Text: Johannes Feichtinger, Johann Heiss, Johanna Witzeling

In seinem Hirtenschreiben vom 18. August 1883, mit dem sich der Wiener Fürsterzbischof, ab 1884 Kardinal, Cölestin Josef Ganglbauer an die „gesamte ehrwürdige Geistlichkeit und an alle Gläubigen der Erzdiöcese Wien“ richtete, unterstrich er die Wichtigkeit des Sieges von 1683 vor allem in religiöser Hinsicht.

Selbstüberhöhung und Fremdenfeindlichkeit

Selbstüberhöhung und Fremdenfeindlichkeit

Ganglbauer verknüpfte in seinem Hirtenschreiben in rhetorisch geschickter Weise teilweise jahrhundertealte türken- und islamfeindliche Aussagen mit selbstaufwertenden Klischees, die dem Ereignis Bedeutung für das „gesammte christliche Abendland“ verleihen sollten. So schreibt der Fürsterzbischof vom „fanatischen Ungestüme“ des „Muhammedanismus“, dem er „gewaltthätiges Auftreten“ (17) ebenso nach sagt wie „culturfeindliche Herrschaft“ (18) bzw. „bildungs- und culturfeindliche Herrschaft“.

Die Selbstaufwertung unternimmt Ganglbauer – wie so oft – mit Hilfe von dreigliedrigen steigernden Aufzählungen: So habe sich zum Beispiel am 12. September 1683 [vor den Mauern Wiens] „nicht nur das Schicksal der Haupt- und Residenzstadt, sondern auch das der ganzen Monarchie, ja das Schicksal des gesammten christlichen Abendlandes entschieden“. Oder „Wien war gerettet, Oesterreich und Deutschland, das ganze christliche Abendland“ sei durch den Sieg „für immer gesichert“ worden (Ganglbauer, in: Blätter der Erinnerung 1883: 17, 19f.)

Schließlich führt ihn diese Selbstüberhöhung zur Vorstellung des göttlich gewollten missionarischen und zivilisatorischen Auftrags Österreichs, den er deutlich zum Ausdruck bringt: „Wir wollen“, so Ganglbauer, „christliche Cultur und Bildung, durch die Europas Völker jetzt an der Spitze der Menschheit stehen und die nichtchristlichen Völker des Erdkreises überragen, in der von Gott bestimmten Zeit in den befreiten, dem Christenthum wieder gewonnenen Orient […] tragen.“ (Ganglbauer, in: Blätter der Erinnerung 1883: 24)

Hochmut und Heldentum

Hochmut und Heldentum

Aufschlussreich ist auch die Art und Weise, wie Ganglbauer die historisch bedeutsamen Akteure charakterisiert (vgl. Ganglbauer, in: Blätter der Erinnerung 1883: 18–22): Dem „herrschsüchtigen, hochmüthigen Kara Mustapha“ stellt er die christlichen Helden gegenüber, nämlich:

  • den „heldenmüthigen, unbeugsamen Starhemberg“
  • den „umsichtigen, trefflichen kaiserlichen Heerführer Karl von Lothringen“,
  • den „trefflichen Papst Innozenz XI“, „Vater der Christenheit“
  • den „tapferen Polenkönig Johann III. Sobieski“, den er auch als „ritterlich“ bezeichnet
  • den „erlauchten, edlen, im frommen Gottvertrauen unerschütterlichen Kaiser Leopold“
  • den „armen, schlichten Mönch, den frommen, heiligmäßigen Kapuziner Marco d’Aviano“, den er als „vermittelndes Organ“ zwischen Papst und Kaiser und „einigendes Element“ der „national verschiedenen“ Truppen darstellt
  • die „wackere Bürgerschaft“

Eine „erhebende Siegesfeier“

Eine „erhebende Siegesfeier“

Für die „erhebende Erinnerungsfeier“ verordnete der Fürsterbischof im Hirtenbrief

  • ein feierliches Hochamt am 12. September um 9 Uhr im Stephansdom
  • in allen Pfarrkirchen Wiens und der Erzdiözese am 9. September, „dem Namensfeste Mariens, welches Fest mit der Befreiung der Christenheit aus der Türkennoth durch Mariens Fürbitte in engster Verbindung steht“, ein feierliches Hochamt mit Te Deum und Predigt
  • ein heiliges Triduum im Stephansdom für den 8., 9., 10. September mit Litanei, Segen und Einleitungspredigt am 7. September und an jedem der drei darauffolgenden Tage ein feierliches Pontifikalamt sowie um 11 Uhr eine Predigt, von 5 Uhr morgens an jede halbe Stunde eine heilige Messe und um 12 Uhr eine heilige Segenmesse. Nachmittags um 5 Uhr sei jeweils wieder eine Litanei, ein Segen und eine Predigt abzuhalten. Am Montag, den 10. sei das Triduum nach der Abendpredigt durch ein Te Deum abzuschließen.
  • einen vollkommenen Ablass für alle Gläubigen, die an der dreitägigen Andacht in der Stephanskirche oder an den zweitägigen Andachten in den Pfarrkirchen teilnehmen. Papst Leo XIII. hatte diesen Ablass in einem Breve vom 14. August 1883 verliehen.
  • die Verkündigung der angeordneten Feierlichkeiten am Sonntag den 2. September 1883 von der Kanzel aus.

Literatur

Literatur

Hirtenschreiben des hochwürdigsten Herrn Fürsterzbischofes Cölestin Joseph von Wien, gegeben zu Wien am 18. August 1883, in: Blätter der Erinnerung an die im September 1883 in Wien abgehaltene kirchliche Säcularfeier der Rettung Wiens aus der Türkennoth im Jahre 1683. Wien, 17–28.