Text: Johannes Feichtinger, Johann Heiss, Johanna Witzeling

Nach dem Gottesdienst in der St. Josefskirche am Kahlenberg am 11. September 1883 hielt der Wiener Bürgermeister Eduard Uhl anlässlich des 200-jährigen Jubiläums des Entsatzes von Wien eine Gedenkrede, in der auf die historische Bedeutung des Ereignisses einging. Höhepunkt der Gedenkfeier war die Enthüllung einer von der Stadt Wien gestifteten Gedenktafel über dem Hauptportal der St. Josefskirche.

„Ein gewaltiger Feind der abendländischen Cultur“

Von Osten drohte ein gewaltiger Feind, der seine Macht festsetzen wollte im Abendland, ein Feind nicht nur der christlichen Religion, sondern auch der abendländischen Cultur. Vor den Mauern unserer Stadt hatte er zum zweiten Male Halt gemacht, das Bollwerk des Reiches zu erstürmen und dann vorwärts zu dringen gegen die anderen christlichen Länder. Aber die Absicht zerschellte an dem Heldenmuthe der österreichischen Krieger, an der Tapferkeit der kaiserlichen Verbündeten, an der Kraft der Bürger Wiens in Aufopferung der Freiheit und des Lebens für die Zukunft des gesammten Abendlandes. (Uhl 1883: 1)

Als Bürgermeister der Stadt Wien betonte Uhl die Rolle der Bürger während der Belagerung: Die Bürgerschaft habe „mit Mannesmuth, die schweren Lasten einer mehrwöchentlichen Einschließung“ ertragen und wäre „thätig eingreifend zur Wehre gegen den an Zahl weit überlegenen Feind“ gewesen (Uhl 1883: 2).

Er lobte Rüdiger von Starhemberg, „der, an Heldenmuth, Umsicht, Tapferkeit und Ausdauer den Soldaten wie den Bürgern ein leuchtendes Vorbild, getreulich gehalten, was er seinem kaiserlichen Herrn versprochen“, nämlich die „Vormauer der Christenheit zu schützen“ (ebd).

„Ein Muster wahrer Bürgertugend“

Anlässlich des Jubiläums 1883 revitalisierten die Wiener Bürger ‚ihren Helden‘ Andreas von Liebenberg, den Bürgermeister von 1683, den sie mit einem Denkmal ehrten – dem ‚Liebenberg-Denkmal‘, das am 12. September 1890 auf der Mölkerbastei enthüllt wurde.

Es ist daher wenig überraschend, dass Eduard Uhl in seiner Ansprache nicht nur auf die Rolle der Bürger, sondern auch ihres Bürgermeisters Liebenberg einging:

mit wahrhafter Hingebung für das Wohl ihrer Mitbürger harrte der Stadtrath, dessen Mitglieder vollzählig in der Stadt geblieben waren, auf seinem Posten aus. Allen voran, ein Muster wahrer Bürgertugend, der wackere Bürgermeister Andreas von Liebenberg, der im Beginne der Belagerung selbst Hand anlegte bei den Vertheidigungsarbeiten. (Uhl 1883: 2)

42 Gemeinderäte unter der Führung des Gemeinderats und späteren christlichsozialen Bürgermeisters Karl Lueger waren nicht anwesend. Sie boykottierten die vom liberalen Teil des Gemeinderats initiierten Feierlichkeiten rund um die Gedenktafel am Kahlenberg, was die politischen Spannungen zwischen Liberalen und Konservativen der damaligen Zeit verdeutlicht (vgl. Bienkowski 1883: 416).

Literatur

Literatur

Bienkowski, Wieslaw (1983): Wien und Krakau 1883. Die Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum. In: Studia Austro-Polonica 3. Warschau/Krakau, 401–439.

Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie (14.08.1883): Säkularfeier, 5, 21.09.2020.

Neue Freie Presse (12.09.1883): Inland. Wien, 11. September. Das päpstliche Sendschreiben über die Säcularfeier, 2, 21.09.2020.

Uhl, Eduard (1883): Ansprache des Wiener Bürgermeisters Eduard Uhl anläßlich der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel auf dem Kahlenberg am 11. September 1883. Wien.