Der Fundplatz Avaris (auch Auaris) befindet sich im östlichen Nildelta in unmittelbarer Nähe des heutigen Ortes Tell el-Dabʿa (8 km nördlich der modernen Provinzhauptstadt Faqus, Provinz Sharqia). Der Ort kann heute mit Sicherheit als Avaris, Hauptstadt der Hyksos (ca. 1640–1530 v. Chr.) und als der südliche Teil von Pi-Ramesse (heutiger Ort Qantir), der Deltaresidenz von Ramses II. und seinen Nachfolgern, identifiziert werden.

Avaris war ein Knotenpunkt wichtiger Handelswege zu Wasser und zu Lande. Entscheidend für die Bedeutung der Stadt war einerseits ihre Lage zwischen dem pelusischen Nilarm, der den Zugang zum Mittelmeer gewährleistete, und dem Bahr el-Baqar, andererseits ihre Lage am Ende des Horusweges, der über den Nordsinai nach Palästina führte. Die Stadt hatte eine wichtige Funktion als Hafen, wo vermutlich ein Teil des Seehandels abgewickelt wurde. Dies ist inschriftlich bezeugt, zeigt sich aber auch durch die große Menge von Importen wie etwa Amphoren, die an diesem Platz gefunden wurden. Aufgrund seiner exponierten Lage im nordöstlichen Nildelta, die es erlaubte, den Zustrom von Gütern und Menschen zu kontrollieren, hatte Avaris neben der wirtschaftlichen Bedeutung auch in militärischer Hinsicht eine strategisch wichtige Position inne.

Forschungsgeschichte

Erste Ausgrabungen an diesem Ort führte bereits 1885 Édouard Naville durch. 1928 stieß Mahmud Hamza ca. 2 km nördlich von Tell el-Dabʿa, am Südrand der Ortschaft Qantir, bei Ausgrabungen auf eine gewaltige Palastanlage aus der Zeit der 19. und 20. Dynastie, die er als Pi-Ramesse identifizierte. In den Jahren 1941–1942 unternahm Labib Habachi Untersuchungen für den Ägyptischen Antikenservice und schlug erstmals eine Identifizierung mit dem antiken Avaris vor. Shehata Adam legte 1951–1954 im Zuge von Ausgrabungen bei ʿEzbet Rushdi einen Teil des Gebietes aus der 12. Dynastie frei, darunter einen Tempel für den Kult des Königs Amenemhet I. Seit 1966 (mit einer kurzen Unterbrechung von 1970 bis 1974) wird der Fundplatz von der Zweigstelle Kairo des Österreichischen Archäologischen Instituts untersucht, von 1966 bis 2009 unter der Leitung von Manfred Bietak, seit 2009 unter der Leitung von Irene Forstner-Müller.

Standen bei früheren Untersuchungen v. a. die Freilegung von Palästen im Vordergrund, verlagerten sich die Forschungsschwerpunkte in jüngerer Zeit hin zu siedlungsarchäologischen und urbanistischen Fragestellungen. Grundlage dafür bietet der auf Basis von Geomagnetik erstellte Übersichtsplan von Tell el-Dabʿa. Dazu gehören unter anderem die Erforschung der antiken Flussarme und die Rekonstruktion der Hafen-Landschaft.

Topografie

In der Antike lag Avaris am pelusischen Nilarm, dem östlichsten Deltarm. Dies bot eine rasche Verbindung zur Mittelmeerküste und ins Niltal. Anhand von geophysikalischen Untersuchungen konnte die antike Topographie, die weitestgehend nicht mehr erhalten ist, in der Umgebung von Tell el-Dabʿa rekonstruiert werden. Die moderne Oberfläche erscheint flach und wird landwirtschaftlich genutzt. Lediglich ein kleiner Tell ist sichtbar (nördlich von Areal A/II), der heute als Friedhof verwendet wird.

In pharaonischer Zeit bestand das Gelände aus einer Hügelkette aus Sandrücken, sogenannten Geziras. Als vor der Überschwemmung geschütztes Land boten sie günstige Siedlungsplätze. Vom pelusischen Nilarm zweigten zwei breite Nebenarme nach Osten ab (F2 und F3), die durch kleinere Verzweigungen verbunden waren und so die Geziras als „Inseln“ umschlossen. Der Arm F2 war zwar seichter als F1, aber noch schiffbar. Dagegen war der Arm F3 zu Beginn des Mittleren Reiches vermutlich noch als Flussarm aktiv, in der späten Hyksoszeit jedoch bereits weitgehend verlandet.

Ihre größte Ausdehnung erreichte die Stadt während der 15. Dynastie und danach wieder während der Ramessidenzeit. Am Ende der 20. Dynastie, etwa um 1110 v. Chr., wurde Pi-Ramesse, vermutlich bedingt durch die Verlandung des pelusischen Nilarms, aufgegeben. Mit der Verlegung des Siedlungsplatzes in das 30 km entfernte Tanis war der Transport von zahlreichen Monumenten aus Pi-Ramesse verbunden, was dazu führte, dass aufgrund der zahlreichen Inschriften zunächst Tanis mit der Ramses-Stadt identifiziert wurde.

Infolge der Versandung des pelusischen Nilarms war die Stadt nach der 20. Dynastie fast ein halbes Jahrtausend lang verlassen und wurde erst nach der Reaktivierung dieses Wasserwegs ab der Saïten- und Perserzeit bis in die frühe Ptolemäerzeit durch eine ausgedehnte Siedlung mit Turmhäusern und einem Tempel wieder bewohnt.

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