15.12.2022 | Weltraum

Erste Entdeckung eines Ozeanplaneten

Die Weltraumteleskope Hubble und Spitzer haben Exoplaneten im Visier. Nun präsentiert in Nature Astronomy ein internationales Team, dem auch Weltraumforscher:innen der ÖAW angehören, die Entdeckung eines exotischen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, der von einem 2000 Kilometer tiefen globalen Wasserozean und einer flüchtigen Atmosphäre umgeben ist.

Künstlerische Darstellung des Planetensystems um Kepler-138, im Vordergrund der Planet Kepler-138 d. © STScI

Bisher wurden extrasolare Planeten, die weniger als 1,7 Erdradien haben, entweder zu Gesteinsplaneten gezählt oder zu Mini-Neptunen, also zu Planeten, die ihre ursprünglichen – im Fachjargon als „primordial“ bezeichneten – Wasserstoffgashüllen nicht verloren haben. Gesteinsplaneten umkreisen ihr Zentralgestirn meist auf sehr engen Umlaufbahnen, sodass sie ihre Atmosphären durch den Einfluss der stellaren Strahlung im Laufe der Zeit verlieren.

Wasserstoffreiche Mini-Neptune hingegen reicherten bei ihrer Entstehung so viel Wasserstoffgas an, dass sie es – wie auch die großen Gasplaneten im äußeren Sonnensystem – nicht mehr in den Weltraum verlieren konnten. Dasselbe gilt für Hycean-Planeten, hypothetische Himmelskörper, die von einem heißen Wasserozean und einer entsprechend sehr wasserstoffreichen Atmosphäre umgeben sind.

2.000 Kilometer tiefer Wasserozean

Im Jahr 2014 wurden erstmals drei Planeten entdeckt, die den Roten Zwergstern Kepler 138 umkreisen. Nun haben Forscher:innen in diesem Planetensystem eine überraschende Entdeckung gemacht. Mit Hilfe der Weltraumteleskope Hubble und Spitzer wurden mehrere Planeten-Transits beobachtet, die durch 28 Radialgeschwindigkeits-Messungen mit dem Keck-Observatorium auf Hawaii ergänzt wurden. Numerischen Simulationen der Wissenschaftlerin und Mitautorin Daria Kubyshkina vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zufolge sollte jede hypothetische Wasserstoffgashülle um Kepler-138 d innerhalb von 10 Millionen Jahren in den Weltraum verloren gegangen sein. Auf Grund seines wesentlich höheren Alters von 1-2,7 Milliarden Jahren könne der Planet deshalb kein Mini-Neptun oder Hycean-Planet sein.

Flüssiges Wasser konnte durch diese Beobachtungen bei Kepler-138 d nicht direkt nachgewiesen werden. Erst durch den Vergleich der Größe und Masse des Planeten mit Modellen kommen die Astronom:innen zu dem Schluss, dass ein erheblicher Teil seines Volumens – bis zur Hälfte – aus Materialien bestehen sollte, die leichter als Gestein, aber schwerer als Wasserstoff oder Helium sind. Das häufigste dieser möglichen Materialien ist Wasser.

„Gekoppelte Modellierungen des Planeteninneren und der Atmosphärenstruktur, die mit den aufwendigen Beobachtungen übereinstimmen, ergaben, dass der erdähnliche Gesteinskern von Kepler-138 d sehr wahrscheinlich von einem 2000 Kilometer tiefen Wasserozean und einer flüchtigen Atmosphäre umgeben ist“, schildert Luca Fossati, Gruppenleiter am ÖAW-Institut für Weltraumforschung und Mitautor der Studie. „Der Ozean ist also 500-mal tiefer als der durchschnittliche irdische Ozean. Die Gesamtzusammensetzung des Planeten ähnelt deshalb eher den Eismonden des Jupiters in unserem Sonnensystem“, so Fossati.

Eine Kombination aus Transitbeobachtungen und Radialgeschwindigkeitsmessungen zeigt auch, dass Kepler-138 c ein etwas wärmerer Zwilling von Kepler-138 d ist, also eine weitere Wasserwelt im selben System. Inzwischen vermutet man auch die Existenz eines vierten Planeten, Kepler-138 e, der sich am inneren Rand der bewohnbaren Zone befindet.

Leben eher unwahrscheinlich

Sogenannte „Ozeanplaneten“ wurden schon 2004 prognostiziert. Wie auch an der aktuellen Studie war Helmut Lammer, ebenfalls Gurppenleiter am ÖAW-Institut, bereits am allerersten Artikel über diese damals noch hypothetischen Himmelskörper beteiligt. Kepler-138 d scheint nun der erste extrasolare Planet zu sein, auf den die Bezeichnung wirklich zutrifft. „Das wiederum wirft die Frage nach der möglichen Habitabilität des Planeten auf“, ergänzt Lammer. Habitate der Klasse V, die Planeten mit großen Wasserschichten über einem felsigen Kern entsprechen, wurden 2013 von Lammer erstmals definiert. Die möglichen Lebensbedingungen bei solchen potentiellen Habitaten richten sich dabei nach den Extrembedingungen in der Tiefsee von Ozeanen auf der Erde.

„Bei Kepler-138 d hingegen handelt es sich jedoch um eine Unterklasse eines solchen Habitats,“ erklärt Lammer. „Aufgrund der riesigen Wassermenge bildet sich sehr wahrscheinlich Hochdruckeis  oder sogar Wasser in einer anderen Phase, die bei hohem Druck auftritt, einer so genannten überkritischen Flüssigkeit. Diese extremen Zustände blockieren den Kontakt zwischen dem Wasser an der Oberfläche und den Mineralien im darunterliegenden Gesteinskörper.“ Die Entstehung von Leben, wie wir es kennen, wird dadurch – laut derzeitigem Wissensstand – verhindert.

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:

“Evidence for the volatile-rich composition of a 1.5-Earth-radius planet”, C. Piaulet, et al., Nature Astronomy, 2022
DOI: 10.1038/s41550-022-01835-4