09.01.2023 | Vorschau

Was bringt das Wissenschaftsjahr 2023?

Jubiläum der Biotechnologie, die Weiten des Weltalls, die Rätsel der Dunklen Materie und der bedeutendste Barockarchitekt Mitteleuropas – das Wissenschaftsjahr 2023 ist an der ÖAW reich an Höhepunkten. Einige Highligts im Schnelldurchlauf.

Eine Forscherin in einem Labor hält eine Pipette hoch.
Die Biotechnologie an der ÖAW feiert 2023 ein rundes Jubiläum: Vor 20 Jahren wurde das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW gegründet. © ÖAW/Klaus Pichler

ÖAW-Biotechnologie feiert Jubiläum

20 Jahre biotechnologische Forschung an der ÖAW: 2023 feiert das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie mit Symposien, Mitmach-Aktionen und einer Ausstellung sein rundes Jubiläum. Das größte Institut der der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) legt den Fokus auf Forschung in molekularer Biologie und Medizin. In den zwanzig Jahren seit Aufnahme der Forschungstätigkeit am IMBA gelangen zahlreiche wissenschaftliche Durchbrüche.

So konnten Forscher:innen erstmals Hirnorganoide züchten, also dreidimensionale Gehirnmodelle für die Hirnforschung, und auch Herzorganoide, sie entwickelten neueste Technologien, um Genaktivität zu analysieren, und entdeckten das Protein RANKL, das zur Entwicklung eines Medikaments gegen Osteoporose und Knochenmetastasen führte. Bei der Bekämpfung der Coronakrise leistete das ÖAW-Institut wesentliche Beiträge durch die Sequenzierung und Virusvariantenerkennung.

Österreich im Weltraum

Gleich drei Weltraummissionen starten 2023 mit Beteiligung des Grazer Instituts für Weltraumforschung der ÖAW. Bereits im April wird JUICE (JUpiter ICy moons Explorer) als die erste ESA-Mission ins äußere Sonnensystem aufbrechen. Das ÖAW-Institut ist am 3-Sensoren-Magnetometer J-MAG beteiligt, kalibrierte die Antennen des Radiowelleninstruments und ist Mitglied im Team des Particle Environment Packages.

Der chinesische Satellit Macao Science 1 ist der weltweit erste und einzige wissenschaftliche Erkundungssatellit, der in einer äquatornahen Umlaufbahn platziert wird, um das geomagnetische Feld und im Speziellen die Südatlantische Anomalie vom Weltraum aus zu erforschen.

Für den mehr als acht Meter langen und etwa 500 Kilo schweren Satelliten, der im Juli 2023 abheben soll, hat das Institut für Weltraumforschung der ÖAW den Sensor und die sensornahe Elektronik des Quanteninterferenz-Magnetometers in Kooperation mit dem Institut für Experimentalphysik der TU Graz beigesteuert.

Die China Seismo-Electromagnetic Satellites (CSES) sind wissenschaftliche Satellitenprojekte der "Chinese Earthquake Administration" zur Untersuchung von natürlichen elektromagnetischen Phänomenen im erdnahen Weltraum, die einen Zusammenhang mit Erdbeben- und Vulkanaktivitäten auf der Erdoberfläche haben.

Nach dem erfolgreichen Start des ersten Satelliten CSES-1 im Februar 2018 soll der zweite Satellit CSES-2 im November 2023 ebenfalls in eine sonnensynchrone, polare Erdumlaufbahn in ca. 500 km Höhe gebracht werden. Die ÖAW-Weltraumforschung wird - wie schon für CSES-1 - ein Quanteninterferenz-Magnetometer für die neue Mission beisteuern.

Und schließlich: Die europäisch-japanische Satellitenmission BepiColombo wird am 20. Juni zum dritten Mal am sonnennächsten Planeten Merkur vorbeifliegen bevor sie 2025 in dessen Umlaufbahn einschwenkt.

Licht in die Dunkle Materie

Das  COSINUS-Experiment wird Ende 2023 nach rund zweijähriger Bauzeit im Gran Sasso Untergrundlabor in Italien fertiggestellt. COSINUS ist ein Experiment zur direkten Suche nach Dunkler Materie. Eine Vielzahl astronomischer Beobachtungen beweist deren Existenz, woraus sie aber besteht, ist derzeit noch unklar. Weltweit gibt es zahlreiche Experimente zur Suche nach den Teilchen der Dunkler Materie. Bisher wurden nur vom DAMA/LIBRA-Experiment Hinweise gefunden, die allerdings den Nullresultaten der anderen Experimente widersprechen.

COSINUS soll diesen Widerspruch nun aufklären, indem es, genau wie DAMA/LIBRA, NaI-Kristalle als Detektormaterial verwendet, was einen direkten Vergleich der experimentellen Ergebnisse erlaubt. COSINUS wird jedoch als einziges NaI-basiertes Experiment Tieftemperaturtechnologie verwenden, welche zusätzliche Informationen über das Signal liefert und damit einen genaueren Einblick in die mögliche Existenz eines Dunkle Materie-Teilchens bieten kann.

Das Institut für Hochenergiephysik der ÖAW ist mit seiner gemeinsamen Forschungsgruppe mit der TU Wien maßgeblich an COSINUS beteiligt, vom experimentellen Aufbau bis zur Analyse der Daten. Die Datennahme soll Ende 2023 starten, erste Ergebnisse zur Dunklen Materie sind nach etwa einem Jahr Messzeit möglich.

Kleinsten Teilchen sind Forscher:innen aus aller Welt auch in Wien auf der Spur. Vom 28. August bis 1. September 2023 findet die internationale Konferenz über Astroteilchen und Untergrundphysik (TAUP2023) statt. Es werden um die 500 Teilnehmer:innen erwartet, mit Vorträgen über Kosmologie, Dunkle Materie, Neutrinos, kosmische Höhenstrahlung und Gravitationswellen. Für das allgemeine Publikum wird es einen öffentlichen Abendvortrag mit dem Nobelpreisträger Arthur McDonald aus Kanada geben. Das Institut für Hochenergiephysik der ÖAW ist maßgeblich für die Organisation des Physik-Großevents verantwortlich.

Fischer von Erlach-Jahr 2023

Johann Bernhard Fischer von Erlach ist einer der bedeutendsten Barockarchitekten Mitteleuropas. Im Auftrag des habsburgischen Kaiserhauses, von Kirchenfürsten und Mitgliedern des Hofadels schuf er Schlösser, Paläste und Kirchen von Weltrang. Er wurde 1656 in Graz geboren und starb am 5. April 1723 in Wien. Sein Tode jährt sich somit 2023 zum 300. Mal.

Rechtzeitig zum Start des Jubiläumsjahres beleuchtet ein hochwertig bebilderter Prachtband, der im Münchner Hirmer-Verlag erschienen ist, den barocken „Stararchitekten“. Das Buch wurde herausgegeben von Herbert Karner und Werner Telesko, beide Kunsthistoriker an der ÖAW und Sebastian Schütze, dem neuen Rektor der Universität Wien.

Namhafte Expert:innen aus Österreich, Italien, Tschechien und Deutschland zeichnen im Buch ein umfassendes Bild von Fischers von Erlachs vielschichtigem Werk – das in Wien etwa die Karlskirche oder Schloss Schönbrunn umfasst – sowie seinen Inspirationsquellen in der antiken und neuzeitlichen Architektur.

Leopoldina und ÖAW diskutieren über Poltikberatung

Ohne Wissenschaft geht es nicht, das hat die Coronakrise nachdrücklich gezeigt. Denn ohne Wissenschaft hätte es weder in kürzester Zeit Erkenntnisse über das neuartige Virus gegeben, noch Impfungen und Medikamente. Doch wenn es um die Beratung von Politik und Öffentlichkeit durch die Wissenschaft geht – auch das hat die Pandemie verdeutlicht – können Spannungsverhältnisse entstehen. Ein Resultat aus diesen scheint eine neue Wissenschaftsskepsis zu sein und damit verbundene Anfeindnungen von wissenschaftlichen Expert:innen.

Wie ist dieses Spannungsverhältnis zu lösen? Wie sollte die Beziehung von Wissenschaft und Politik gestaltet sein? Und welche Rolle kann Wissenschaftskommunikation bei der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse spielen? Fragen wie diese stehen im Mittelpunkt des Joint Academy Day am 1. Februar 2023, bei dem sich in Wien Expert:innen von ÖAW und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften austauschen. Eine öffentliche Podiumsdiskussion widmet sich dabei dem Thema „Fakt und Faszination. Neue Herausforderungen für die Wissenschaftskommunikation“.

Am Weltfrauentag mit Berta Karlik auf weibliche Forschung blicken

Vor 50 Jahren wurde Berta Karlik als erste Frau zum wirklichen Mitglied der ÖAW gewählt. Die Physikerin prägte als Direktorin eines Akademie-Instituts und als Ordinaria an der Universität Wien die österreichische Forschungslandschaft. Die ÖAW nimmt das runde Jubiläum zum Anlass, herausragende Forschungsleistungen von Frauen sichtbar zu machen und ein Zeichen gegen Gender-Bias im heutigen Wissenschaftsbetrieb zu setzen.

Am 8. März, dem Weltfrauentag, stellen daher bei einer Berta Karlik Lecture Forscherinnen aus unterschiedlichsten Disziplinen, die der ÖAW als Mitglieder eng verbunden sind, ihre Arbeiten vor. Die Bandbreite reicht von historischen Schriftkulturen im fernen Nepal über nachhaltige IT bis hin zur Rolle genetischer Bausteine für das Leben. Ein Festvortrag nimmt zudem Betra Karlik und ihre Tätigkeit am Institut für Radiumforschung in den Blick.