18.10.2022 | Registerforschung

“Darauf haben viele Forscher:innen seit Jahren gewartet“

Mit dem neu eingerichteten Austria Micro Data Center bekommen Forschende unter strengen Auflagen Zugang zu sogenannten Mikrodaten. ÖAW-Präsident Heinz Faßmann erklärt die Bedeutung der Plattform für die Wissenschaft.

Mit der Registerforschung können aufwändige und fehleranfällige Befragungen teilweise ersetzt werden. © Adobe Stock

Das bei der Statistik Austria angesiedelte Austrian Micro Data Center (AMDC) ermöglicht seit kurzem Forscher:innen unter strengen Datenschutzauflagen erstmals Zugang zu Mikrodaten aus Österreich. Für Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), bedeutet das „einen Anschub für die Wissenschaft“.

Zugang haben ausgewiesene Forschungseinrichtungen nach einem Akkreditierungsverfahren. Jedes einzelne Projekt wird begutachtet, die Wissenschaftler:innen erhalten bei Erfolg einen Zugang zu einem eng umschriebenen Forschungsdatenkörper. Die ÖAW erhält vom Fonds Zukunft Österreich nun insgesamt neun Millionen Euro für die Durchführung eines eigenen Förderprogramms zur Registerforschung im AMDC.

NEUE FORSCHUNGSFRAGEN MÖGLICH

Was sind Mikrodaten und warum sind diese für die Forschung wichtig?

Heinz Faßmann: Forschende bekommen erstmals Zugang zu Verwaltungsdaten wie dem Melderegister oder Bildungsstandregister. Darauf haben viele Forscher:innen seit Jahren gewartet, denn die Registerforschung ermöglicht einen Anschub für die Wissenschaft. Fehleranfällige, teure und aufwändige Befragungen oder Aggregratdatenanalysen können so teilweise ersetzt werden. Neue Forschungsfragen können gestellt werden, denn wenn die ohnehin vorhandenen Daten vernünftig kombiniert werden, erlauben sie viele Rückschlüsse. Hier liegt noch großes ungehobenes Potenzial.

Hier liegt noch großes ungehobenes Potenzial.

Können Sie uns Beispiele geben?

Faßmann: Ein Beispiel aus meinem Gebiet, der Migrationsforschung: Mit den Registerdaten können wir uns etwa ansehen, welchen Einfluss die Dauer des Aufenthalts auf Integrationsprozesse hat. Auch Verknüpfungen mit Daten aus Gesundheit, Ökonomie oder Bildungsforschung werden aufschlussreich sein. Aber was wir alles erforschen werden, können wir heute noch nicht sagen. Typisch Grundlagenforschung eben.

NEUN MILLIONEN EURO FÜR FORSCHUNG

Ist das datenschutzrechlich nicht bedenklich?

Faßmann: Klares Nein. Der Wissenschaft geht es immer um das Kollektiv und nicht um das Extrahieren von Informationen über einzelne Menschen oder Unternehmen. Die Statistik Austria sorgt über das neu eingerichtete Austrian Micro Data Center - kurz AMDC - für einen kontrollierten Zugang, den nur ausgewiesene Forschungseinrichtungen nach einem Akkreditierungsverfahren bekommen. Die Daten verlassen den virtuellen Arbeitsraum der Statistik Austria, die sich hier selbst als „Nationaldatenbank“ bezeichnet, nicht.

Die Daten verlassen den virtuellen Arbeitsraum der Statistik Austria, die sich hier selbst als „Nationaldatenbank“ bezeichnet, nicht.

Welche Rolle spielt die ÖAW dabei?

Faßmann: Die ÖAW fördert Projekte der Registerdatenforschung in drei Ausschreibungen ab 2023 mit insgesamt neun Millionen Euro. Wir starten noch in diesem Jahr mit einer Roadshow, mit der wir Forschungseinrichtungen wie den Universitäten das Programm vorstellen. Wer sich mit seinem Projekt bewirbt, durchläuft ein zweistufiges Auswahlverfahren. Pro Projekt können zwischen 150.000 und 300.000 Euro eingeworben werden. Wir werden also eine beträchtliche Anzahl an Forschungsprojekten fördern können.

Bilder vom Kick-Off des Austrian Micro Data Center am 14. Oktober 2022

 

AUF EINEN BLICK

Heinz Faßmann ist seit 2022 Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Zuvor war der Geograph und Migrationsforscher u.a. Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Vizerektor der Universität Wien.