06.04.2023 | Ostern anno dazumal

Wie haben die Habsburger Ostern gefeiert?

Ostereier mit Sinnsprüchen, rituelle Fußwaschungen für Bedürftige durch den Kaiser und die Kaiserin, aber auch gesundheitsschädliche Ostereierfarben und Alkoholexzesse auf Wallfahrtswegen: ÖAW-Habsburg-Forscherin Waltraud Schütz erklärt im Interview, was in der Karwoche im 19. Jahrhundert auf dem Programm stand.

Rudolph (d. Ältere) Swoboda (Zeichner), Die Fußwaschung in der Hofburg, 1847, Wien Museum Inv.-Nr. 23529, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/72865/)

Ostern war neben Pfingsten, dem Andreasfest am 30. November und Weihnachten einer der größten Feiertage des Kaiserhauses. Nach einer rauschenden Ballsaison wurde viel gebetet, Theater und andere Vergnügungsstätten blieben geschlossen. Aber auch rituelle Fußwaschungen standen auf dem Programm: 12 bedürftige Frauen und 12 Männer wurden da von der Kaiserin und dem Kaiser die Füße gewaschen. Wie dieses Ritual konkret ausgesehen hat, erzählt Waltraud Schütz vom Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Gespräch: „Die teilnehmenden Personen wurden mit der Kutsche von zu Hause abgeholt und wieder zurückgebracht. Die Fußwaschung diente als Zeichen der Demut und sollte beispielgebend für die Ausübung von Nächstenliebe (Caritas) sein.

Im frühen 19. Jahrhundert waren die Ostereier mit moralischen Sinnsprüchen versehen, die Kindern gute Sitten näherbringen sollten.

Wurden in der Habsburger-Zeit schon Ostereier gesucht?

Waltraud Schütz: Diesen Brauch gibt es schon lange. Die ursprüngliche Farbe der Ostereier war rot, was an das Blut von Jesus erinnern sollte. Das Küken bricht durch die Schale, das war eine Analogie zu Jesus, der aufersteht. Im frühen 19. Jahrhundert waren die Ostereier aber auch mit moralischen Sinnsprüchen versehen, die Kindern gute Sitten näherbringen sollten. Da stand zum Beispiel: „Höchst elend ist, wer Gott vergisst.“ Als Ostereierfarbe wurden Zwiebelschalen, Safran und Gras genutzt. Es gab aber auch Anbieter, die Ostereier im großen Stil erzeugten und Anilin-Farbstoffe verwendeten. Deren Teerbestandteile waren gesundheitsgefährdend, 1889 wurde die Benutzung von Anilin verboten, es gab Warnungen in Zeitungen vor vergifteten Ostereiern.

Fasten nach der Ballsaison

Mit dem Palmsonntag wurden alle Theater Wiens bis zum Ostermontag geschlossen

Wie kann man sich die Karwoche vorstellen?

Schütz: Nach einer rauschenden Ballsaison sollte in der Zeit zwischen Aschermittwoch und der Osternacht gefastet werden. Mit dem Palmsonntag wurden alle Theater Wiens bis zum Ostermontag geschlossen, und auch andere Vergnügungen waren nicht erlaubt. In der Hofburg fand am Palmsonntag der gewöhnliche feierliche Kirchengang statt und in der Hofburgkapelle das „Passionsamt“, an dem der ganze Hofstaat teilnehmen sollte. Am Mittwoch- und Gründonnerstag-Abend wurden sogenannte „Pumpermetten“ abgehalten, statt Glockenläuten wurde mit Hölzern gepumpert.

Gibt es Zeugnisse, wie in adeligen Haushalten gefeiert wurde?

Schütz: Wien entwickelte sich im frühen 19. Jahrhundert zu einer Shoppingmetropole. Dieses Einkaufsfieber wurde durch die Karwoche unterbrochen. In einem von mir beforschten Briefbestand adeliger Frauen aus dem frühen 19. Jahrhundert wird das Ausmaß des Betens deutlich. Am 27. März 1834 (Gründonnerstag) schrieb die achtzehnjährige Gräfin Julie Hoyos ihrer Schwester Caroline, genannt Lotte, die nicht in Wien lebte, einen kurzen Brief, um sie zu informieren, dass sie keine Zeit hatte, die gewünschten Kleidungsstücke und Accessoires zu besorgen: „Sonst habe ich aber noch leider nur wenig für dich thun können, da bethen jetzt fast alle Zeit in Anspruch genommen; u. auch niemanden fand, der die Lauferey mit mir unternehmen hätte können.“

Fußwaschung durch das Herrscherpaar

Die Fußwaschung diente als Zeichen der Demut und sollte beispielgebend für die Ausübung von Nächstenliebe (Caritas) sein

Was passierte im Kaiserhaus?

Schütz: Ein fixer Programmpunkt war die alljährliche Fußwaschung von 12 bedürftigen Frauen und 12 Männern durch weltliche Herrschende, die als Stellvertreter von Jesus Christus wirken sollten. Vor der Fußwaschung durch den Kaiser und die Kaiserin gab es im frühen 19. Jahrhundert ein gemeinsames Essen, die Männer saßen rechts, die Frauen links. Es wurde Milchsuppe, Fisch und Kuchen gereicht. Die Überreste wurden in Körben mit kaiserlichem Adlersymbol eingepackt und nach Hause mitgegeben. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde nicht mehr gemeinsam gespeist, sondern das Essen sofort eingepackt. Die teilnehmenden Personen wurden mit der Kutsche von zu Hause abgeholt und wieder zurückgebracht. Die Fußwaschung diente als Zeichen der Demut und sollte beispielgebend für die Ausübung von Nächstenliebe (Caritas) sein.

Nach welchen Kriterien wurde da entschieden?

Schütz: Für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Bittschriften von Menschen überliefert, die teilnehmen wollten. Jedes Jahr gab es ein Verzeichnis derjenigen, die für die Fußwaschung ausgewählt wurden. Im Jahr 1831 wusch die Ehefrau des Kaisers Franz I., Carolina Augusta, Frauen im Alter zwischen 84 und 91 die Füße.

Gab es auch Wallfahrten?

Schütz: Die kaiserliche Familie unternahm bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts eine Wallfahrt zum Kalvarienberg in Hernals. Vom Schottentor über das Glacis, durch die heutige Alserstraße bis nach Hernals gab es einen Kreuzweg, der angeblich die gleiche Länge hatte, wie die Via Dolorosa in Jerusalem. Zahlreiche Bewohner:innen der Stadt pilgerten weiterhin jedes Jahr, vor allem bei Schönwetter zum Kalvarienberg. Dadurch öffneten Weinschänken und Gasthäuser in dieser Gegend. Mitunter wurden die Alkohol-Exzesse beklagt, die während der Osterzeit stattfinden würden und verstärkt Polizeiaufsicht gefordert. Damals erlebten Elemente des Osterfestes eine Kommerzialisierung. Während Anfang des 19. Jahrhunderts noch Erbauungs- und Gebetsbücher beliebte Ostergeschenke waren, wurden Ende des Jahrhunderts bereits Osterhasen verschenkt.

 

Auf einen Blick

Waltraud Schütz ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Sie forscht zur Geschichte der Habsburgermonarchie.