29.12.2022 | Wissenschaftsjahr 2022

Große Momente in Zeiten der Krisen

Die ÖAW blickt zurück auf ein Wissenschaftsjahr voller fantastischer Höhepunkte, atemberaubender Errungenschaften - und enormer Herausforderungen.

Die beiden Präsidenten Anton Zeilinger (li.) und Heinz Faßmann steuerten die ÖAW durch ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Wissenschaftsjahr. © Daniel Hinterramskogler

Wie Geschichtsbücher das Jahr 2022 einmal einordnen werden, wird die Zukunft zeigen. An der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) lässt sich bereits jetzt eine Teil-Bilanz ziehen: Das Wissenschaftsjahr 2022 war in jeder Hinsicht besonders. Von den großen Feierlichkeiten zum 175-jährigen Bestehen der Akademie und Anton Zeilingers Nobelpreis für Physik über epochale archäologische Funde in Ephesos bis hin zu Herausforderungen wie dem Krieg in der Ukraine, der Corona-Pandemie und dem Klimawandel, war 2022 reich an glanzvollen, faszinierenden, aber auch ernüchternden Ereignissen und Entwicklungen.

Mit einem kleinen Streifzug durch das Wissenschaftsjahr lassen wir gemeinsam mit Ihnen hier einige davon Revue passieren. 

Krieg in der Ukraine

Schon früh im Jahr passierte das Undenkbare: ein Krieg in Europa. Russlands im Februar gestarteter Angriffskrieg gegen die Ukraine stellte viele Gewissheiten in Frage und schuf unzählige neue Herausforderungen für uns alle. Die Akademie reagierte in mehrfacher Hinsicht. In offenen Briefen und Stellungnahmen zeigte die ÖAW Solidarität mit der Ukraine und Kritiker:innen des russischen Krieges. Mit einem Ukraine-Emergency-Call im Rahmen des ÖAW-Mobilitätsprogramms „Joint Excellence in Science and Humanities“ (JESH) finanzierte und organisierte die ÖAW ferner gemeinsam mit Partnern aus der österreichischen Wissenschaft Forschungsaufenthalte von Dutzenden ukrainischen Wissenschaftler:innen an heimischen Forschungseinrichtungen. Und schließlich beurteilten Expert:innen der ÖAW die Ereignisse laufend aus wissenschaftlicher Perspektive, etwa in Veranstaltungen wie der jährlichen Feierlichen Sitzung der ÖAW sowie in zahlreichen Interviews, in denen die neue Situation für die Ukraine und Europa wissenschaftlich eingeordnet wird. 

175 Jahre ÖAW

Wir entdecken Zukunft. Seit 175 Jahren! Die Akademie zelebrierte ihren runden Geburtstag gemeinsam mit Wissenschaftler:innen und der Öffentlichkeit in einer Reihe von außergewöhnlichen Veranstaltungen und Aktivitäten. Allen voran stand die Eröffnung des Campus Akademie, dem neuen Wissenszentrum im Herzen Wiens, in dessen einzigartiges Ambiente Tausende Besucher:innen in der Langen Nacht der Forschung sowie am Tag des Denkmals selber eintauchen konnten. Pünktlich zum Jubiläum erschien zudem ein Maßstäbe setzendes mehrteiliges Werk über die Geschichte der Akademie von ihren Anfängen bis in die Gegenwart. Einblicke in die Labore der Zukunft erhielten ferner die zahlreichen Teilnehmer:innen an speziellen Führungen durch die ÖAW-Institute, etwa im Bereich der Life Sciences sowie der Quantenphysik.

Wege aus der Corona-Krise

Auch im dritten Jahren der Pandemie hielt das Corona-Virus die Welt in Atem. Das neu ins Amt gewählte Präsidium der ÖAW rund um Heinz Faßmann widmete COVID-19 die Auftaktveranstaltung der neuen Gesprächsserie "Science Update", in der Wissenschaftler:innen Lösungen für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen diskutieren und erklären. Zur aktuellen Situation des Corona-Virus gaben dabei hochkarätige Expert:innen wie die ÖAW-Mitglieder Peter Palese und Sylvia Knapp und der ÖAW-Molekularbiologe Ulrich Elling vor Medienvertreter:innen an der Akademie ihre Einschätzungen auf Basis neuester Erkenntnisse aus der Forschung ab. Eines der Ergebnisse: Der Wettlauf mit neuen Varianten ist noch nicht gewonnen.

Nobelpreis für Anton Zeilinger

Einen Nobelpreis für Physik erhalten Österreicher:innen nicht alle Tage. Genauer gesagt, seit über 70 Jahren nicht mehr. 2022 war es endlich wieder soweit: Der Quantenphysiker Anton Zeilinger, bis zum Sommer des Jahres Präsident der ÖAW und seither wieder Forscher an der Akademie, wurde mit dem begehrtesten aller Wissenschaftspreise ausgezeichnet. Für seine experimentellen Forschungen auf dem Gebiet der Quantenverschränkung, die der große Albert Einstein noch als Spuk abgetan hatte, nahm er gemeinsam mit seinen Physik-Kollegen Alain Aspect und John Clauser traditionell am 10. Dezember 2022 den Nobelpreis entgegen. Der Empfang der höchsten Auszeichnung in Stockholm war nicht nur für Anton Zeilinger, sondern für das gesamte Wissenschaftsland Österreich eine außergewöhnliche Ehre und zugleich eine weltweit sichtbare Bestätigung der Qualität heimischer Forschung.

Sensationsfund in Ephesos

Archäolog:innen der ÖAW gelang gleich im ersten Jahr nach Wiederaufnahme der Grabungen in Ephesos ein epochaler Fund: Sie legten in der ehemals antiken Metropole, die heute in der Türkei liegt, ein ganzes Geschäfts- und Lokalviertel frei. In dem Areal, das offenbar im 7. Jahrhundert n. Chr. plötzlich zerstört wurde, stießen die Forscher:innen auf eine Küche, ein Geschäft, einen Lagerraum, eine Taberne sowie eine Werkstätte. Besonders das sensationell gut erhaltende Inventar, darunter Geschirr, mit Nahrung gefüllte Amphoren, Goldmünzen sowie Geschäftskassen mit Hunderten Münzen, ist für die Forschung eine regelrechte Schatzkiste, indem es einzigartige Momentaufnahmen der damaligen Lebenswelt ermöglicht. Die Entdeckung gilt in Fachkreisen folglich als bedeutendster Fund in Ephesos seit mehreren Jahrzehnten

Antworten auf die Energie-Krise

Explodierende Energiepreise und die höchsten Inflationswerte seit Jahrzehnten sorgten bei vielen Österreicher:innen 2022 für Verzweiflung. Wie politische Gegenmaßnahmen wie etwa Strompreisbremse oder Gaspreisdeckel aus wissenschaftlicher Perspektive zu bewerten sind, stand im Zentrum des zweiten "Science Update". Dabei debattierten Wirtschaftswissenschaftler Philipp Schmidt-Dengler und Nachhaltigkeitsforscher Johannes Schmidt gemeinsam mit Journalist:innen über Auswirkungen bereits umgesetzter sowie möglicher Antworten auf die Energie-Krise. Eine der vielversprechendsten Varianten, die sich herauskristallisierte, war der Weg, stärker in erneuerbare und effiziente Energien zu investieren. Dies böte sich nicht nur als Ausweg aus der kritischen Lage auf den Energiemärkten an, sondern wurde auch als eine Notwendigkeit im Kampf gegen den Klimawandel betrachtet. 

Wissenschaftsbarometer Österreich

Ungeachtet der Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit ist das Vertrauen, das man in Österreich in Wissenschaft und Forschung hat, gering. Diesen Befund erlaubt der 2022 erstmals erstellte Wissenschaftsbarometer Österreich. In einer mehrwöchigen repräsentativen Erhebung ließ die ÖAW dabei die Einstellung der Österreicher:innen zur Wissenschaft mit modernsten Umfragemethoden erheben. Für ÖAW-Präsident Faßmann (im Bild) stellen die insgesamt ernüchternden Ergebnisse einen Auftrag sowohl für die Politik als auch für die Wissenschaften dar. Es gilt nun, geeignete Maßnahmen und Mittel zu ergreifen, um die verbreitete Wissenschaftsskepsis zurückzudrängen. Um sicherzustellen, dass dies so effizient und zielgenau wie möglich gelingt, wird der Wissenschaftsbarometer Österreich künftig auf regelmäßiger Basis erhoben und damit aktuelle, belastbare und aussagekrätige Daten bereitstellen.

Die ÖAW-Highlights im Schnelldurchlauf