Europa wählt: Am 26. Mai bestimmen die Bürgerinnen und Bürger der Union die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Die Frage wohin sich Europa in Zukunft entwickelt steht daher im Zentrum der Aufmerksamkeit in den Wochen bis zur Wahl. Die zukünftige Entwicklung der Union und ihrer Mitgliedsstaaten wird auch von Entdeckungen und Erkenntnissen in Wissenschaft und Forschung abhängen. Denn die Grundlagenforschung arbeitet schon heute an den Innovationen von morgen. Welche Beiträge die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zum europäischen Forschungsraum leistet, erzählen bis zur Europawahl sechs Forscher/innen der ÖAW in kurzen Interviews. Zahlreiche weitere Projekte mit einer europäischen Dimension sind im aktuellen Jahresbericht der Akademie nachzulesen.
Woran forschen Sie, Frau Radonić?
Ljiljana Radonić: Ich untersuche, wie Museen in postsozialistischen Ländern im Zuge ihrer Bemühungen um den Beitritt zur EU ihre Dauerausstellungen über den Zweiten Weltkrieg verändert haben, um mit „Europa“ zu kommunizieren. Mich interessiert dabei zum Beispiel die unterschiedliche Darstellung der „eigenen“ Opfer sozialistischer Repressionen und der „anderen“, also jüdischen oder Roma-Opfer.
Was haben Sie bisher herausgefunden?
Radonić: Es gibt zwei Arten von Museen. Die einen fordern, dass Europa das Leiden ihrer Bevölkerungen unter dem Stalinismus anerkennt und setzen dieses mit dem Holocaust gleich. Die anderen stellen ihr „Europäischsein“ unter Beweis, indem sie Opfer unter der jüdischen und Roma-Bevölkerung einbeziehen. Beide Arten von Museen orientieren sich interessanterweise in ihrer Ästhetik an westlichen Holocaust-Museen.
Warum ist das wichtig zu wissen?
Radonić: In Ungarn und Polen gibt es einen autoritären Backlash. In beiden Ländern wird die zunehmende undemokratische Umgestaltung in den Geschichtsmuseen sichtbar. Die Ära der Orientierung an internationalen Standards ist hier vorbei. Geschichtspolitik sorgt stattdessen für eine nationalistische Mobilmachung.