Bedeutende geschichtliche Eckdaten
- 1912/13: Gründung der Wörterbuchkanzleien in Wien und München
- 1913: Beginn der Sammeltätigkeit
- 1937: Aussendung des letzten Fragebogens
- 1954: Trennung der Wörterbuchkanzleien
- 1963: Publikation der 1. Lieferung
- 2015: Publikation der 41. Lieferung; vorläufige Einstellung des WBÖ
- 2016/17: Wiederaufnahme des WBÖ
Initiierung des Wörterbuchs
Initiierung des Wörterbuchs
Am 20. September 1910 schrieb der Indogermanist Ernst Kuhn von der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München einen Brief an den Germanisten Joseph Seemüller von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Darin formulierte er den Vorschlag, ein gemeinsames bayerisch-österreichisches Dialektwörterbuch zu initiieren.
Zuvor war an der Bayerischen Akademie die Möglichkeit einer Überarbeitung des „Bayrischen Wörterbuchs“ von Johann Andreas Schmeller diskutiert worden. Dies befanden einige Gelehrte in München jedoch für nicht zielführend, da die Erhebungen Schmellers bereits eine längere Zeit zurücklagen, und forderten deshalb die Etablierung eines Wörterbuchprojekts, das den gesamtbairischen Dialektraum abdecken sollte. Das Schmeller’sche Wörterbuch hatte lediglich das Bairische im Königreich Bayern sowie in einigen Gebieten Salzburgs behandelt, während der restliche bairische Wortschatz noch nicht systematisch und flächendeckend aufgezeichnet worden war.
Im Gegensatz zu München gab es in Wien bereits eine florierende und gut etablierte dialektologische Schule, die sich der Forschung sowohl im Binnenbairischen als auch in den bairischen Sprachinseln widmete. Um die Ressourcen und auch das Prestige der Wiener Schule nutzen zu können, wandte sich Ernst Kuhn an Joseph Seemüller und schlug vor, dass das gemeinsame Wörterbuchprojekt doch von Wien aus initiiert werden sollte. Dieser Vorschlag stieß bei der Wiener Akademie auf reges Interesse. Es wurde umgehend mit der Planung begonnen.
Schon 1911 wurden an beiden Akademien Wörterbuchkommissionen eingerichtet. 1912/13 folgte die Schaffung der entsprechenden Wörterbuchkanzleien, die ursprünglich als Schwesterkanzleien gedacht waren. Das neue Wörterbuch sollte als „Bayerisch-österreichisches Wörterbuch“ erscheinen. Als Gründungstag der Wiener Kanzlei wird gemeinhin der 12. Februar 1913 gehandhabt. Bedeutende Mitarbeiter waren zu dieser Zeit Anton Pfalz, Walter Steinhauser und Primus Lessiak.
Arbeit der Wörterbuchkanzleien bis zum 1. Weltkrieg
Arbeit der Wörterbuchkanzleien bis zum 1. Weltkrieg
Die Münchner Kanzlei war für die Sammlung innerhalb Bayerns zuständig, die Wiener für den geschlossenen bairischen Sprachraum in der damaligen österreich-ungarischen Doppelmonarchie, nämlich im heutigen Österreich, Südtirol, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien sowie für alle Sprachinseln außerhalb des geschlossenen Sprachraums. Beide Kanzleien sollten zwar mit gemeinsamen Fragebögen arbeiten, die Sammlungen jedoch getrennt voneinander durchführen. Danach wäre es vorgesehen gewesen, das Material nach Wien zu überführen, wo die lexikographische Arbeit hätte stattfinden sollen.
Für die Erhebungen bereiteten die Kanzleien Fragebögen und Fragebücher vor, die als Hauptaugenmerk den Dialektwortschatz hatten, aber auch auf volkskundliche Besonderheiten abzielten. Mithilfe von Inseraten und Aufrufen wurden Sammlerinnen und Sammler aus dem ganzen bairischen Sprachraum gewonnen, die sich ab dem Jahr 1913 an die Arbeit machten, Dialektwörter und -besonderheiten aufzuschreiben und an die Kanzleien der Akademien zu senden. Der letzte der sog. "großen Fragebögen" wurde 1933 ausgesandt, 1937 endeten die Nacherhebungen mittels der Ergänzungsfragebögen (vgl. zu ausführlicheren Informationen zur Materialsammlung den Abschnitt Materialbasis).
Zusätzlich zu den Sammlungen wurden laufend Dissertationen und Monographien, bereits bestehende kleinräumige Dialektwörterbücher, historisches Material und ähnliche Quellen auf Handzettel exzerpiert und im Zettelkatalog eingegliedert. Auch direkte Erhebungen, wissenschaftliche Sammlungen, Sprachaufnahmen und persönliche Mitteilungen wurden in den Fundus aufgenommen. Dies führte zu einem rasanten Wachstum des Zettelkatalogs, der heute ein reichhaltiges dialektologisches sowie volkskundliches Korpus darstellt.
Beginn des 1. Weltkriegs bis Ende des 2. Weltkriegs
Beginn des 1. Weltkriegs bis Ende des 2. Weltkriegs
Der 1. Weltkrieg stellte einen folgenschweren Einschnitt sowohl bei den Kanzleien als auch bei der Sammeltätigkeit dar. Trotz finanzieller Sorgen konnte danach die Arbeit wieder aufgenommen werden. Eberhard Kranzmayer, dessen Rolle aufgrund seiner politischen Verstrickung während der Zeit des Nationalsozialismus sehr kritisch zu bewerten ist (zur wissenschaftshistorischen Kontextualisierung der Person Kranzmayers siehe Wiesinger/Steinbach 2001 sowie jüngst das Projekt Österreichische Dialektkartographie 1924-1956. Digitalisierung, Kontextualisierung, Visualisierung), begann zu dieser Zeit seine Arbeit beim Wörterbuchprojekt, zuerst noch in Wien, später dann in München.
Noch schlimmer wirkte sich der 2. Weltkrieg auf das Wörterbuch aus. Nach und nach wurden die Mitglieder der Belegschaft zum Kriegsdienst einberufen, wodurch die Arbeit bald gänzlich eingestellt wurde. Während die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wiener Kanzlei allmählich aus dem Krieg zurückkehrten und ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten, stand die Münchner Kanzlei personell vor einem gänzlichen Neubeginn. Beide Kanzleien konnten jedoch in der Folgezeit ihre Arbeit erfolgreich fortsetzen.
In Wien war Maria Hornung, die schon vor dem Krieg am Wörterbuch mitgearbeitet hatte, um eine rasche Wiederaufnahme der Arbeit bemüht. Eberhard Kranzmayer wechselte von München nach Wien.
Nachkriegszeit und Trennung der Wörterbuchkanzleien
Nachkriegszeit und Trennung der Wörterbuchkanzleien
1950 wurde eine Abweichung vom vorgesehenen Prozedere beschlossen. Nun sollte das Belegmaterial sowohl in Wien als auch in München gesammelt und bearbeitet werden. In letzter Instanz wäre geplant gewesen, die fertigen Artikel von München nach Wien zu übermitteln, wo die Artikel schließlich zu einer gemeinsamen Version zusammengeführt werden sollten. Aufgrund konzeptioneller Unterschiede, aber auch der Tatsache geschuldet, dass die Wiener Kanzlei mit der Publikation beginnen wollte, während die Münchner noch wesentliche, zu behebende Lücken in deren Material sah, führten schließlich dazu, dass am 24. Juni 1954 an der Münchner Akademie die Trennung der beiden Kanzleien beschlossen und verkündet wurde. Dies hatte zur Folge, dass das Wörterbuch in zwei regionalen Reihen getrennt wurde, diese jedoch unter dem gemeinsamen Reihentitel „Bayerisch-österreichisches Wörterbuch“ veröffentlicht wurden und weiterhin werden.
Publikationsgeschichte bis 2015
Publikationsgeschichte bis 2015
In der Folge wurde die Artikelschreibung in der Wiener Kanzlei vorangetrieben, sodass 1963 die 1. Lieferung des „Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich“ erscheinen konnte. Von 1963 bis 1975 übernahm Eberhard Kranzmayer die Funktion des Herausgebers des WBÖ. Maria Hornung hatte von 1969 bis 1980 die Redaktion inne. Ihr folgte Werner Bauer als Redaktor. 1994 wurde die Wörterbuchkommission gemeinsam mit dem Altdeutschen Namenbuch zum Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika (DINAMLEX) umgewandelt. Ab 2013 war das DINAMLEX und somit das WBÖ Teil des Instituts für Corpuslinguistik und Texttechnologie (ICLTT). Von 1999 an stand Peter Wiesinger dem WBÖ wissenschaftlich beratend und leitend zur Seite. Von 2001 bis 2015 war Ingeborg Geyer für die Redaktion zuständig.
Seit der ersten Veröffentlichung wurden bis 2015 fünf Bände in insgesamt 41 Lieferungen publiziert, womit die gesamte Strecke von A bis E abgedeckt wird.
Neuaufnahme des Wörterbuchprojekts
Neuaufnahme des Wörterbuchprojekts
Nachdem das Wörterbuch 2015 vorläufig eingestellt wurde, konnte es 2016 an der neu gegründeten ÖAW-Forschungsabteilung "Variation und Wandel des Deutschen in Österreich" (VaWaDiÖ), die seit dem 1. Juni 2021 in Forschungsabteilung "Sprachwissenschaft" umbenannt wurde, konzeptionell und personell neu aufgestellt werden. Die ersten 100 Artikel wurden im Dezember 2018 über das ebenfalls an der Abteilung "Sprachwissenschaft" konzipierte und in Kooperation mit dem ACDH-CH aufgestellte "Lexikalische Informationssystem Österreich" (LIÖ) online publiziert. Im Zuge der Retrodigitalisierung wurden zudem seit 2022 sukzessive die bisher nur im Druck erschienenen WBÖ-Bände digitalisiert und online gestellt. Mittlerweile (Stand: Jänner 2024) sind über 3800 WBÖ-Artikel online.
Zitierte Literatur
Zitierte Literatur
Meister, R. (1970). Vorwort. In: Kranzmayer, E. (Hrsg.). Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ) (Band 1: A–Azor). Wien: VÖAW, V–XVI.
Reiffenstein, I. (2005). Die Geschichte des „Wörterbuches der bairischen Mundarten in Österreich“ (WBÖ). Wörter und Sachen im Lichte der Kulturgeschichte. In: Hausner, I. / Wiesinger, P. (Hrsg.). Deutsche Wortforschung als Kulturgeschichte. (ÖAW, Sb. der phil.-hist. Kl. 720). Wien, 1–13.
Rowley, A. R. (2002). Einleitung. In: Kommission für Mundartforschung (Hrsg.). Bayerisches Wörterbuch(BWB) (Band I: A–Bazi). München: Oldebourg, VII–XXX.
Wiesinger, P. / Steinbach, D. (2001): 150 Jahre Germanistik in Wien. Außeruniversitäre Frühgermanistik und Universitätsgermanistik. Wien: Edition Praesens.