Auf zum Mond! Als 1969 die Rakete gen Himmel schoss, fieberten weltweit mehr als 500 Millionen Menschen bei der ersten Mondlandung vor dem Fernseher mit. Auch der siebenjährige Josef Aschbacher verfolgte gebannt diesen „großen Schritt für die Menschheit“ im TV. Dieses Ereignis hatte die Sehnsucht nach den Sternen in ihm geweckt. Und die Neugier, erinnert er sich. Kurz darauf beschloss er: „Ich will lernen, das alles zu verstehen und den Weltraum entdecken!“
Dabei hätte er eigentlich Bergbauer werden sollen, wäre es nach seinen Eltern gegangen. Doch anstatt als ältester Sohn unter sechs Kindern den Hof in den Tiroler Bergen zu übernehmen, folgte er seinem Traum und wurde Weltraumforscher. Mit Stipendien und Nebenjobs ermöglichte er sich den Besuch des Gymnasiums und promovierte in Meteorologie und Geophysik in Innsbruck. Heute ist Josef Aschbacher Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation (European Space Agency - ESA) mit Sitz in Paris.
SEHNSUCHT NACH DEN STERNEN
Wie es dazu kam, und wie die Erdbeobachtung und Weltraumforschung seither sein berufliches Leben bestimmen, darüber sprach er mit sieben jungen Studienstiftler/innen bei einem 90-minütigen Treffen im Hauptgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Bei den Studienstiftungsgesprächen haben Geförderte der Studienstiftung der ÖAW die Möglichkeit, sich in kleinen offenen Gesprächsrunden mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auszutauschen.
Man spürt gleich zu Beginn: Josef Aschbacher ist ein ausgezeichneter Gesprächspartner, um bei jungen Menschen das Interesse an der Entdeckung der Weiten des Weltalls zu wecken. „Wir erkunden die fernsten Kometen und erforschen die entlegensten Asteroiden“, erzählt er. „Derzeit sind wir dabei, gemeinsam mit der NASA einen Flug zurück zum Mond vorzubereiten.“ Der Wunsch vieler Menschen an diesem Abenteuer der Raumfahrt teilzunehmen ist hoch: Im Frühjahr 2021 schrieb die ESA neue Stellen für Astronaut/innen aus. Mehr als 23.000 Bewerbungen gingen ein.
WOHIN WILL EUROPA?
Ein Student möchte wissen, ob die ESA eigene Startgelegenheiten für Astronaut/innen plant. „Selbst astronautische Flüge in den Orbit unternehmen zu können, ist eine wichtige strategische Entscheidung“, sagt Aschbacher und erklärt: „Derzeit werden Astronaut/innen im ESA-Astronautenkorps – aktuell die Italienerin Samantha Cristoforetti – mithilfe der NASA in den Weltraum transportiert.“ Die NASA ihrerseits lässt seit 2020 bemannte Raumflüge von Elon Musks SpaceX durchführen. Davor sind europäische Astronaut/innen auch mit Russland geflogen.
Aschbacher stellt eine andere Zukunftsfrage: „Wie geht es in der nächsten Dekade weiter? Wohin will Europa? Und werden wir etwas Eigenständiges machen?“ Die NASA hat bereits angekündigt, dass kommerzielle Firmen Raumstationen im Erdorbit anbieten sollen, berichtet er. Auch China möchte am Mond eine Infrastruktur mit Hotels aufbauen. Welche Rolle will hier Europa im Weltraum übernehmen? Diese und andere Fragen sind Teil der Debatte, die er als Chef der ESA aktuell mit Politiker/innen anstößt.
WELTRAUMTECHNOLOGIE IST ROCKET SCIENCE
„Der Weltraum ist der nächste Wirtschaftsraum“, davon ist Aschbacher überzeugt. „Es gibt Pläne, am Mond Mineralien oder seltene Erden abzubauen, also den Mond als neuen Kontinent zu nutzen.“ Aber: „Wenn wir keine eigenen Raketen haben, haben wir nicht die Möglichkeiten, diese Erkundungen im gleichen Maße zu betreiben“, gibt er zu bedenken. Zudem ist Weltraumtechnologie sprichwörtlich Rocket Science. Wer sie beherrscht, gewinnt nachhaltig. So profitieren auch die USA von Ruf und Technologieentwicklung der NASA.
Doch wer regelt eigentlich, was im Weltraum passieren darf und was nicht, fragt einer der Studienstiftler. „Weltraumrecht wird umso wichtiger, je mehr Aktivität im Weltraum stattfindet“, sagt Aschbacher. Von den 4.000 im Orbit herumfliegenden Satelliten, gehören die Hälfte einem Menschen: Elon Musk. Was am Mond passiert und wer das Recht haben soll, Mineralien abzubauen oder Satelliten zu nutzen, dazu gibt es bereits eine große Diskussion, erzählt der ESA-Generaldirektor. Wien ist hier auf internationaler Ebene sehr aktiv, etwa mit dem European Space Policy Institute, das auch rechtliche Fragen diskutiert.
DIE ERDE AUS DEM ALL BEOBACHTET
Welchen Stellenwert hat die Raumfahrt für den Klimaschutz, lautet eine andere Frage der Studienstiftler/innen. „Ohne die Raumfahrt wüssten wir nicht, wie das System Erde insgesamt funktioniert“, antwortet Aschbacher. Daten zu den klimatischen Bedingungen auf der Erde werden von Satelliten sowie der Internationalen Raumstation ISS gemessen. Erdbeobachtungsprogramme liefern wichtige Erkenntnisse zu Waldbränden, Flutkatastrophen oder Hitzeinseln in den Städten.
„Satellitenbilder haben von Anfang an die Klimabewegung angetrieben“, weiß Aschbacher. „Wir sind Pioniere darin Satelliten und Weltraumtechnologie für die Zukunft unseres Planeten zu nutzen“, sagt er über die Rolle der ESA. Erdbeobachtung das ist auch sein Spezialgebiet. Nach seiner Promotion lehrte er u.a. am Asian Institute of Technology in Bangkok (Thailand) Methoden der Erdbeobachtung. Zurück in Europa entwickelte Aschbacher das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus mit. Und 2016 wurde er Direktor für Erdbeobachtung bei der ESA, um nur einige seiner beruflichen Stationen zu nennen. Mit Blick auf die eigene Karriere legt er jungen Menschen nahe, sich schon im Studium gut zu vernetzen.
ENERGIE AUS DEM WELTALL
Und welchen Beitrag kann die Weltraumforschung in der Energiewirtschaft leisten? „Derzeit existiert eine bahnbrechende Projektidee, eingereicht von jungen ESA-Mitarbeiter/innen“, schildert Aschbacher. Der Plan dahinter: Riesige Solarpaneele im Weltraum sammeln solare Energie und leiten sie als Radiowellen auf den Erdboden, die via Detektoren in Strom umgewandelt werden. Der Vorteil: Die Strahlungsintensität im Weltall ist um ein Vielfaches höher als auf der Erde. Mit zwei Gigawatt Leistung könnte durch eine Solaranlage im All etwa so viel Strom erzeugt werden wie durch ein Kernkraftwerk.
Wie Solarenergie im Weltall gesammelt und zur Erde geschickt werden kann, ist zwar noch Zukunftsmusik. Für Aschbacher steht aber fest: „Wir müssen jetzt alle Energie daransetzen, die Probleme anzugehen, die uns als Menschheit betreffen – und das sind die Klimaprobleme.“