örtliche Verschönerungsverein an den Resten der alten Stadtbefestigung am Tutzsteig eine Gedenktafel. Auch die Veranstaltungsreihe der Klosterneuburger Kulturwochen (8. September – 15. Oktober) kam nicht ohne einen Bezug auf das Jahr 1683 aus. An allen drei Ausstellungsorten organisierte man thematisch passende Veranstaltungen. So wurden die Kulturwochen in der Rostockvilla mit Musik, Tänzen und Texten aus der Türkenzeit eröffnet. Im Mazakarini-Haus wiederum las die Historikerin Gerda Hagenau aus ihrer Sobieski-Biographie (NÖN 19.8.1983: 6). Auch beim traditionellen Weinlese- und Erntedankfest
wimmelte [es] nur so von Turbantürken, Sultanen mit Haremsdamen, Janitscharen und Kriegsmusikanten, aber auch von armen Flüchtlingen und heldenhaften Verteidigern. (NÖN 7.10.1983: 5)
So fand sich etwa eine Nachbildung des Türkenbrunnens auf einem der Festwägen. Zu erwähnen ist auch noch die begleitende Berichterstattung durch die lokale Presse. Hier fand beispielsweise einer der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Ausstellung, der Stiftskustos Floridus Röhrig, Platz, um einen Vorausblick auf die kommende Schau zu geben. Darin wird auch das 1851 entstandene historistische Gemälde Johann Tills reproduziert, jedoch nicht auf dessen kontextabhängigen heroisierenden Charakter verwiesen (vgl. Klosterneuburg, Stift) (Klosterneuburger Nachrichten 13.5.1983: 3). Mangelnde Distanz zu den geschichtlichen Ereignissen kann man auch Hans Hartl, dem Autor eines weiteren Textes in den Klosterneuburger Nachrichten vorwerfen. Er suchte nach möglichst eindrucksvollen Bildern, um den Lesern die Gefahr durch den damaligen Gegner vor Augen zu führen,
[…], denn das Heer der Türken ergoß sich wie ein Strom flüssiger Lava über Ungarn und den Osten Österreichs bis an die Mauern Wiens. Brennende Dörfer und Städte, gemarterte und geschändete Männer, Frauen und Kinder kennzeichneten den Weg, den die Heeresmassen des Sultans und seiner Hilfsvölker nahmen. (Klosterneuburger Nachrichten 12.8.1983: 5)
Erinnerungen an 1683 nach dem Türkenjahr
Erinnerungen an 1683 nach dem Türkenjahr
Das Jahr 1983 stellte den Höhepunkt der jahrhundertelangen Abfolge des Aktualisierens und Interpretierens der Erinnerung an das Jahr 1683 in Klosterneuburg da. Doch eingebettet in andere inhaltliche Kontexte fand das Thema auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder einen Platz. So etwa im offenbar weit ausholenden Rahmen der Sonderausstellung des Stiftsmuseums „Die Krone des Landes“, in der es eigentlich um den Österreichischen Erzherzogshut ging (Holubar/Huber 1996: 166–169). Als Klosterneuburg bald darauf das 700-Jahr Jubiläum der Verleihung des Stadtrechts feierte, widmete der Komponist Johann Holik der Stadt eine Kantate mit dem Titel „Türkensturm“ (Holik 1997). Nicht zu vergessen ist auch die permanente Ausstellung zur Stadtgeschichte im örtlichen Museum. Seit 2008, als es zu einer Neugestaltung kam, erwartet die Besucher neben einigen zeitgenössischen osmanischen Waffen und bildlichen Darstellungen der damaligen Ereignisse auch ein neues, die Ereignisse von 1683 abbildendes Diorama.
Literatur
Literatur
Holik, Johannes (1997): Türkensturm. Partitur. Wien.
Holubar, Karl; Huber, Wolfgang Christian (1996): Die Krone des Landes. Klosterneuburg.
Klosterneuburger Nachrichten (28.1.1983): Klosterneuburg 1683. Türkensturm und Verteidigung. 1.
Klosterneuburger Nachrichten (6.5.1983): Neugebauer, Johannes-Wolfgang: Restauriertes gotisches Taufbecken nach Klosterneuburg zurückgekehrt. 5.
Klosterneuburger Nachrichten (13.5.1983): Röhrig, Floridus: Ausstellung: Klosterneuburg 1683. Türkensturm und Verteidigung. 18. Mai bis 2. Oktober 1983. 3.
Klosterneuburger Nachrichten (10.6.1983): Eine Stadt weiß sich zu wehren. 1.
Klosterneuburger Nachrichten (12.8.1983): Hartl, Hans: Du kleines Königlein… Zur Wiener Türkenbelagerung 1683. 5.
Klosterneuburger Nachrichten (21.10.1983): Türkenausstellung „1683 Türkensturm und Verteidigung. 7.
NÖN (19.8.1983). Niederösterreichische Nachrichten. Klosterneuburg: Kulturwochen im Zeichen des Türkenjahres. 6.
NÖN (7.10.1983). Niederösterreichische Nachrichten. Klosterneuburg: Festumzug: 2000 Teilnehmer. 5.
Stadtarchiv Klosterneuburg: Hinweise für die Presse.
Stadtarchiv Klosterneuburg: Programmfolge.
Stadtgemeinde Klosterneuburg (Hg.) (1983): Klosterneuburg 1683. Türkensturm und Verteidigung. 19. Mai bis 2. Oktober 1983. Ausstellungen. Klosterneuburg.