30.05.2019

Wie entwickeln sich unsere Gesellschaften?

Forschen für Europa: Die ÖAW-Sozialwissenschaftler/innen Ursula Reeger und Tomáš Sobotka untersuchen, wie Migration innerhalb Europas und von außerhalb den Kontinent verändert.

© Klaus Pichler/ÖAW/Shutterstock

Europa wählt: Am 26. Mai bestimmen die Bürgerinnen und Bürger der Union die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Die Frage wohin sich Europa in Zukunft entwickelt steht daher im Zentrum der Aufmerksamkeit in den Wochen bis zur Wahl. Die zukünftige Entwicklung der Union und ihrer Mitgliedsstaaten wird auch von Entdeckungen und Erkenntnissen in Wissenschaft und Forschung abhängen. Denn die Grundlagenforschung arbeitet schon heute an den Innovationen von morgen. Welche Beiträge die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zum europäischen Forschungsraum leistet, erzählen bis zur Europawahl sechs Forscher/innen der ÖAW in kurzen Interviews. Zahlreiche weitere Projekte mit einer europäischen Dimension sind im aktuellen Jahresbericht der Akademie nachzulesen.

Frau Reeger, Herr Sobotka – woran forschen Sie beide?

Ursula Reeger: Derzeit widme ich mich im Rahmen eines EU-Projekts dem politischen und gesellschaftlichen Umgang mit dem Zuzug von Geflüchteten rund um das Jahr 2015 und dessen Folgen.

Tomáš Sobotka: Gemeinsam mit Kolleg/innen gebe ich unter anderem alle zwei Jahre das European Demographic Data Sheet heraus. Es versammelt aktuelle Daten zur Bevölkerungsentwicklung in Europa und beleuchtet Schlüsselfaktoren wie Geburtenraten oder Migrationsbewegungen.

Was haben Sie bisher herausgefunden?

Reeger: Unsere ersten und noch vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass es zunehmend zur Errichtung innerer, das heißt nicht territorialer, sondern sozialer Grenzen im Umgang mit Geflüchteten in den Mitgliedsstaaten der EU kommt.

Sobotka: Wir konnten feststellen, dass die Bevölkerungsentwicklung zwischen Ost- und Westeuropa seit den 1990er Jahren immer weiter auseinanderdriftet. Während der Westen dank Migration weiterhin wächst, nimmt die Bevölkerung in vielen Staaten Ost- und Südosteuropas stark ab.

Warum ist das wichtig zu wissen?

Reeger: Es geht um die künftige Gestaltung der EU. Eine der sichtbarsten Folgen der Ereignisse des Jahres 2015 ist die Polarisierung in den einzelnen Mitgliedstaaten und die Inkohärenz in den Reaktionen auf die sogenannte Flüchtlingskrise.

Sobotka: Unsere Daten zeigen, dass für den Bevölkerungsschwund in Osteuropa die Abwanderung der Menschen in wohlhabendere Länder des Kontinents ausschlaggebend ist. Will die EU hier gegensteuern, sind Maßnahmen notwendig, die das Wohlstandsgefälle innerhalb der Union verringern.

 

Ursula Reeger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW. Derzeit ist sie als Principal Investigator an zwei EU-Projekten beteiligt.

Tomáš Sobotka ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Demographie der ÖAW. Dort leitet der ERC-Preisträger die Forschungsgruppe zu Fertilität und Familie.
 

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