Zölle: Die Geschichte eines umstrittenen Instruments
07.05.2025
Donald Trumps Zollpolitik hat alte Debatten neu entfacht: Dienen Zölle dem Schutz der heimischen Wirtschaft – oder der politischen Machtausübung? Ein Blick in die Geschichte zeigt: Schon im Römischen Reich, im mittelalterlichen Byzanz und in der Habsburgermonarchie waren Zölle mehr als nur eine Einnahmequelle – immer ging es auch um Kontrolle und Einfluss. Drei Historiker:innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) geben Einblicke in die historische Rolle von Zöllen als Machtfaktor.
Rom als Brückenkopf des Handels
Anna Dolganov vom Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW erklärt, dass Zölle bereits in der Antike zur indirekten Besteuerung des Warenverkehrs dienten – im Römischen Reich unter dem Namen portorium. Erhoben wurden sie dort, wo Macht über Verkehrswege bestand: „Schon eine Brücke über den Tiber konnte reichen, um Handelszölle einzufordern“, so Dolganov. Früh erkannte Rom das wirtschaftliche Potenzial seiner Lage.
Mit der Expansion über das Mittelmeer wurden Zölle systematisch eingesetzt. Jeder neu gewonnene Hafen bedeutete neue Einnahmen – und finanzielle Spielräume. Bald konnte man auf die direkte Besteuerung der römischen Bürger:innen verzichten. Doch die Kehrseite: Private Pachtgesellschaften (societates publicanorum) schöpften oft mehr ab als dem Staat zustand. „Das führte besonders in den Provinzen zu sozialen Spannungen“, erklärt Dolganov.
Wirtschaftskriege in der Antike
Rom nutzte Zölle aber nicht nur zur Finanzierung, sondern als politisches Druckmittel. 167 v. Chr. erklärte man die Insel Delos zum zollfreien Hafen, um die Konkurrenzinsel Rhodos wirtschaftlich zu schwächen. Der Erfolg war groß – Delos wurde Zentrum des Sklavenhandels.
Freihandel war in der Antike die Ausnahme. Der Normalzustand hieß Zoll. An den Außengrenzen des Reichs betrugen die Abgaben mitunter 25 Prozent – besonders auf begehrte Luxusgüter wie indische Seide oder Gewürze. „Ein einziges Schiff konnte Steuern in der Höhe des Vermögens eines römischen Senators abwerfen“, so Dolganov.
Zwischen Diplomatie und Zollstation
Johannes Preiser-Kapeller, Byzantinist am Institut für Mittelalterforschung der ÖAW, sieht im Byzantinischen Reich eine direkte Fortsetzung römischer Tradition. „Zölle waren dort nicht nur Einnahmequelle, sondern Teil einer komplexen Machtdiplomatie.“ Abgaben wurden nicht nur an Außengrenzen, sondern auch innerhalb des Reichs erhoben – etwa beim Betreten von Städten oder an Provinzgrenzen.
Im Zentrum: Konstantinopel. Die Stadt war der wirtschaftliche Dreh- und Angelpunkt des östlichen Mittelmeers. Händler mussten dort das kommerkion zahlen – zehn Prozent des Warenwerts. Zuständig waren spezialisierte Beamte, die Kommerkiarioi, deren Kontrollpunkte sich an strategisch wichtigen Punkten konzentrierten.
Zölle als außenpolitisches Druckmittel
„Zölle wurden in Byzanz gezielt genutzt, um politische Allianzen zu schmieden – oder Gegner unter Druck zu setzen“, betont Preiser-Kapeller. So erhielt die Republik Venedig ab dem 10. Jahrhundert umfassende Zollprivilegien – als Gegenleistung für militärische Hilfe. Andere, wie Pisa oder Genua, gingen leer aus – mit teils gewaltsamen Folgen.
Auch bulgarische Händler wurden durch Sonderzölle benachteiligt – 894 eskalierte die Lage zum Krieg. „Zölle waren ein Machtfaktor – und Handelsverträge oft nur mit militärischem Nachdruck durchzusetzen“, so Preiser-Kapeller. Im 14. Jahrhundert sorgte der genuesische Freihafen Galata für massive Einnahmeverluste in Konstantinopel. Ein weiterer Krieg folgte.
Merkantilismus und die Geburt der Außenzölle
Mit dem Übergang zur Neuzeit wandelte sich auch der Begriff der Grenze – und mit ihm die Form der Besteuerung. „Erst ab dem 16. Jahrhundert wurden Zölle gezielt an territorialen Außengrenzen erhoben“, sagt Katrin Keller, Direktorin des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der ÖAW. Besonders im Merkantilismus zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert wurde die Erhebung von Zöllen zum wirtschaftspolitischen Prinzip.
Philipp Wilhelm von Hörnigk formulierte 1684 in seinem Werk „Österreich über alles, wenn es nur will“ als zentrale Forderung: Abschottung statt Öffnung. Importverbote und hohe Abgaben auf ausländische Fertigwaren sollten die heimische Produktion schützen – ein Prinzip, das offensichtlich heute in Trumps Wirtschaftspolitik eine überraschende Renaissance erlebt.
Protektionismus der Habsburger
Maria Theresia griff diese Ideen auf – setzte sie aber differenzierter um. Innenpolitisch wollte sie vor allem Binnenzölle abschaffen, um ein einheitliches Wirtschaftsgebiet für die Monarchie mit ihren verschiedenen Territorien zu schaffen. Erste Reformen in den 1770er Jahren zeigten Wirkung, doch ganz verschwanden die inneren Schranken erst viel später.
Außenpolitisch blieb man dagegen hart: Luxusgüter wie Seide, Zucker oder Tabak wurden mit hohen Zöllen belegt. Das förderte zwar lokale Produktion – schadete aber dem überregionalen Handel. „Regionen wie Kärnten oder Tirol verloren ihre Bedeutung als Transitgebiete“, berichtet Keller. Dennoch: Zölle trugen bis zu 40 Prozent zu den Staatseinnahmen bei.
Die Kehrtwende kam nach 1776 mit Adam Smiths Werk „Wealth of Nations“, das den Freihandel als Schlüssel zum Wohlstand propagierte. In der Habsburgermonarchie brauchte es aber noch Jahrzehnte, bis sich diese Idee durchsetzte. „Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wich der Protektionismus einer offeneren Wirtschaftspolitik“, sagt Keller.
Auf einen Blick
Anna Dolganov ist derzeit als APART-GSK Exzellenzstipendiatin am Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW tätig. Ihre Forschung befasst sich mit der Edition und Interpretation dokumentarischer Quellen (Papyri und Inschriften) für die Sozial- Rechts- und Institutionsgeschichte des Römischen Reiches.
Johannes Preiser-Kapeller leitet den Forschungsbereich "Byzanz im Kontext" am Institut für Mittelalterforschung der ÖAW und lehrt Byzantinistik und Globalgeschichte an der Universität Wien. Zu seinen Forschungsgebieten gehören die religiösen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Vernetzungen innerhalb der Welt des Mittelalters.
Katrin Keller ist Direktorin des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der ÖAW und wissenschaftliche Direktorin für den Forschungsbereich Geschichte der Habsburgermonarchie. Ihre Forschungsgebiete sind Frauen in der höfischen Gesellschaft, Adel und Hof, Stadtgeschichte, Neuere Geschichte, Europäische Geschichte und die Geschichte Sachsens.