02.11.2022 | Quantenphysik

Ultrakalte Mini-Tornados

Quantenphysiker:innen der Universität Innsbruck und der ÖAW entwickelten eine neue Methode, mit der Quanten-Wirbel in dipolaren Gasen erstmals experimentell nachgewiesen werden konnten. Ihre Ergebnisse publizierten die Forscher:innen in der Fachzeitschrift "Nature Physics".

Grafische Visualisierung von rotierenden quantisierten Wirbeln
Illustration der Dichteverteilung eines rotierenden dipolaren Bose-Einstein-Kondensats mit quantisierten Wirbeln auf Basis von Simulationsdaten aus der Arbeit. Die Wirbel, die an den Dichteeinbrüchen zu erkennen sind, ordnen sich aufgrund der anisotropen, weitreichenden Wechselwirkung zwischen den Atomen in Streifen an. © Ella Maru Studio/Universität Innsbruck

Ein Team von Quantenphysiker:innen um Francesca Ferlaino, Quantenphysikerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Innsbruck sowie dreifache ERC-Preisträgerin, hat eine neue Methode entwickelt, mit der Wirbel in dipolaren Quantengasen beobachtet werden können. Diese Quanten-Wirbel gelten als eindeutiger Hinweis für die sogenannte Suprafluidität, das reibungsfreie Strömen eines Quantengases, und wurden nun erstmals in dipolaren Gasen experimentell nachgewiesen.

Wirbel sind in der Natur allgegenwärtig: Durch Rühren lassen sich Wasserstrudel erzeugen. Wird die Atmosphäre aufgewühlt, können gewaltige Tornados entstehen. So verhält es sich auch in der Quantenwelt, nur dass dort viele identische Wirbel gleichzeitig entstehen – der Wirbel ist quantisiert. In vielen Quantengasen konnten solche quantisierten Wirbel bereits nachgewiesen werden. „Das ist deshalb interessant, weil solche Wirbel ein klarer Hinweis für das reibungsfreie Strömen eines Quantengases – die sogenannte Suprafluidität – sind“, sagt Francesca Ferlaino von der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Innsbruck der ÖAW.

Neue Methode erzeugt Quantenwirbel

Ferlaino forscht mit ihrem Team an Quantengasen aus stark magnetischen Elementen. Für solche dipolaren Quantengase, in denen die Atome stark wechselwirken, konnten die Quanten-Wirbel bisher noch nicht nachgewiesen werden. Die Wissenschaftler:innen haben nun eine neue Methode entwickelt: „Wir nutzen die Richtungsabhängigkeit unseres Quantengases aus Dysprosium, dessen Atome sich wie viele kleine Magneten verhalten, um das Gas umzurühren“, erklärt Manfred Mark aus dem Team von Francesca Ferlaino. Dazu legen die Wissenschaftler:innen ein Magnetfeld so an ihr Quantengas an, dass dieses zunächst runde, pfannkuchenartig geformte Gas aufgrund von Magnetostriktion elliptisch verformt wird. Diese ebenso einfache wie wirkungsvolle Idee geht auf einen theoretischen Vorschlag zurück, den ein Theorieteam der Universität Newcastle vor einigen Jahren gemacht hatte. „Indem wir das Magnetfeld drehen, können wir das Quantengas rotieren lassen“, erklärt Lauritz Klaus, Erstautor der Arbeit. „Wenn es sich schnell genug dreht, dann bilden sich im Quantengas kleine Wirbel aus. So versucht das Gas, den Drehimpuls auszugleichen.“ Bei ausreichend hoher Rotationsgeschwindigkeit bilden sich entlang des Magnetfelds auffällige Streifen mit Wirbeln. Diese sind ein besonderes Charakteristikum dipolarer Quantengase und wurden nun in Innsbruck zum ersten Mal beobachtet.

Nächste Ziel Suprasolidität

Die nun in der Fachzeitschrift "Nature Physics" präsentierte neue Methode soll in Zukunft zur Untersuchung der Suprafluidität in suprasoliden Zuständen eingesetzt werden, in denen Quantenmaterie gleichzeitig fest und flüssig ist. „Es ist immer noch eine große offene Frage, inwieweit die neu entdeckten suprasoliden Zustände tatsächlich supraflüssig sind, und diese Frage ist heute noch sehr wenig erforscht.“

 

Auf einen Blick

Publikation:
Observation of vortices and vortex stripes in a dipolar condensate. Lauritz Klaus, Thomas Bland, Elena Poli, Claudia Politi, Giacomo Lamporesi, Eva Casotti, Russell N. Bisset, Manfred J. Mark, and Francesca Ferlaino. Nature Physics 2022
DOI: 10.1038/s41567-022-01793-8 [arXiv: 2206.12265]

Diese Arbeit entstand in Zusammenarbeit mit Giacomo Lamporesi von der Universität Trient und dem Theoretiker Russell Bisset von der Universität Innsbruck und wurde unter anderem vom Europäischen Forschungsrat ERC, dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der ÖAW finanziell unterstützt.