03.01.2022

Institutsporträt: Das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA)

Technikfolgenabschätzung. Hinter diesem zugegeben etwas sperrigen Wort verbergen sich Forschungsgebiete wie Künstliche Intelligenz, Nanotechnologien oder die Auswirkungen von Digitalisierung und Energiewende in Österreich. Im Mittelpunkt stehen dabei immer der menschliche Aspekt und die Frage, wie sich die Technikentwicklung auf die Gesellschaft, aber auch die Umwelt und die Wirtschaft auswirkt.

Technikfolgen werden am ITA von Expert/innen aus vielen Disziplinen beleuchtet. (Foto: ÖAW)

von: Denise Riedlinger und Michael Nentwich

Wie gehen wir als Gesellschaft mit der Allgegenwart von smarten Technologien um? Ist von Menschen gemachte künstliche Intelligenz neutral, oder sind Bias und Vorurteile darin enthalten, die wir auf den ersten Blick vielleicht nicht erkennen? Welche Ängste und Vorbehalte werden geschürt, wenn inmitten einer Pandemie Expert/innenwissen plötzlich eins zu eins von der Politik übernommen wird? Dies sind nur einige der für die Technikfolgenabschätzung (TA) relevanten Fragen. Sie ist ein dynamisches, zukunftsorientiertes Forschungsfeld.

Wie vielfältig die Arbeit am ITA ist, sieht man nicht zuletzt am Team: Am ITA wird nicht nur interdisziplinär geforscht – die Expertise der Mitarbeiter/innen reicht von Volkswirtschaft über Soziologie, Physik und Ingenieurswesen bis hin zu Humanbiologie, Ökonomie und Politologie. Nachwuchsforscher*innen werden über den Institutsalltag hinaus bewusst gefördert: Durch verschiedene Lehrtätigkeiten setzen sich die ITA-Forscher/innen auch in der Zusammenarbeit mit Studierenden dafür ein, das Bewusstsein für soziale und umweltrelevante Folgen bei der Entwicklung von Technik zu stärken. Aktuelle Themen im Fokus sind unter anderem:

Blackout und Cybersecurity

Wie schützen wir uns in verschiedenen Blackout-Szenarien? Wie positionieren sich österreichische Unternehmen global im Bereich Cybersecurity? Maßnahmen und Antworten erarbeitete das ITA in Zusammenarbeit mit dem AIT (Austrian Institute of Technology). für Österreichs Abgeordnete. Dass sich durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen der Technikforschung Optionen und Empfehlungen entwickeln lassen, die Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit zur Orientierung und Entscheidungsfindung verhelfen können, liegt auf der Hand. Neben Tätigkeiten für verschiedene Ministerien und Stakeholder wie die Arbeiterkammer berät das ITA seit 2017 auch das Österreichische Parlament. Ziel ist, österreichische Entscheidungsträger*innen über neue technologische Entwicklungen und Trends frühzeitig zu informieren. Zuletzt liefen Studien zu Blackout und Cybersecurity. Weitere Studien befassten sich mit dem Wissensstand über 5G und Gesundheit, sowie der Rolle von Zwischenspeichern als eine der Schlüsseltechnologien der Energiewende.

Expert*innenwissen als Allheilmittel für die Pandemie?

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie beschäftigt sich das ITA-Team auch in verschiedenen Forschungsprojekten mit der laufenden Pandemie und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Eine zentrale Frage ist, was die Wissenschaft zur Bewältigung einer Pandemie beitragen kann. Welche Hoffnungen kann Expert*innenwissen erfüllen, welche nicht? Kann es politische Entscheidungen ersetzen? Wenn plötzlich einige Disziplinen – wie etwa die Virologie – in den Vordergrund rücken, wo bleiben dann gesellschaftlich relevante Zweige wie Psychologie oder Sozialwissenschaften? Führt uns die Pandemie vielleicht sogar in die totale Überwachung? Mit diesen und anderen Fragen wird versucht, auf veränderte Verhältnisse einzugehen und jene Bereiche von Wissenschaft und Forschung ins Licht zu holen, die in einer Krisensituation ergänzend zu einer Verbesserung der Situation beitragen können.

KI, Privatsphäre und Datenschutz

Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Technologien, die unser tägliches Leben von Grund auf verändern und tief in unseren Alltag und in unsere Privatsphäre eindringen, ist dringend notwendig. Das ITA setzt sich seit langem in zahlreichen Projekten mit diesem wichtigen Thema auseinander. Im Jahr 2020 erschien etwa eine weitbeachtete, kritische Studie zum österreichischen „AMS-Algorithmus“, der Arbeitssuchende in verschiedene Kategorien einteilt.

Die Rolle von künstlicher Intelligenz für den Arbeitsmarkt wird von verschiedenen Perspektiven aus untersucht. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang unter den vielen Aktivitäten etwa auch das 2020 erschienene Buch „Wenn Algorithmen für uns entscheiden: Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz“, das Elise-Richter-Projekt „Performativität im Software-Design: Ein gesellschaftspolitischer Zugang zu Praktiken der Software-Entwicklung“, im Rahmen dessen auch die versteckte manuelle Fütterung von KI mit menschlichem Wissen in Billiglohn-Ländern beleuchtet wurde, oder die zahlreichen Kooperationen mit der Arbeiterkammer zu Themen wie Gesichtserkennung, Kreditwürdigkeit, versteckte Datensammlung am Handy oder digitale Assistenzsysteme.

NanoTrust – Risikoabschätzung und Vorausschau

Ein essentieller Bestandteil inmitten der sich im Wandel befindlichen Forschungslandschaft ist die Tradition der Technikfolgenabschätzung, auch bei den sich weit weg vom Erfahrungshorizont der Bürger/innen befindlichen Themen immer zunächst eine Nähe zum gesellschaftlichen Geschehen zu suchen. Ein gutes Beispiel dafür ist das nun bereits seit 14 Jahren laufende Projekt NanoTrust. Nanotechnologien gelten als ein aufstrebender Zweig der Technologieentwicklung. Nach wie vor sind allerdings viele Sicherheitsaspekte noch zu wenig untersucht, um Risiken für Umwelt und Gesundheit zuverlässig abschätzen zu können. Österreich bemüht sich daher ähnlich wie andere EU-Länder um eine vorausschauende Nanotech-Politik. Konkret heißt das im Fall von NanoTrust etwa, auf die Notwendigkeit der Entwicklung von Standards für die Sicherheit am Arbeitsplatz und den Einsatz von Nanomaterialien hinzuweisen. Technikfolgenabschätzung kann dabei den Austausch zwischen Produzenten, Arbeitnehmer/innen, Wissenschaft und Politik fördern und so zur sozialen Akzeptanz beitragen.

Vergangenheit und Zukunft im Blick

Das Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW – kurz ITA genannt – hat aufregende Zeiten hinter sich. 1985 als Arbeitsgruppe gegründet, wurde es 1987 die Forschungsstelle für Technikbewertung, bevor es 1994 in ein Institut umgewandelt wurde (ausführlich zur Geschichte: Nentwich/Fuchs 2018). Nach dem Gründungsdirektor Ernst Braun, einem Physiker, leitete der Ökonom Gunther Tichy das Institut, seit 2006 ist der Jurist und Wissenschafts- und Technikforscher Michael Nentwich ITA-Direktor, unterstützt vom langjährigen stellvertretenden Direktor Walter Peissl. Das Institut beschäftigt aktuell 26 Personen, zwanzig davon im wissenschaftlichen Bereich. Aufgrund der Notwendigkeit, laufend für aktuelle Projekte interdisziplinäre Teams zusammenzustellen, gibt es keine Abteilungen, sondern wechselnde Projektteams. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt laufen rund 15 Projekte am ITA. Diese werden von so unterschiedlichen Förder- und Auftraggebern wie den diversen Wissenschaftsfonds, Kammern, Ministerien, Parlamenten und der EU finanziert.

Mit einem hervorragenden Mix von erfahrenen Seniors und engagierten Nachwuchswissenschafter*innen aus unterschiedlichsten Disziplinen und mit breiter thematischer Expertise ist das ITA auch in Zukunft gerüstet, die wichtigen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit in Angriff zu nehmen.