Der vorgelegte Essay soll aufzeigen, wie eine Reflexion über Risiken zur Verbesserung des Forschungsklimas in Österreich beitragen kann. Gestützt auf die Philosophie Karl Poppers und empirische Erkenntnisse wird argumentiert, dass wissenschaftliche Innovation von riskanten Forschungshypothesen mit ungewissem Ausgang angetrieben wird. Epistemisches Risikoverhalten sollte deshalb ermutigt werden – im Gegenzug müssen Forscher:innen und akademische Institutionen jedoch von anderen Risiken entlastet werden, um über eine sichere Basis für potenziell bahnbrechende Ideen zu verfügen. Anhand zweier forschungspolitischer Themen wird erklärt, warum diese Dialektik von Sicherheit und Risiko in Österreich nicht optimal ausgestaltet ist. 1.) Die vielfach prekären akademischen Arbeitsbedingungen erzeugen aufseiten der Wissenschafter:innen ein Übermaß an biografischem Risiko, was die Konzeption gewagter Forschungsprojekte hemmt. Ein Maßnahmenbündel, das eine intensivere Personalentwicklung bei Post-Docs, neue Karrieremodelle und mehr arbeitsrechtliche Transparenz an Universitäten vorsieht, könnte die Qualität hingegen weiter steigern. 2.) Der heimische Modus der Wissenschaftsfinanzierung enthält einen zu hohen Grad an kurzfristigen budgetären Risiken für akademische Institutionen. Längerfristige Schwerpunkte in der Grundlagenforschung brauchen aber eine gesicherte Finanzierung, um sinnvoll starten zu können. Mit Blick auf internationale Vorbilder – etwa die Niederlande und EU-Programme – wird vorgeschlagen, den Geltungszeitraum von Leistungsvereinbarungen für Unis und Förderagenturen zu verlängern. Zugleich sollte die Gefahr inflationsbedingter Budgetlöcher durch eine geregelte Wertsicherung abgefedert werden.
Wer über mustergültige Orte der Forschung nachgrübelt, hat zunächst wohl so einige im Sinn: altehrwürdige Universitäten und moderne High-Tech-Labore, namhafte Institute und reichhaltige Archive, spektakuläre Sternwarten und üppige botanische Gärten. An Österreich hingegen denkt man nicht. Was nicht heißen soll, dass es all dies innerhalb der hiesigen Landesgrenzen nicht gibt.
Es deutet allerdings auf eine gewisse Anstößigkeit hin, die der Kür ausgerechnet eines Nationalstaates zum Referenzpunkt der hier zu behandelnden Frage nach dem guten Forschungsstandort innewohnt. Scheint es doch im Wesen der Wissenschaft zu liegen, nationale Rahmen negieren zu wollen. Bereits in der Frühen Neuzeit war, wie der Soziologe Rudolf Stichweh nachgezeichnet hat, die Entwicklungslogik der Wissenschaft durchdrungen von ihren selbst gesetzten Idealen der Universalität und Globalität.1 Überall sollen ihre Erkenntnisse gelten: unabhängig von lokal verwurzelten Mythen, unbeeinflusst von den Anmaßungen der politisch jeweils Mächtigen. Diesen Anspruch auf die grenzenlose Reichweite des eigenen Forschens unterstreicht auch das im 17. Jahrhundert aufkommende Motiv der res publica litteraria, jener sprach- und kulturübergreifenden Gelehrtenrepublik, die nur ihren eigenen transnationalen Kooperationsregeln folgt. Im selben Geist lässt der große Aufklärer Lessing die Figur des jungen Gelehrten in seinem gleichnamigen Lustspiel sagen: „Was geht uns Gelehrten Sachsen, was Deutschland, was Europa an? Ein Gelehrter, wie ich bin, ist für die ganze Welt“.2
Es wäre verfehlt, dieses kosmopolitische Anliegen, das auch im heutigen Begriff der scientific community mitschwingt, leichtfertig durch das agonale wirtschaftspolitische Vokabular vom „Standortwettbewerb“ zu konterkarieren. Zulasten anderer Länder Marktanteile oder Steuereinnahmen nach Österreich zu luchsen, kann daher nicht der Zweck meiner Überlegungen zur Verbesserung der Forschung in Österreich sein. Vielmehr soll es darum gehen, welche nationalen Regelungsoptionen in unserer Hand liegen, um stärker zur Erweiterung des Wissens über die Welt beizutragen und an der Lösung globaler Probleme mitzuwirken.
Nun mangelt es nicht an sorgfältigen Studien und empirischen Daten zum österreichischen Wissenschaftssystem, aus denen sich ein differenziertes Bild über dessen Vorzüge (z.B. die hohe F&E-Ausgabenquote; die Akquise vieler ERC-Grants) und Schwächen (z.B. fehlende Spitzenunis; spärliche Ausgründungen von unternehmerischen Spin-Offs) gewinnen lässt.3 Derlei heterogene Aspekte zu gewichten und in einem Maß für die Güte des Forschungsklimas zusammenzuführen, scheint mir im Rahmen dieses Essays aber weder machbar noch sonderlich interessant. Denn egal ob wir uns in der Gesamtschau als mau, mittelprächtig oder als ziemlich gut einstufen mögen, eines lässt sich selbst im wohligen Nobelpreistaumel gefahrlos feststellen: Da ist noch Luft nach oben. Wie aber kommen wir weiter hinauf?
Ich möchte argumentieren, dass eine gründliche Reflexion über das Wechselspiel von Sicherheiten und Risiken als Wegweiser dienen kann. Als Inspiration dieser Überlegung ziehe ich einen Ortskundigen heran, dessen Wissenschaftstheorie vor knapp einem Jahrhundert in Wien heranreifte: Karl Popper. Manche technischen Details seines Falsifikationismus sind zwar mittlerweile etwas ins philosophische Abseits geraten, dennoch hält sein Werk weiterhin scharfsinnige Einsichten bereit, auf die sich aufzubauen lohnt.
Popper hat energisch hervorgehoben, dass gute Forschung notwendigerweise ein Risikoverhalten darstellt: Nur wer mit seinen Hypothesen riskiert, von der empirischen Realität widerlegt zu werden, vermag den wissenschaftlichen Fortschritt zu befruchten. Forschungsprojekte, die diesen Namen verdienen, müssen derart gestaltet sein, dass ihre anfänglichen Erwartungen an der Erfahrung regelrecht zerschellen können.4 Werden Hypothesen hingegen so konstruiert, dass sie in jedwedem Zukunftsszenario mit hoher Gewissheit Bestätigung finden, ist das aus einer Popper’schen Perspektive kein gutes, sondern ein verheerendes Zeichen. Wissenschaftliche Durchbrüche, so lässt sich pointieren, sind ohne epistemisches Wagnis nicht zu haben.5 Dieser wissenschaftstheoretisch fundierte Zusammenhang spiegelt sich auch in zentralen Aussagen aus dem Feld der Innovationsforschung wider, wie ein dort vielzitierter Aufsatz festhält: „[T]he central dimension that organizes innovation, if there is one, is uncertainty.“6
Eine guter Forschungsraum sollte Wissenschafter:innen daher das nötige Risiko von Fehlschlägen, durch deren Inkaufnahme erst neues Wissen entstehen kann, ermöglichen und sie dabei ermutigen. Das ist keine leichte Aufgabe, steht ihr doch eine natürliche Sehnsucht nach sicheren Resultaten und garantierten Erträgen gegenüber, die Bürger:innen und Politiker:innen für die Unterstützung durch Steuergeld hegen. Erfreulicherweise werden in Österreich trotzdem diverse öffentlich finanzierte Förderprogramme dieser Aufgabe gerecht und unterstützen Projekte der Grundlagenforschung mit unbestimmtem Ausgang – nicht zuletzt Anton Zeilinger und Ferenc Krausz wurden in ihren einst durchaus spekulativen Ansätzen vom FWF intensiv gefördert.7 Auch die kürzlich initiierten Förderschienen Early Career Seed Money (ÖAW und FWF) und Emerging Fields (FWF) stellen explizit risikofreudige Ideen in den Fokus.
Auf der systemischen Ebene gibt es jedoch auch Faktoren, durch die die unbefangene Experimentierfreude der Wissenschafter:innen gehemmt wird. Hinter einigen dieser Hemmnisse steht – das mag zunächst paradox klingen – ein Übermaß an Risiko, oder anders gesagt: ein Mangel an Sicherheit. Bei dem Problem handelt es sich gleichsam um ein Risiko- Missverhältnis: Gerade weil Österreich von bestimmten Risikoarten zu viel erzeugt, wird mitunter zu wenig an wissenschaftlichem Risiko forciert. Aus anderen Lebenssituationen ist uns das, was ich die Dialektik von Sicherheit und Risiko nennen möchte, wohlvertraut: Umso mehr finanzielle Sicherheit das familiäre Umfeld bietet, umso leichter traut man sich, einen riskanten Berufsweg in einer instabilen Branche einzuschlagen; Umso verlässlicher eine zwischenmenschliche Beziehung funktioniert, umso eher lassen sich heikle Grundsatzfragen mit Dissens-Potenzial ansprechen.
Ein produktiver Umgang mit Unsicherheiten auf einem Gebiet braucht also sicheren Boden auf anderen Gebieten. Ich will im Folgenden anhand zweier forschungspolitischer Themen illustrieren, inwiefern das Nachdenken über dieses Wechselspiel helfen kann, die Sicherheiten und Risiken des Forschungsortes zweckmäßiger auszutarieren.
Wer keine Professur bekleidet, lebt als Wissenschafter:in im akademischen System Österreichs einigermaßen prekär: An den Universitäten sind knapp achtzig Prozent des wissenschaftlichen Personals nur befristet angestellt, das ist im europäischen Vergleich ein besonders hoher Anteil.8 Darunter sind viele hochqualifizierte Forscher:innen auf Post-Doc- Ebene, die sich von einem befristeten Projekt zum nächsten hangeln – ohne von der Uni eine klare Karriereperspektive oder gar Fixanstellung zu erhalten. In einem solch volatilen Umfeld ist eine stabile Lebensplanung für junge Forscher:innen schwierig, zumal just in derselben Altersphase biografisch tiefgreifende Entscheidungen zu Familie und Kindern anstehen. Auch die jüngste Reform der Kettenvertragsregelung scheint die Prekarität akademischer Laufbahnen nicht wesentlich zu lindern – teils berichten Betroffene und Expert:innen sogar von einer Verschärfung der Probleme.9 Zudem trägt die verworrene Rechtslage laut einer rezenten Befragung zu hoher Verunsicherung beim wissenschaftlichen Nachwuchs bei.10
Nun will ich keineswegs bestreiten, dass akademische Personalpolitik im dynamischen wissenschaftlichen Gefüge ein erkleckliches Maß an Flexibilität braucht, um neue Schwerpunkte erschließen zu können und stets genügend freie Stellen für die Rekrutierung kluger Köpfe zu haben. Eine personelle Verknöcherung des Forschungsbetriebs kann in Zeiten international vernetzter interdisziplinärer Projektteams niemand ernsthaft wollen.
Doch der derzeitige österreichische Kurs, bei dem viele Hochschulen allzu pauschal auf Befristung setzen und ihren Mitarbeiter:innen kaum transparente Zukunftsaussichten eröffnen, birgt in seiner Einseitigkeit ebenfalls eine Schwachstelle für den wissenschaftlichen Fortschritt. Bedenkliche Hinweise hierauf vermittelt eine europaweite Studie, die federführend vom heimischen Wirtschaftsforschungsinstitut ausgearbeitet wurde. Demnach bewirken prekäre Beschäftigungsverhältnisse, dass sich Forscher:innen in der Gestaltung ihrer wissenschaftlichen Projekte tendenziell risikoscheu verhalten. Auf EU-Ebene gaben rund vierzig Prozent der Befragten an, aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen vor riskanten Themen zurückzuschrecken.11 Wenn man innerhalb einer kurzen Vertragsfrist schnell genug etwas publizieren muss, um bei der nächsten Bewerbung an der akademischen Jobbörse auf zählbaren Output verweisen zu können, ist das kein passender Anreiz, um sich an gewagten Ideen mit langem Zeithorizont und fraglichem Erfolg zu versuchen. Ein Überschuss an biografischem Risiko im Leben der Wissenschafter:innen geht also zulasten des epistemischen Risikos, das ein idealer Forschungsort anregen müsste. Angesichts dessen sollten wir reflektieren, mit welchen Maßnahmen Österreich ein stimmigeres Risiko- Gleichgewicht erzielen könnte.
Vielversprechend scheint ein differenzierter Mix von Ansätzen, den ich hier nur skizzieren kann: Das beginnt bei einem Ausbau strukturierter Doktoratsprogramme und einer sorgsameren hochschulischen Personalentwicklung für Post-Docs, geht über die Steigerung von Tenure-Track-Stellen und die explizite Konzeption neuer Karrieremodelle bis hin zur Entwirrung von Fallstricken im universitären Arbeitsrecht und dessen Handhabung.12 Damit akademische Arbeitgeber ihrem Nachwuchs verbindlichere Karrierezusagen geben können, benötigen sie allerdings auch – und das führt mich zum nächsten Vorschlag – ihrerseits deutlich mehr Sicherheit.
Die vergangenen Jahre haben veranschaulicht, wie fragil die heimischen Wissenschaftsetats in ökonomisch turbulenten Zeiten sind. 2022 schlug die galoppierende Teuerung bei den Universitäten ein: Rektor:innen gingen mit Studierenden auf die Straße, um dem Ruf nach einem Inflationsausgleich der Uni-Budgets Nachdruck zu verleihen. Zugleich sah sich die Technische Universität Wien während des Lehrbetriebs zur Schließung von Räumen veranlasst, um Heizkosten zu sparen. 2023 mussten die Chef:innen von FWF, ÖAW und FFG öffentlichkeitswirksam Alarm schlagen, als es galt, die Regierung zur Abwendung des dräuenden Finanzlochs in der Forschungsförderung zu bewegen.13
Den Hintergrund dieser wiederkehrenden Kalamitäten bildet der österreichische Modus der Wissenschaftsfinanzierung: Da die Zahlungen des Staates für Universitäten und Förderinstitutionen via Leistungsvereinbarungen drei Jahre im Voraus in nominalen Summen festgelegt werden, schmälert eine zwischenzeitlich unerwartet hohe Inflation deren realen Wert. Das Risiko volkswirtschaftlicher Geldentwertung übersetzt sich somit direkt in eine Gefahr für die Erschwinglichkeit von langfristigen Forschungsvorhaben. Dagegen hilft auch das für Leistungsvereinbarungen geltende „Kürzungsverbot“ nicht, weil das lediglich besagt, dass der nominale Geldbetrag während der entsprechenden Leistungsperiode nicht mehr gekürzt werden darf.14
Doch selbst wenn kein drastischer Kaufkraftschwund hereinbricht, muss nach drei Jahren erneut über das künftige Budget verhandelt werden. In der Politik kann sich in solch einem Intervall viel ändern, bisweilen auch die Haltung der Regierenden zur Bedeutung der Wissenschaft. Für bahnbrechende Erkenntnisse braucht es dagegen einen langen Atem, in der Zeitrechnung wissenschaftlicher Fortschritte sind drei Jahre oftmals nur ein Hauch. Allein die Drohkulisse alsbald versiegender Fördermittel ist hinderlich für das Design langfristig ausgelegter Forschungsstrategien samt Personalplanung.
Wir müssen daher mehr Planungssicherheit in das Regelwerk der Forschungsfinanzierung einbauen, wenn Österreich zu einem besseren Ort für das Wagnis wissenschaftlicher Innovation werden soll. Wobei klar ist, dass es in einer Demokratie zu Recht keine politisch unumstößlichen Budgetgarantien des Staates geben kann – auch nicht für die Forschung. Gleichwohl sehe ich erheblichen Spielraum zugunsten eines verlässlicheren Finanzierungspfads, das zeigt schon ein Blick auf die Europäischen Union. Die Budgets für die EU-Forschungsrahmenprogramme, aus denen etwa die prestigeträchtigen ERC-Grants gespeist werden, sind in bewährter Manier auf je sieben Jahre festgelegt. Es gibt auch vorbildliche Nationalstaaten, die ihre Wissenschaftsausgaben länger als drei Jahre binden: In den Niederlanden, deren Unis bei Indikatoren zur Forschungsleistung eindrucksvoll abschneiden, werden Budgetvereinbarungen auf bis zu sechs Jahre abgeschlossen.15 In diese Richtung sollten wir uns hierzulande orientieren.
Nicht vergessen darf man bei einer Reform, dass sich in einem längeren Zeitraum auch inflationsbedingte Wertverluste hartnäckiger fortschreiben. Gesetzgeberisch ließe sich das aber abfedern, indem die vorab vereinbarten Summen im Laufe der Finanzierungsperiode eine (zumindest teilweise) automatische jährliche Valorisierung erfahren.
Eine derartige Kombination aus längerfristiger Budgetzusagen plus Wertsicherung würde dem Wissenschaftssystem ökonomische Unsicherheit entziehen und damit, so darf man hoffen, eine höhere Dosis disruptiver Forschung erzeugen.
Österreich sollte mit dem Risiko spielen, um sein Potenzial als Ort guter Forschung auszuschöpfen. Die titelgebende Devise meines Essays bedeutet weder ein Loblied auf die glücklichen Fügungen des Schicksals noch ein Plädoyer für planlose Beliebigkeit in der Wissenschaftspolitik. Im Gegenteil, das Spiel mit Risiko will ein wohlüberlegtes sein: Auf welche Risiken sollten wir setzen und welche gerade deshalb zügeln? Wie viel Spielraum für das Ungewisse müssen wir dem Prozess der Forschung eröffnen und welche Gewissheiten brauchen jene Menschen und Institutionen, die kraft ihrer Erkenntnisse brillieren sollen?
Exemplarisch vertieft habe ich diese Fragen anhand der akademischen Arbeitsbedingungen und der Wissenschaftsfinanzierung. Sie stellen sich aber auch im größeren gesellschaftspolitischen Kontext, auf den die Wissenschaft angewiesen bleibt, solange sie ihrem Anspruch als grenzenloses Projekt gerecht werden will. Wenn wir etwa der wuchernden Illusion verfallen, maximale innere Sicherheit in einer abgekapselten „Festung Österreich“ zu erlangen, werden wir bald auch jene internationalen Wissenschafter:innen durch Verunsicherung abschrecken, die ein gutes Forschungsland anziehen sollte. Ein Risiko, das wir besser nicht ausreizen.
1 Siehe Stichweh (2003)
2 Lessing (1979 [1754]), S. 27
3 Siehe etwa den jüngsten Jahresbericht des Rates für Forschung- und Technologieentwicklung (2023) sowie Janger/Slickers (2023).
4 Siehe Popper (2005 [1935]), insbesondere Kap. IV, VI und X.
5 Gegenwärtige bibliometrische Evidenz aus der Wissenschaftsforschung für diesen Konnex liefern Wang/Veugelers/Stephan (2017).
6 Kline/Rosenberg (1986), S. 294
7 Siehe Traxler/Kleindl (2023)
8 Siehe BMBWF (2021), S.83 sowie die Einschätzung von Janger in Anders (2023a). Eine feinkörnige statistische Auswertung der Beschäftigungssituationen von Postdocs bieten Schubert/Binder/Unger (2022), S. 23-25. Aktuelle universitätsspezifische Zahlen finden sich zudem in den Beilagen einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des BMBWF (17115/AB zu 17544/J, 27. GP) vom 29.3.2024.
9 Siehe Anders (2023a, 2023b)
10 Siehe Partheymüller/Dannecker (2024), S.20-24
11 Siehe Janger et. al (2022), S.5f., 50 u. 152
12 Vertiefende Anregungen zu akademischen Karrierewegen eröffnet ein neuer Bericht der Österreichischen Hochschulkonferenz (2024), der auch Good-Practice-Beispiele aufzeigt.
13 Siehe Kroisleitner/Müller/Rohrhofer (2023), Kroisleitner (2023) u. APA (2023a, 2023b)
14 Siehe § 4 Forschungsfinanzierungsgesetz BGBl I Nr 75/2020 idF BGBl I Nr 60/2022
15 Für einen Überblick zum niederländischen Modus siehe Wissenschaftsrat (2020), S. 36-41 u. S.50
Anders, Theo (2023a): Warum sich jetzt Protest gegen prekäres Forscherleben an Unis regt. In: Der Standard vom 8.3.2023. Online unter: https://www.derstandard.at/story/2000144259201/warum-sich-jetzt-protest-gegen-prekaeres-forscherleben-an-unis-regt [Abruf am 13.4.2024]
Anders, Theo (2023b): Wie Kettenverträge für Verwerfungen an den Unis sorgen. In: Der Standard vom 2.8.2023. Online unter:
https://www.derstandard.at/story/3000000180817/wie-kettenvertraege-fuer-verwerfungen-an-den-unis-sorgen [Abruf am 13.4.2023]
APA – Austria Presse Agentur (2023a): Teuerung: Appell für 500 Mio. Euro mehr für Forschung für 2024-26. Meldung vom 21.7.2023
APA – Austria Presse Agentur (2023b): FWF-Chef Gattringer pocht auf Einhaltung vereinbarter Budgetzusagen. Meldung vom 26.9.2023
BMBWF (2021): Universitätsbericht 2020. Wien
Janger, Jürgen/Slickers, Tim (2023): Wissensproduktion und Wissensverwertung in Österreich im internationalen Vergleich. Wifo-Monatsberichte 10/2023, S.699-714
Janger, Jürgen/ Charos, Alexandros/ Reschenhofer, Peter/ Strauss-Kolin, Anna/ Unterlass Fabian, Weingärtner, Stefan (2022): Precarious Careers in Research: Analysis and Policy Options. Wien: Wirtschaftsforschungsinstitut
Kline, Stephen/ Rosenberg, Nathan (1986): An overview of innovation. In: Landau/Rosenberg (Hrsg.): The positive sum strategy. Harnessing technology for economic growth. Washington DC: National Academy Press, S. 275–305
Kroisleitner, Oona/ Müller, Walter/ Rohrhofer, Markus (2023): Budgeterhöhung um 400 Millionen Euro reicht Unis nicht aus. In: Der Standard vom 15.11.2023. Online unter:
https://www.derstandard.at/story/2000140871105/budgeterhoehung-um-400-millionen-euro-reicht-unis-nicht-aus [Abruf am 13.4.2024]
Kroisleitner, Oona (2023): Uni-Budget – TU Wien wird trotz Einigung mit Ministerium einen Monat schließen. In: Der Standard vom 2.12.2023. Online unter:
https://www.derstandard.at/story/2000141437543/uni-budget-tu-wien-wird-trotz-einigung-mit-ministerium-einen [Abruf am 13.4. 2024]
Lessing, Gotthold Ephraim (1979 [1754]): Der junge Gelehrte. Stuttgart: Reclam
Österreichische Hochschulkonferenz (2024): Karrierewege in der Wissenschaft und Research Assessment. Nationale Empfehlungen in Österreich im Kontext des Europäischen Forschungsraums. Hrsg. von der Österreichischen Universitätenkonferenz. Wien
Partheymüller, Julia/ Dannecker, Petra (2024): Zur Beschäftigungssituation im Mittelbau an der Uni Wien – Ergebnisse der Befragung. Online unter: doi.org/10.31235/osf.io/wce5q
Popper, Karl R. (2005 [1935]): Logik der Forschung. Gesammelte Werke in deutscher Sprache, hrsg. von Herbert Keuth, Bd.3. Tübingen: Mohr Siebeck
Rat für Forschung und Technologieentwicklung (2023): Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2023. Wien
Schubert, Nina/ Binder, David/ Unger, Martin (2022): Karriereentwicklungsmöglichkeiten für Doktoratsstudierende und -absolvent:innen in Österreich: Herausforderungen und Unterstützungsbedarf. Projektbericht. Wien: Institut für Höhere Studien.
Stichweh, Rudolf (2003): Genese des globalen Wissenschaftssystems. In: Soziale Systeme, 1 (2003), 3-26
Traxler, Tanja/Kleindl, Reinhard (2023): Ferenc Krausz: Nobelpreisträger dank ultrakurzer Laserpulse. In: Der Standard vom 3.10.2023. Online unter:
https://www.derstandard.at/story/3000000189584/ferenc-krausz-nobelpreistraeger-dank-ultrakurzer-laserpulse [Abruf am 13.4.2023]
Wang, Jian/ Veugelers, Reinhilde/ Stephan, Paula (2017): Bias against novelty in science: A cautionary tale for users of bibliometric indicators. In: Research Policy, 46, S.1416-36
Wissenschaftsrat (2020): Analyse der Leistungsvereinbarungen 2019-2021 und Empfehlungen. Wien
Gemessen an den Forschungsausgaben müsste Österreich ein sehr guter Forschungsstandort sein, befinden sie sich doch seit 10 Jahren auf Höhe der führenden Innovationsländer der EU. Die Standortleistung entspricht indes nicht dem Niveau dieser Länder, es fehlen etwa leistungsstarke Spitzenuniversitäten oder junge, schnell wachsende und forschungsintensive Unternehmen. Geld ist deshalb sichtlich nicht die einzige Zutat für einen erfolgreichen Forschungsstandort. Ebenso bedeutsam sind eine effektive Verteilung der Mittel und Rahmenbedingungen außerhalb der eigentlichen Forschungsförderung, wie reichlich verfügbares Risikokapital. Die hohe österreichische Forschungsquote deckt massive Unterschiede zu den führenden Ländern in den Bedingungen für Forschung zu. Dadurch bleibt die bestehende Spitze des Standorts, hervorragende wissenschaftliche Einrichtungen und innovative Unternehmen, schmäler als sie sein könnte. Reformpfade sollten behutsam gewählt werden und neben strukturellen Reformen an einer Neuaufteilung des Mittelzuwachses ansetzen. Subventionswettläufe bei Schlüsseltechnologien, einseitige technologische Abhängigkeiten und die Klimakrise mahnen eine hohe Priorität von Standortreformen ein.
Nach OECD-Daten lag Österreich 2021 mit Forschungsausgaben im Ausmaß von ca. 3,2% der Wirtschaftsleistung an dritter Stelle in der EU und an 7. Stelle weltweit.1,2 Lässt sich damit die Ausgangsfrage schon in aller Kürze positiv beantworten, ist Österreich ein guter Forschungsstandort, weil viele Mittel für Forschung ausgegeben werden?
Misst man die Qualität des Forschungsstandorts nicht an seinen finanziellen Mitteln, sondern an seinen Leistungen, fällt der Befund leider weniger eindeutig aus. Zwar gibt es hervorragende wissenschaftliche Einzelleistungen, veranschaulicht durch die Höhe der beim europäischen Forschungsrat (ERC) eingeworbenen Mittel oder die rezenten Nobelpreise für Anton Zeilinger und Ferencz Kraus. Österreichs Universitäten befinden sich jedoch nicht in den Spitzengruppen von Rankings, selbst nicht in jenen, die auf dubiose Reputationsumfragen verzichten, wie dem Ranking der Universität Leiden.
Außeruniversitäre Spitzeneinrichtungen wie das ISTA oder Akademie-Institute sind in der Regel zu klein, um in solche Ranglisten aufgenommen zu werden. Indikatoren auf Landesebene, z.B. die Qualität aller Publikationen mit österreichischer Beteiligung, weisen Österreich gar nur über dem EU-Durchschnitt aus, deutlich unter dem Niveau führender Länder wie der Schweiz oder der Niederlande.2 In der Unternehmensforschung bietet sich ein ähnliches Bild. Qualität und Zahl der angemeldeten Erfindungen als Leistungsmaß bleiben hinter den führenden Innovationsländern der EU – Belgien, Dänemark, Finnland, Niederland, Schweden – zurück, wenn auch nicht ganz so stark wie wissenschaftliche Publikationen. Es gibt wenige junge, schnellwachsende forschungsintensive Unternehmen und keine großen heimischen High-tech-Unternehmen.3 Österreich erzielt seinen wirtschaftlichen Erfolg durch hohe Qualität in eher traditionellen Branchen, wie z.B. der Stahlerzeugung.4
Aus dem Blickwinkel eines/r internationalen Beobachters/in ist die heimische Forschungsspitze schmal, weder große forschungsstarke Universitäten noch Unternehmen stechen hervor. Die Sichtbarkeit und Leistung des Standorts sind ausbaufähig. Wie kann dieses Auseinanderklaffen von Mitteln und Leistung erklärt werden? Darin liegt wohl der Schlüssel für eine Verbesserung des Forschungsstandorts Österreich.
Die Qualität eines Forschungsstandorts definiert sich durch die Qualität der Bedingungen, die er für Forschungsaktivitäten bietet. International wettbewerbsfähige Bedingungen unterscheiden sich zwar grundsätzlich nach der Art der Forschung. Während Unternehmensforschung auf die gezielte Entwicklung neuer Technologien fokussiert, um damit den Geschäftserfolg zu stärken, strebt akademische Forschung nach größtmöglicher Freiheit, um neugiergetrieben wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen.5 Beide achten in ihrer Standortwahl aber auf einen gemeinsamen Aspekt, forschungsstarke wissenschaftliche Einrichtungen.
So wählen forschungsintensive Unternehmen ihre Standorte v.a. nach vier Gesichtspunkten aus: nahen forschungsstarken Universitäten für den Zugang zu Wissen und Absolvent:innen, politisch-rechtliche Stabilität und Planbarkeit, darunter der Schutz geistiger Eigentumsrechte, sowie Forschungsförderung und Marktgröße.6-9 Talentierte junge akademische Forscher:innen hingegen sind oft international mobil und suchen ihre Stelle v.a. nach drei Bedingungen aus: der Perspektive auf eine unbefristete Stelle abhängig nur von der eigenen Forschungsleistung (Tenure-Track-Modell), der Zusammenarbeit mit forschungsstarken Kolleg:innen in ihrem Fach sowie der Autonomie, ihre interessengetriebene Forschungsagenda unabhängig von Hierarchie oder Geldzwängen umsetzen zu können.10-12
Nachdem hervorragende Wissenschaftler:innen in der Regel an Spitzeneinrichtungen zu finden sind, benötigen wettbewerbsfähige Bedingungen sowohl für Unternehmens- als auch für akademische Forschung die Präsenz forschungsstarker akademischer Einrichtungen. Aufgrund der Bedeutung hochqualifizierter Absolvent:innen für die Standortwahl von Unternehmen kommt Universitäten, die naturgemäß in der Lehre aktiv sind, eine wesentliche Rolle zu. Nicht umsonst unterhält Google Forschungszentren unter den kleineren europäischen Ländern nur in Amsterdam (Niederlande) und Zürich (Schweiz), beide Standorte von Spitzenuniversitäten.
Wie kann Österreich die Leistung seiner Universitäten und so die Standortqualität verbessern? Ein Hebel ist die Finanzierung. Nach Daten des europäischen Registers für tertiäre Bildung verfügen Spitzenuniversitäten in den Top 50 bis Top 100 von Rankings durchschnittlich über zwei bis dreieinhalb Mal so viel Budget je Studierenden, wie Universitäten jenseits der Top 100.13 Spitzenforschung benötigt disproportional steigende Mittel. So geben die technischen Universitäten Imperial College London oder ETH Zürich größenbereinigt bis zu drei Mal mehr aus als die TU Wien, die ihre Ausgaben von 400 Mio. € auf 1,1 Mrd. € steigern müsste, um gleichzuziehen. Die Universität Zürich gibt mehr als doppelt so viel aus wie die Universität Wien, die Universitäten Oxford oder Cambridge sogar fünfmal so viel, immer bereinigt um Größenunterschiede.13 Bei solch ungeheuren Unterschieden wirken die 135 Mio. € der Exzellenzclusterinitiative des FWF, verteilt über 5 Jahre und mehrere Institutionen, wie ein Tropfen auf den heißen Stein.
Im Durchschnitt betragen die Ausgaben der österreichischen Universitäten nur 80% des Niveaus der führenden Innovationsländer der EU sowie der Schweiz, bereinigt um unterschiedliche Preisniveaus.13 Dies steht im krassen Gegensatz zur Förderung der Unternehmensforschung in Österreich, die doppelt so hoch wie bei den führenden Ländern ausfällt, an dritter Stelle OECD-weit.1 Im internationalen Wettbewerb bietet der Forschungsstandort Österreich Unternehmensforschung finanziell großzügigere Unterstützung als der akademischen Forschung. Es scheint fast so, als würde Österreich massiv auf Forschungsförderung für Unternehmen setzen, um andere Standortnachteile zu kompensieren.
Als temporäre Überbrückungs- und Aufholstrategie mag dies effektiv sein, aber Österreich befindet sich mit seinen gesamten Forschungsausgaben schon seit zehn Jahren auf dem Niveau der führenden Länder, ohne den Unternehmensstandfortfaktor forschungsstarke Universitäten effektiv zu adressieren. Gerade aus einer Standortsicht sind Investitionen in wissenschaftliche Einrichtungen nachhaltiger, denn sie bleiben jedenfalls im Land, während sich Forschungsstandorte von Unternehmen wieder verlagern können.
Die Entwicklung von Spitzenuniversitäten in Österreich scheitert nicht nur an der Menge des zur Verfügung stehenden Geldes. Ein weiteres Problem ist die Verteilung des Geldes, im Hochschulsystem insgesamt und zwischen Universitäten. In Österreich befinden sich ca. 70% der Studierenden an Universitäten, 30% in Fachhochschulen. In den Niederlanden sind weniger als 40% der Studierenden an Universitäten, in der Schweiz 55%; im Vereinigten Königreich sind nur 30% in den forschungsintensiven Universitäten der sog. „Russell Group“. Weil Fachhochschulen viel weniger Forschung betreiben, ist jeder Studienplatz dort gegenüber einer Universität wesentlich günstiger. Mehr Studierende an Fachhochschulen würden daher ceteris paribus mehr Geld für Universitäten frei machen. Nimmt man etwa das Verhältnis der Niederlande an, würde ein Budget von ca. 700 Mio. € Euro frei werden, ungefähr entsprechend der Universität Wien.13
Die Verteilung der Basisfinanzierung zwischen Universitäten im Rahmen der Leistungsvereinbarungen erfolgt nicht leistungsabhängig, sondern überwiegend kapazitätsorientiert nach der Zahl der Studierenden und des Personals. Anstrengungen von Universitäten, bessere Bedingungen für Forschung zu bieten, schlagen sich kaum in höherer Basisfinanzierung nieder.14 Der Anteil der Basisfinanzierung an der universitären Finanzierung ist in Österreich zudem mit 80% sehr hoch, während die wettbewerbliche Projektfinanzierung von Grundlagenforschung über den FWF nur halb so hoch wie bei den führenden Innovationsländern ausfällt.1 Eine Reform der Mittelverteilung zwischen Universitäten müsste Forschungsmittel verstärkt auf wenige Einrichtungen konzentrieren, eine öffentliche Finanzierung aller österreichischen Universitäten auf dem Niveau der ETH Zürich wäre unleistbar.
Abseits von Geld und Geldverteilung gibt es Potenzial, Karriere- und Organisationsstrukturen an Universitäten zu verbessern. Z.B. könnten die neuen Tenure-Track-Stellen breitflächiger angewendet werden, wenn sie sich stärker an der internationalen Praxis orientieren. Derzeit beinhalten sie nicht den Aufstieg zur ordentlichen Professur und sind daher gegenüber „echten“ Tenure-Track-Stellen weniger attraktiv.15
Solche Reformen würden sich für den Standort lohnen und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Leistungsstarke Universitäten produzieren nicht nur neues Wissen, das internationale Unternehmen anzieht oder für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen eingesetzt werden kann.16 Sie bringen auch mehr Erfindungen und Unternehmensgründungen (spin-offs)17,18 hervor und würden so einer weiteren Leistungsschwäche des Standorts entgegenwirken: dem Mangel an jungen, schnell wachsenden forschungsintensiven Unternehmen, die sich zu heimischen Großunternehmen entwickeln könnten.
Ihre schwache Ausprägung in Österreich hängt auch am Mangel an Risikokapital, an der Finanzierung für ihr Wachstum. Während sie in frühen Phasen der Gründung öffentlich gut gefördert werden, fehlt es an privaten Mitteln, um ihr kapitalintensives Wachstum in späteren Phasen zu finanzieren. Gründe finden sich etwa in restriktiven Veranlagungsrichtlinien für Versicherungen und Pensionsfonds, denen es schwer fällt, einen kleinen Teil ihrer Mittel in Risikokapitalfonds zu investieren, wie es etwa in den USA, aber auch in Schweden gang und gäbe ist. Schweden ist ein Beispiel für ein europäisches Land, das durch jahrzehntelange kluge Regulierungspolitik einen funktionierenden Kapitalmarkt geschaffen hat, der weltbekannte junge Unternehmen wie Spotify oder das Batterie-start-up Northvolt finanziert.19 Die Bedingungen für die Forschung junger Unternehmen sind somit in Österreich klar verbesserungsfähig, aber nicht allein durch mehr Forschungsförderung: Rahmenbedingungen wie ein funktionierender Kapitalmarkt, oder hohe Verfügbarkeit von Risikokapital, spielen ebenso eine wichtige Rolle.
Zusammenfassend sehen wir massive Unterschiede in den Bedingungen für Forschung, die von Österreichs hoher Forschungsquote zugedeckt werden: Doppelt so viel Forschungsförderung für Unternehmen wie in den führenden Innovationsländern der EU, dafür nur halb so viel Risikokapital und halb so hohe wettbewerbliche Förderung der akademischen Grundlagenforschung, vier Fünftel des Niveaus der Universitätsausgaben, ein teils doppelt so hoher Anteil an Universitätsstudierenden. Innovationsstarke Länder bieten mit effektiverer Mittelverteilung und forschungsfreundlichen regulatorischen Rahmenbedingungen einen besseren Standort für die Forschung in Unternehmen und in wissenschaftlichen Einrichtungen an, ohne zwingend mehr Mittel für Forschung auszugeben.
Ein Reformpfad muss behutsam gewählt werden. Selbst ohne die gegenwärtigen geoökonomischen Spannungen und die Subventionswettläufe für Schlüsseltechnologien20 wäre es kein hilfreiches Standortsignal, Unternehmensforschungsförderung einfach zu kürzen und zu Universitäten umzuschichten. Genauso schwierig wäre wohl ein Nullsummenspiel zwischen Universitäten. Eine Veränderung der Verteilung müsste beim Mittelzuwachs, nicht -bestand, ansetzen, um Akzeptanz für Reformen zu schaffen. Wenn mittelfristig eine leistungsstarke universitäre Forschung und hohe Verfügbarkeit von Risikokapital die Bedeutung von Unternehmensforschungsförderung als Standorttrumpf reduziert, kann diese umfassender überdacht werden. Z.B. ist steuerliche Forschungsförderung in der Regel ein Instrument für eine breitflächige Intensivierung von F&E, die in Österreich mittlerweile erreicht wurde.21 Dafür stehen große Herausforderungen an, wie künstliche Intelligenz und Klimawandel, zu deren Bewältigung Unternehmen selbst nach mehr direkter Forschungsförderung etwa von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG verlangen werden. Eine systematische Reform könnte auf Basis von Erkenntnissen aus Datensätzen des neuen Mikrodatenzentrums der Statistik Austria erfolgen. Die Forschungsförderung wurde zuletzt umfassend vor 15 Jahren evaluiert, zu gänzlich anderen Rahmenbedingungen als heute.22
Forschungspolitische Hebel für die Verbesserung des Standorts sind jedenfalls gegeben, es gilt, sie zu nutzen, gerade angesichts der sich verstärkenden geoökonomischen Spannungen: Österreich und die EU dürfen bei Schlüsseltechnologien nicht einseitig abhängig von autoritären Systemen sein. Hohe Forschungsausgaben und ihre leistungsmaximierende Verteilung sind notwendige, aber keine hinreichenden Merkmale eines guten Forschungsstandorts. In Österreich bestand historisch der Zugang, Probleme über das Ausmaß der Forschungsförderung zu lösen, anstatt auf effektivere Mittelverteilung und strukturelle Reformen zu setzen.22 Dieser Ansatz ist teuer und erklärt zumindest einen Teil des Auseinanderklaffens zwischen Ausgaben und Leistung, zwischen den theoretisch möglichen Standortbedingungen für Forschung und den tatsächlichen.
Bei aller Kritik: Österreich ist im Vergleich mit vielen anderen europäischen Ländern, die es seit Jahrzehnten nicht schaffen, ihre Forschungsausgaben zu erhöhen, sicherlich ein guter Standort, auch das muss gesagt werden. Einige Reformen der letzten Jahre haben die Bedingungen verbessert, wie z.B. die Verstetigung der Forschungsförderung über die dreijährigen Pakte für Forschung, Technologie und Innovation. Aber das Potenzial des Standorts ist deutlich höher, darauf weisen die insgesamt verfügbaren Mittel hin, die hervorragenden Einzelleistungen, sowie die vielen Probleme außerhalb der eigentlichen Forschungsförderung, die seit langem bekannt sind. Dadurch bleibt die bestehende Spitze des Standorts, hervorragende wissenschaftliche Einrichtungen und innovative Unternehmen, schmäler als sie sein könnte. Viele weitere Probleme konnten in diesem Essay nicht gebührend behandelt werden: die Situation des Bildungssystems etwa, in dem ein hoher Anteil an Schüler:innen nicht einmal Mindestkompetenzen erwirbt; eine stark von traditionellen Rollenbildern bestimmte Studiums- und Berufswahl, durch die nur ein Sechstel des Forschungspersonals in Unternehmen Frauen sind; Immigrationsbestimmungen für hochqualifizierte Fachkräfte, die Unternehmen und Forschungseinrichtungen gleichermaßen behindern. Das mangelnde Interesse an Wissenschaft drängt Forschungs-politik in eine Randposition bei Wahlen und öffentlichen Diskussionen. Vielleicht wären Initiativen zur Steigerung des Interesses an Wissenschaft daher die beste Medizin für den Standort.
While success in academia is often measured by prestigious prizes and awards, research locations are dealing with increasingly precarious working conditions. While Austria is by far not an outlier in dealing with this problem, in this essay we address the question whether we should start tackling this issue by assessing success of academia differently. We argue that instead of chasing prestige, a successful research location should invest in establishing a sustainable and resilient research program, by diversifying non-professorial university positions and promoting long-term research projects instead of relying on short-term projects. Additionally, by focusing on more resilient and sustainable research instead of prestige, it would also alleviate the precarious working conditions many researchers, who carry out the actual research, find themselves in. Ultimately, this way Austria as a research location could generate higher quality research output in the long run.
Roaring waterfalls, grand mountains, bright salamanders, singing birds, chirping crickets, sweet smelling flowers: The diversity of species, the most wonderful landscapes and soundscapes are just the surface one scratches when hiking through the lush wonders of a functioning ecosystem. As you progress through the beautiful landscape with infinite path possibilities to discover more of this ecosystem, you encounter some hurdles along the way, or roots that are easy to overcome. As you know the ecosystem better and want to discover more of it, you start running faster. Time is short but to see just a little more, you increase your speed again. Suddenly you stop; you discover that even though you have increased your pace all this time you were standing at the same place you started, but suddenly the once beautiful and exciting place has turned bland. You start noticing issues with the ecosystem you have once thought was so beautiful and exciting. Similarly Alice experiences running with the Red Queen in Lewis Carroll’s ‘Through the Looking Glass’1, a metaphor also overtaken by Leigh Van Valen to evolutionary biology, stating that if you want to stay in the place in a theoretical arms race, you always need to run a little faster2.
As with Alice’s adventure, a researcher's journey often starts out with excitement and amazement, granting young students insight into the world of research, reaching the edge of knowledge and starting to contribute to new discoveries. At the beginning of a research career, carried by excitement for the questions and seemingly endless opportunities, young researchers start to explore these new possibilities and may start publishing in peer reviewed journals. Young researchers start to map out all the paths in the world of academics. They start to contribute to the scientific world and their scientific output increases, until many reach a deadend - no successful grants, reaching the end of the chain contracts, or simply desires for a more stable life are taking over. Academia is harsh - working uncompensated extra hours, taking on responsibilities, such as teaching, supervising students, and administrative tasks that take time away from research that is crucial to publish high quality work and succeeding in academia 3. This is by far no insular issue in Austria and similar problems persist globally, leading to increasing international uproar 4,5.
The question boils down to how do we measure if a country is a good research location? Do we quantify a country's success by assessing the number of Nobel prizes awarded, international grant money obtained and high impact papers published or should we rather measure success by ensuring a resilient system that is enabling long-term high-quality research? At the moment academia in Austria and most other countries are layed out to achieve the first: We need success; fast! However, the need to chase success in this way seems to bite its own tail. Every researcher seems to be focused solely on their own success; designing projects exciting enough (but not too far out of the box) to be published in high impact journals, while hoping to obtain more grant money to stay in the system and hopefully at one point acquiring one of few professor positions. In turn, precarious working conditions have manifested at universities, following the outdated publish or perish ideology. However, by only working from project to project, projects are often conceptualized to fit the short-term contracts, while maximizing their impact. Accordingly, only highly seductive projects are being funded that are not necessarily the most innovative ones, leading to a higher number of publications that are ‘hot’ topics that land in high impact factor journals and can be easily marketed to the press, but are not necessarily disruptive or novel 6.
The reality is that the great majority of researchers in Austria (or any country) will not become ‘rockstar’ researchers that will revolutionize the field and will be awarded Nobel prizes, an award that comes with its own sets of problems anyway 7. The idea that research is conducted by one famous professor, who is supervising students and post-doctoral researchers, is not only outdated, but harmful. It should be a lot more recognized that doing research is team-work and requires skills and knowledge from people with a variety of educational backgrounds. For researchers that are not in the spotlight, no matter how qualitative and important their work is, only short-term contracts and no perspectives is the daily routine, often resulting in quick replacements by inexperienced researchers if they reach the end of their chain contract, ultimately repeating the cycle. All this comes with the cost of losing know-how, but also a wrong investment of taxpayer’s money. The state is investing a lot of money into the long education that is needed to educate scientists, just for a majority of them to leave the academic career when they are reaching the peak of their career.
Additionally this situation greatly affects researchers’ lives and life satisfaction8, because to be successful in academia requires sacrifices, ranging from moving countries every couple of years, delaying family planning, and dealing with constant job insecurity. In recent years, this issue has found a voice in the German-speaking Twitter world under #IchbinHanna9, which addresses the precarious working conditions early career researchers in Germany, but also Austria, face10. In our opinion, the life satisfaction and working conditions of people who work in academia should be accounted for when measuring the success of Austria as a research location. It should not be the case that it is required for aspiring researchers to sacrifice major life events, which disproportionately affect women and people from less privileged backgrounds11,12,13.
To really purge ahead, research structures in Austria and abroad need serious changes. These changes will need to start with rethinking the question: ‘How does Austria measure up as a research location?’. New measures of quantifying success for universities and non-university research institutes will be needed. In our opinion, Austria as a research location should not be assessed by how many Nobel prizes, or prestigious grants have been acquired. Instead the goal should be to establish long-term research programs that allow for time and resources to develop novel ideas and high-quality research instead of the quantity of papers produced. In fact, Leigh Van Valen’s “A New Evolutionary Law” paper was rejected several times by major journals (e.g. Nature) despite later inspiring many fields of research, which are now built on the red queen hypothesis14.
Additionally, there should be more focus on establishing more long-term and diversified university positions and flatter hierarchies. The many tasks that are expected from the same researchers and especially professors could be split up into multiple positions. For example, the teaching load professors face could be mitigated by establishing more lecturer positions as is already the case in many anglophone universities. Advanced researchers could take up the role as team leaders, independently developing research. A system with different forms of research jobs could also help researchers to focus on the tasks they are most qualified for (e.g. lecturing, statistics, management), impacting the quality of the research team's overall work. While a more diversified system would not show success in the traditional way that can be easily measured, it could help establish a more resilient system and allow new possibilities for non-professorial staff. Ultimately, a more resilient system would produce higher quality, meaningful research in the long run. More importantly, it could create more stable working conditions for researchers, enabling them to focus on their research, while not having to sacrifice life outside of their career.
Researchers in Austria are running as fast as they can to reach stable positions in academia, while pursuing what they love: conducting research on fascinating topics, ranging from biology to philosophy to archaeology. However, despite their diverse interests, they face the same problem: They run as fast as they can, while many of them are not leaving the place at all. They hop from one short term contract to the next, not knowing what the future holds. While universities in many countries face similar issues, one begs the question if this is a satisfactory situation. In this essay, we argued that it needs to start with measuring success differently. Instead of counting obtained grant money or prizes, Austria should start investing in building resilient and sustainable institutes, by establishing more diverse long-term non-professorial positions and encouraging research that ensures quality instead of the quantity of academic output. After all, a functioning system will allow researchers to discover so many more wondrous secrets about our world.
1 Carroll L. (1909). Through the looking-glass and what Alice found there. New York, Dodge publishing company [Pdf] Retrieved from the Library of Congress, https://www.loc.gov/item/09016128/
2 Van Valen L. (1973). A new evolutionary law. Evol Theory 1:1–30
3 “Prekäre Arbeit an Universitäten kann man nicht wegrechnen.” Der Standard [31. März 2023]
https://www.derstandard.at/story/2000145076606/prekaere-arbeit-an-universitaeten-kann-man-nicht-wegrechnen
4 “Many of us are struggling’: why US universities are facing a wave of strikes” The Guardian [21.04.2023]
https://www.theguardian.com/us-news/2023/apr/21/us-universities-wave-strikes
5 “UK universities face more strikes unless employers resume talks, union warns.” The Guardian [14.08.2023] https://www.theguardian.com/education/2023/aug/14/uk-universities-face-more-strikes-unless-employers-resume-talks-union-warns
6 Park M., Leahey E. & Funk R.J. (2023). Papers and patents are becoming less disruptive over time. Nature 613, 138–144. https://doi.org/10.1038/s41586-022-05543-x
7 “The Problem With the Nobel Prizes.” Time [22.10.2022]
https://time.com/6225572/nobel-prizes-problem/
8 “How burnout and imposter syndrome blight scientific careers.” Nature [23.11.2021] https://www.nature.com/articles/d41586-021-03042-z
9 “#ich bin hanna.” [01.05.2024] https://ichbinhanna.wordpress.com/
10 “Wissenschaftler an Unis befristet beschäftigt” ORF Tirol [25.01.2024]
https://tirol.orf.at/stories/3242088/
11 Boivin N., Täuber S., Beisiegel U. et al. (2024). Sexism in academia is bad for science and a waste of public funding. Nat Rev Mater 9, 1–3.. https://doi.org/10.1038/s41578-023-00624-3
12Cassidy R. Sugimoto and Vincent Larivière (2023). Equity for Women in Science: Dismantling Systemic Barriers to Advancement. Harvard Univ. Press
13 RACISM Overcoming science’s toxic legacy (2022) A Nature special issue
https://www.nature.com/immersive/d42859-022-00031-8/index.html
14 Solé R. (2022). Revisiting Leigh Van Valen’s “A New Evolutionary Law” (1973). Biol Theory 17, 120–125. doi.org/10.1007/s13752-021-00391
In a globalized academic world ruled by uniformed metrics, have research locations become irrelevant? This essay critically reflects on the political and sociological geography of research locations, taking a gender perspective on the issue. It argues that research starts at home and that research performances should not be severed from the everyday life of researchers. Care responsibilities (such as parenthood) are a fitting example to show the intimate connection between the conditions of research and the production of research. Exploring the specific forms of this connection in Austria, this essay invites readers to move beyond research performance being thought as an aggregation of individual success stories and to re-invent processes and narratives of knowledge production.
“For the Greatest Benefit to Humankind”, the current exhibition of the Nobel Prize Museum, aims to show “how science, literature and peace efforts improve and change the world.”1 The first story that comes up on the website is that of Wangari Maathai, a Kenyan activist who received the Nobel Peace Prize in 2004. While Maathai was awarded the prize for her work on democracy, gender and sustainable development, it worth remembering that her career and activism started in academia. She was the first woman in East and Central Africa to earn a doctorate and the first female associate professor at the University of Nairobi in 1977. Advocating for equal pay and privileges for men and women in academia was her first political battle. She received personal compensation but failed to bring about larger structural changes within academia. Maathai quickly realized research institutions are conditioned by their location and left academia to become a full-time activist on a national level.2
Today’s academia seems a million miles away from Maathai’s localized experience. It resembles an international melting pot, where individuals and universities compete for funding and seek to place themselves higher in international rankings. The wide-spread use of metrics suggests that academic research can be uniformized and therefore universalized: institutions all over the word can be directly and efficiently compared. Does it mean that research locations have become irrelevant? The question points to a tension between the expectation of a deterritorialized of academic work and the profoundly territorialized working conditions this work is subjected to. Research ought to measure up to international standards – but the conditions of research production remain irrevocably tied to the national settings.
Over the last decade, the debate over performance and labor conditions in academic has taken a confrontative turn, with academic setting up long strikes and heated demonstrations protesting against the proletarianization of academic researchers. While the top 10 universities in the worlds are situated in the United States (US) and in the United Kingdom (UK), frequent reports revealed the rampant dissatisfaction amongst university employees and students. In Austria, academic precarity has been the topic of discussion and mobilization, although the crisis is much less acute. All in all, these tensions are grounded in disagreements over the conceptualization of performance. While academic ranking and statistics on academic productivity promise universal excellency; some argue that imagining a good university must go beyond logics of quantification.3
Asking “how does Austria measure up as a research location” clearly needs more than some criticism of the strength and weaknesses of statistics. Let us briefly go back to Wangari Maathai. She identified that the inequalities she experienced in academia mirrored those existing in the society at large. She understood that academic life and everyday life were inherently related but did no longer believe academia could be a place to start a change. This essay explores the path she did not take. It analyses the disconnection between the academic individual lives and social responsibilities. Taking the example of researchers confronted to childcare responsibilities, it explains why Austria is the perfect place to re-invent processes of and narratives about knowledge production: ultimately, all the future Wangari Maathai should still believe academia can foster social change.
Universities and their ranking systems are all bound to the country level but in a post-Covid 19 world, we know that research begins at home. The Covid-19 pandemic has shed light on the multiple inequalities bound to the household work and the way they affect the research productivity of some scholars more than other, women in particular.4 These inequalities existed before the pandemic and of course did not disappear with it. So what about starting reflecting on the home as a research location? After all, domestic spaces have always been at the center of politics. Scholars from all disciplines have shown that the alleged distinction between a private and a public sphere is not only artificial but highly political: controlling the politics of home (from its architectural design to the management of chores) has preoccupied governments and private firms in virtually all parts of the world.5 Just as the feminist slogan goes, the personal is political.6
When it comes to academia, however, stories and politics from and about the homes are largely hidden.7 Take the top ten universities listed in the Shanghai Ranking (“2023 Academic Ranking of World Universities”): they are located in two countries (the United States and the United Kingdom) where policies for parental leave are the most unequal, sometimes inexistant and often so limited that many young academic parents are trapped between the urgency of academic publishing, careering and childcaring.8 The location of a research institution matters, especially when it comes to policies meant to ensure equality for all types of academic and personal careers. In a recent tribune for Times Higher Education, British female academics alerted that “the academic pipeline is hemorrhaging women. Parental leave is a punch point in women’s careers, and the scale of these losses can be directly tied to the level of maternity support.”9 Research locations play a role insofar as they support or disrupt academic work.
While gender gap between male and female researchers is still high, care responsibilities (such as parenthood) have a particular impact on women’s academic work. For a country like Austria, which offers a generous parental leave (parents are entitled to 12 to 22 months of paid leave, a rather exceptional policy when compared to other European countries), the weight of the politics of parenting on academia is not a side issue. Even less so when all reports show that women in Austria carry most of the professional, domestic, and psychological weight of parental leave. Statistics show that 80% of the parental leave is taken solely by the mothers (with an average taking between 18 and 24 months of leave10); 10% percent of the fathers take a 3 months leave or less, 2% of them dare to take up to 6 months; only 1% can claim a leave longer than 6 months.11 Women with an academic education tend to take slightly shorter parental leave, but statistics on this matter are vague.12 In fact, when it comes to assessing gender equality, issues such as parental leave, access to childcare or even periods of breastfeeding (which can lead to informal extension of leave), statistics are missing.
Studies on gender balance in academia focus on whether women are excluded or included in research, thereby leaving aside how research is being done along care responsibilities.13 This absence of measurement reveals a profound social and structural gap that brings research institutions apart from the societal background they belong to. It is all the more surprising that the economic dimension of childcare (or the absence thereof) is not a new topic, far from it. The best-selling American scholar Kristen Ghodsee has demonstrated the way childcare was incremental to women’s political, economic, social and cultural emancipation, while a recent international study that access to public childcare facilities had an enormous impact on the national economies.14 Whenever professional work and childcare institutions are disconnected, gender inequalities deepen and productivity decreases.
Austria is no exception. Recent study found that “the parenthood effect on maternal employment does not disappear steadily” while female academics are more prone to abandon their career ambitions.15 Difficulties for parents to organize care for young children has been much commented.16 Childcare has direct impact on academic work: most kindergarten offer childcare until 5pm (when not closing much earlier), that is to say when most university talks start and informal gatherings begin. Organizing additional childcare is left as the sole responsibilities of the parents, a responsibility that requires social and financial resources that are not available to all. To say that 5pm is the time when most care-holders are excluded from academic formal and informal socializations would be barely exaggerated. We could also mention the pressure of international mobility to be carried on the shoulders of parents alone. The fact that departments for gender equality are emerging and that many female scholars have started to formally mobilize to raise awareness on gender academic imbalance shows both the seriousness and urgency of the issue.17
Gathering more data on researchers and care issues is not the heart of the matter, however. Politics of measurement are dangerous; in the past decades, the cult of performance has shown in limits in European history in the most dramatic ways. Attempts to breed the best possible minds has never created collectivity – they destroyed it. This historical memory reminds us that academic institution should be wary of putting individual performance over the collectivity. The previous paragraphs have made clear that so far, in Austria just like elsewhere, very little has been done to acknowledge the scope of researcher’s (child)care responsibilities and the way they can benefit to research institutions to become truly inclusive body. So what can be done for academic achievements not to be reduced to individual stories? For care responsibilities not to be hidden individual burdens and for academia to embrace the everyday lives of researchers? This essay suggests two main perspectives.
Firstly, narratives on knowledge creation and success must move away from the logic of measurement and aggregation of individual data and emphasize, instead, the circularity of knowledge. Individual successes can be driven by individual endeavor and dedication, but the development of ideas and experiments happen in groups. What are classes, lectures, conferences, talks, book presentations, seminars, and workshop made for if not to share knowledge? Raising children illustrates the importance of the circularity of knowledge. The “creative room” of the Austrian kindergarten of my 5-year-old child is a fitting example. There, children sit at a table and share various ideas and most recently acquired skills. While children bring and develop their own imaginative world, they learn from each other. Without this informal sharing of knowledge, their sources of inspiration and their ability to express their creativity would be much more limited. The concept of free play practiced in Austrian kindergarten acknowledges that children are learning human being and develop individualities within collectivities.
Secondly, the gender perspective taken in this essay reminds us of the importance of the collective dimension of intellectual work. Where individual awards and prizes, research output and per capita performances hail individual successes and celebrate the work of the mind in international contexts, researchers are parts of complex webs of social connections which are the starting point of intellectual endeavor and should eventually be the end. More should be done to acknowledge the way researchers account to various collectivities they chose to be part of. This would mean to create space for researchers with care responsibilities or collective responsibilities, to acknowledge more diverse academic careers, breaking free from logics compensating “the gaps in curriculum vitae”. Care work should no longer be a black hole in academia. Instead, one should reward various forms and rhythms of research production and social commitment (including for example parenthood, extended care, community engagement or even commitment to fieldwork or communities of knowledge).
While discussions about leaving global ranking systems is taking ground in Austria, constructing more inclusive ways of doing academic work for the country to stand out as a research location should be both an institutional and national cause.18 Austria would be the perfect laboratory to infuse long-term changes. If we believe in statistics, it is one country where living conditions are amongst the best in Europe and where there is strong commitment for politics of social well-being. It is a country where academic institutions have already invested in gender policies and new forms of collective science.19 Finally, it is a country where the relationship between parenthood and work is undergoing progressive change and where the politics of care are more and more openly debated.20 Rebuilding the connection between research with its location does not mean to turn academia into an autarky. Far from it. It means to acknowledge that academic networks are made of human lives and collective duties. Groundbreaking and life-changing science is only possible if researchers care.
1 Nobel Prize Museum, “For the Greatest Benefit to Humankind.”
2 Wangari Maathai, Unbowed: a Memoir (London: Arrow Books, 2008).
3 Raewyn Connell, The Good University: What Universities Actually Do and Why It’s Time for Radical Change. (Melbourne: Monash University Publishing, 2019).
4 See for example Eunji Kim and Shawn Patterson, “The Pandemic and Gender Inequality in Academia,” PS: Political Science & Politics 55, no. 1 (2022): 109-116 and Dorothea Bowyer and al., “Academic Mothers, Professional Identity and COVID‐19: Feminist Reflections on Career Cycles, Progression and Practice,” Gender, Work & Organization 29, no. 1 (2022): 309-341.
5 Martina Barker-Ciganikova et al., The Politics of Housing in (Post-) Colonial Africa: Accommodating Workers and Urban Residents (Wien: De Gruyter, 2020).
6 Carol Hanisch, “The Personal Is Political.”
7 Johanna Gehmacher et al., “Introduction: Knowledge Making, Everyday Life, and Gendered Scientific/Scholarly Personae,” European Journal of Life Writing 11 (2022): 1-12.
8 See for example: Allison C. Morgan et al. “The Unequal Impact of Parenthood in Academia,” Science Advances 7, no. 9 (2021) and Karen Jones and Allan Flyod, “Women Academics Experiences of Maternity Leave in the Neoliberal University: Unmasking Governmentality,” Gender, Work and Organization 31, no. 1 (2024): 92- 114.
9 Ellie Harrison et al., “Breaking Barriers for Women: How to Build Effective Parental Leave,” The Times Higher Education, 26 May 2022.
10 Johannes Pucher, “Großteil der Väter geht nicht in Karenz,” DerStandard, 20 January 2022.
11 Arbeiterkammer Steiermarkt, “Längere Väterkarenz ist Turbo für Jobrückkehr der Mütter.”
12 Agenda Austria, “Kinder Machen den Unterschied.”
13 European Commission, Directorate-General for Research and Innovation, She figures 2021 – Gender in research and innovation – Statistics and indicators (Publications Office, 2021).
14 Kristen R. Ghodsee, Why Women Have Better Sex Under Socialism and Other Arguments for Economic Independence (New York: Nation Books, 2018); Kaamil Ahmed, “No equality for working women in any country in the world, study reveals,” The Guardian, 5 March 2024.
15 Bernhard Riederer and Caroline Berghammer, “The Part-Time Revolution: Changes in the Parenthood Effect on Women’s Employment in Austria across the Birth Cohorts from 1940 to 1979,” European Sociological Review 26, no. 2 (2020): 284–302 and “Warum in der Forschung Elternschaft für Mütter noch immer ein Karrierehemmnis ist,” Der Standard, 21 September 2023.
16 Joëlle Stolz, “Mehr Babys und Früh in die Krippe,” DerStandard, 22 January 2024.
17 See for example the networks Mutterschaft-Wissenschaft or Women in Biology at the University of Vienna.
18 Theo Anders, “Top-Universität Boykottiert Rankings – Wollen Jetzt auch Österreichische Unis Aussteigen?“, Der Standard, 15 November 2023.
19 See for example “Austria. Promoting Gender Equality in Research” and “Citizen Science”.
20 See for example “Geteilte Elternkarenz und familiäre Fürsorge, in guten wie in herausfordernden Zeiten?” University of Vienna, 18 April 2024.
Barker-Ciganikova, Martina, et al. The Politics of Housing in (Post-) Colonial Africa: Accommodating Workers and Urban Residents. Wien: De Gruyter, 2020.
Bowyer, Dorothea and al. “Academic Mothers, Professional Identity and COVID‐19: Feminist Reflections on Career Cycles, Progression and Practice.” Gender, Work & Organization 29, no. 1 (2022): 309-341.
Connell, Raewyn. The Good University: What Universities Actually Do and Why It’s Time for Radical Change. Melbourne: Monash University Publishing, 2019.
Gehmacher, Johanna et al. “Introduction: Knowledge Making, Everyday Life, and Gendered Scientific/Scholarly Personae.” European Journal of Life Writing 11 (2022): 1-12.
Ghodsee, Kristen R. Why Women Have Better Sex Under Socialism and Other Arguments for Economic Independence. New York: Nation Books, 2018.
Hanisch, Carol. “The Personal Is Political.” https://webhome.cs.uvic.ca/~mserra/AttachedFiles/PersonalPolitical.pdf (last visited
28 April 2024)
Jones, Karen and Flyod, Allan. “Women Academics Experiences of Maternity Leave in the Neoliberal University: Unmasking Governmentality.” Gender, Work and Organization 31, no. 1 (2024): 92-114.
Kim, Eunji and Patterson, Shawn. “The Pandemic and Gender Inequality in Academia,” PS: Political Science & Politics 55, no. 1 (2022): 109-116
Maathai, Wangari. Unbowed: a Memoir. London: Arrow Books, 2008.
Morgan, Allison C. et al. “The Unequal Impact of Parenthood in Academia.” Science Advances 7, no. 9 (2021).
Riederer, Bernhard and Berghammer, Caroline. “The Part-Time Revolution: Changes in the Parenthood Effect on Women’s Employment in Austria across the Birth Cohorts from 1940 to 1979.” European Sociological Review 26, no. 2 (2020): 284–302.
Ahmed, Kaamil. “No Equality for Working Women in Any Country in the World, Study Reveals.” The Guardian, 5 March 2024, https://www.theguardian.com/global-development/2024/mar/05/no-equality-for-working-women-in-any-country-in-the-world-study-reveals-world-bank-gender-gap (last visited 26 April 2024).
Anders, Theo. “Top-Universität Boykottiert Rankings – Wollen Jetzt auch Österreichische Unis Aussteigen?“, Der Standard, 15 November 2023.
https://www.derstandard.at/story/3000000194767/top-universitaet-boykottiert-rankings-wollen-jetzt-auch-oesterreichische-unis-aussteigen (last visited 26 April 2024).
Harrison, Ellie et al. “Breaking Barriers for Women: How to Build Effective Parental Leave,”
The Times Higher Education, 26 May 2022. https://www.timeshighereducation.com/campus/breaking-barriers-women-how-build-effective-parental-leave (last visited 26 April 2024)
Pucher, Johannes. “Großteil der Väter geht nicht in Karenz.” Der Standard, 20 January 2022, https://www.derstandard.at/story/2000132674121/grossteil-der-vaeter-geht-nicht-in- karenz (last visited 26 April 2024)
Stolz, Joëlle. “Mehr Babys und Früh in die Krippe.” Der Standard, 22 January 2024. https://www.derstandard.at/story/3000000204023/mehr-babys-und-fr252h-in-die-krippe (last visited 26 April 2024).
“Warum in der Forschung Elternschaft für Mütter noch immer ein Karrierehemmnis ist,” Der Standard 21 September 2023. https://www.derstandard.at/story/3000000187880/warum-in-der-forschung-elternschaft-fuer-muetter-noch-immer-ein-karrierehemmnis-ist (last visited 26 April 2024)
Agenda Austria. “Kinder Machen den Unterschied.” https://www.agenda-austria.at/wp-content/uploads/2019/02/aa-motherhoodpaygap-a5-ansicht-web-190220.pdf (last visited 23 April 2024).
Arbeiterkammer Steiermarkt. “Längere Väterkarenz ist Turbo für Jobrückkehr der Mütter.” https://stmk.arbeiterkammer.at/beratung/berufundfamilie/karenz/Laengere_Vaeterkarenz_ist_Turbo_fuer_Jobrueckkehr_der_Mue.html (last visited 23 April 2024).
European Commission, Directorate-General for Research and Innovation, She figures 2021 – Gender in research and innovation – Statistics and indicators (Publications Office, 2021). https://data.europa.eu/doi/10.2777/06090 (last visited 26 April 2024).
European Institute for Gender Equality. “Gender Equality in Academia and Research - GEAR tool. Austria.” https://eige.europa.eu/gender-mainstreaming/toolkits/gear/legislative-policy-backgrounds/austria?language_content_entity=en (last visited 26 April 2024).
Federal Ministry Republic of Austria. Education, Science and Research. “Citizen Science.” https://www.bmbwf.gv.at/en/Topics/Research/Research-and-Public/Citizen- science.html (last visited 26 April 2024).
Mutterschaft-Wissenschaft. “Lokalgruppen & Thematische Gruppen.” https://www.mutterschaft-wissenschaft.de/vernetzung/lokalgruppenundthematischegruppen/ (last visited 26 April 2024).
Nobel Prize Museum. “For the Greatest Benefit to Humankind.” https://nobelprizemuseum.se/en/for-the-greatest-benefit-to-humankind/ (last visited 23 April 2024).
University of Vienna. “Geteilte Elternkarenz und familiäre Fürsorge, in guten wie in herausfordernden Zeiten?” 18 April 2024. https://genfam.univie.ac.at (last visited 26 April 2024).
Women in Biology Initiative at the Faculty of Life Sciences. https://wobio.univie.ac.at (last visited 26 April 2024)
Ein guter Forschungsstandort lässt sich an einer Vielzahl von Kriterien festmachen. Dazu zählen beispielsweise die Stabilität des politischen und wirtschaftlichen Systems, die Lebensqualität sowie die Förderung der Forschung im finanziellen, aber auch im ideellen Sinn. Österreich verfügt nach wie vor über stabile politische Verhältnisse, ist wirtschaftlich gut aufgestellt und erreicht bei der Lebensqualität sehr gute Werte. Mit 3,22 % Forschungsquote im Verhältnis zum BIP ist auch die Forschungsförderung deutlich höher als der EU-Durchschnitt, jedoch behindern oftmals bürokratische Hürden eine effiziente Nutzung dieser Mittel. Zudem könnte mit einer Kampagne zur Steigerung der Wertschätzung für Forschung in der Bevölkerung eine Verbesserung des Forschungsstandortes Österreich erreicht werden. Österreich ist aus meiner Sicht ein guter Forschungsstandort, jedoch sollte diese Position auch im Hinblick auf die großen Herausforderungen unserer Zeit, Stichwort Klimawandel, weiter gestärkt werden.
Die Wissenschaft kennt kein Land, denn das Wissen gehört der Menschheit und ist die Fackel, die die Welt erhellt. Die Wissenschaft ist die höchste Verkörperung der Nation, weil jene Nation die erste bleiben wird, die die Werke des Denkens und der Intelligenz am weitesten trägt.2
Dieses Zitat des französischen Chemikers und Mitbegründers der medizinischen Mikrobiologie Louis Pasteur drückt in Kurzform aus, was Forschung bedeutet: Forschung soll einerseits allen Menschen dienen und zeigt jedoch gleichzeitig, wie bedeutsam Forscher:innen für die Geltung eines Landes sein können. Damit ein Land als forschungsfreundlich und forschungsfördernd gelten kann, bedarf es aus meiner Sicht jedoch einiger Rahmenbedingungen. Diese umfassen politische und wirtschaftliche Stabilität, eine Forschungslandschaft, die auf entsprechende finanzielle Mittel bauen kann, eine allgemeine Wertschätzung der Forschung, aber auch eine hohe Lebensqualität, um Forscher:innen neben dem wirtschaftlichen Aspekt auch ein angenehmes Umfeld bieten zu können, in dem sie sich wohlfühlen können. Um beurteilen zu können, ob Österreich ein guter Forschungsstandort ist, sollten wir demnach die Erfüllung dieser Rahmenbedingungen näher betrachten.
Die politische Stabilität eines Landes kann beispielsweise anhand der Worldwide Governance Indicators (WGI) der Weltbank gemessen werden. In der Kategorie „Political Stability and Absence of Violence/Terrorism“ liegt Österreich nach aktuellsten Daten (2022) im 69. Perzentil von 193 Ländern, demnach rangieren 31 % der Länder weltweit besser. Hierbei hervorzuheben ist beispielsweise die Schweiz als eines unserer Nachbarländer, die im 92. Perzentil und somit nahe der Spitze liegt, welche mit Liechtenstein ebenfalls von einem unserer Nachbarländer eingenommen wird. Österreich hat hinsichtlich politischer Stabilität im letzten Jahrzehnt massiv an Boden verloren. Waren im Jahr 2012 nur 4 % der Länder besser als Österreich platziert, liegt unser Land nun im Ländervergleich am tiefsten Stand seit Datenverfügbarkeit im Jahre 1996. Auch die Tschechische Republik (75. Perzentil) und Slowenien (71. Perzentil) als weitere Nachbarländer schneiden hier besser ab als Österreich. 7, 9 Eine umfassende Analyse der Gründe würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, doch könnte die genannte Entwicklung einerseits auf die erhöhte Terrorgefahr, der sich Österreich in den letzten Jahren ausgesetzt sieht, zurückzuführen sein. Andererseits dürften auch politische Ereignisse im Zusammenhang mit politischen Skandalen und gescheiterten Regierungen eine Rolle spielen.
Ein Land kann als wirtschaftlich stabil bezeichnet werden, wenn Indikatoren wie Wirtschaftsleistung, Inflation, Arbeitslosenquote und Staatsverschuldung über die Zeit hinweg geringen Schwankungen unterliegen und somit eine gewisse Sicherheit für Marktteilnehmer:innen bieten, was einen guten Boden für Investitionen in die Forschung bereiten kann. Gemessen an diesen Kennzahlen kann Österreich durchaus als guter Forschungsstandort bezeichnet werden: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf zu Kaufkraftparitäten lag 2023 in Österreich bei 123 % des EU-Durchschnitts, was dem 5. Rang unter allen EU-Ländern entspricht.11 Österreich war hinsichtlich Wirtschaftsleistung auch schon in den Jahren zuvor stets auf den Spitzenplätzen zu finden. Im Gegensatz zur Zeit vor der russischen Invasion in der Ukraine war hingegen die Inflation zuletzt deutlich höher als der EU-Durchschnitt.4 Traditionell hat Österreich demgegenüber aber eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit, auch über die letzten Jahre hinweg, was für ein gutes wirtschaftliches Umfeld für etwaige mit nach Österreich kommende Angehörige von ausländischen Forscher:innen spricht.5 Die Staatsverschuldung liegt mit aktuell 78,2 % in Österreich ebenfalls unter dem EU-Durchschnitt von 82,6 % des BIP.3
Die Lebensqualität spielt als Soft Fact ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Frage, ob ein Umfeld als attraktiv angesehen werden kann, da eine hohe Lebensqualität Forscher:innen aus anderen Ländern anziehen kann, hier zu forschen. Die Lebensqualität wird häufig anhand eines Index gemessen, der sich aus verschiedenen Indikatoren zusammensetzt, die sich auf das (tägliche) Leben beziehen. Zieht man den Better Life Index der OECD heran, kann Österreich in vielen der insgesamt 24 Kategorien durchaus punkten (sämtliche Zahlen stammen aus der 2020er-Untersuchung). So ist beispielsweise das mittlere verfügbare Nettohaushaltseinkommen mit 37.000 US-Dollar vergleichsweise hoch (Platz 8 unter 38 Ländern), die Wasserqualität sehr hoch (ebenfalls Platz 8), die Lebenszufriedenheit hoch (Platz 11), und vor allem auch das Gefühl, sich sicher in der Nacht bewegen zu können, sehr hoch (Platz 5).8
Insgesamt stimmt demnach das Umfeld für Forscher:innen, um sich in Österreich wohlzufühlen und gerne hierherzukommen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Doch wie sieht es mit den konkreten Forschungsbedingungen aus? Dies versuche ich im folgenden Kapitel zu beantworten.
In Österreich gibt es eine Reihe von Organisationen, die Forschung fördern. Neben den Arbeitgeber:innen der Forscher:innen, also Hochschulen und Forschungseinrichtungen (u.a. die Österreichische Akademie der Wissenschaften), fördert der Bund über die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws), die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Zudem bestehen weitere Förderungsmöglichkeiten außerhalb der budgetären Mittel des Bundes. Gemäß aktueller Schätzung wurden für 2023 insgesamt 15,5 Milliarden Euro an Forschungs- und Entwicklungsausgaben seitens des Bundes geleistet, was einer Forschungsquote von 3,22 % im Verhältnis zum BIP gleichkommt und Österreich zum zehnten Mal in Folge über den Zielwert von 3 % bringt. 1 Österreich wird damit voraussichtlich wieder auf dem 3. Platz im EU-Vergleich zu liegen kommen, hinter Belgien und Schweden, wobei der EU-Durchschnitt lediglich bei 2,24 % liegt (Zahlen aus 2022). 10 Die Bundesregierung verfolgt dabei mit der sogenannten Forschungs- und Technologieinfrastrukturstrategie 2030 (FTI-Strategie), Schwerpunkte hinsichtlich nachhaltigen Wirtschaftens, Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft, sowie Technologieführendenschaft und Technologieoffenheit zu setzen.
Im Sinne dieser kurzen Abhandlung ist es nicht möglich, auf konkrete Förderungen und Förderungshöhen einzugehen, kurz aber darauf, wie einfach oder schwierig es für Forscher:innen sein kann, tatsächlich entsprechende Förderungen zu erhalten. Ich persönlich war in meiner wissenschaftlichen Karriere noch nicht im Ausland und kann daher keinen Vergleich mit den Bedingungen anderswo anstellen. Wohl aber kann ich einen subjektiven Eindruck wiedergeben, der sich aus Gesprächen mit Forscher:innen ableitet. Dieser besteht darin, dass das traditionell doch zu erheblicher Bürokratie neigende Österreich hemmend auf den Zugang zu Forschungsförderungen wirkt. Tatsächlich deutet der Global Competitiveness Index der Weltbank, im Besonderen der darin enthaltene Bürokratieindex, der sich aus zwei Umfragen zusammensetzt, darauf hin, diese Ansicht zu bestätigen. Österreich belegt (Stand: 2020) lediglich den 44. Platz von 115 Ländern und den 10. Platz unter den EU-Ländern. Im internationalen Vergleich sind Hongkong, Singapur und Georgien die am wenigsten bürokratischen Länder. Das am wenigsten bürokratische EU-Land sind die Niederlande auf Platz 7. Besonders hervorzuheben ist, dass selbst Deutschland als - wenn auch nur knapp - weniger bürokratisch eingeschätzt wird als Österreich, obwohl es in der medialen Berichterstattung meist als besonders bürokratisch dargestellt wird.6
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Lebensqualität sprechen also für Österreich als guten Forschungsstandort, die Bürokratie eher dagegen. Eine Möglichkeit, das Umfeld für Forscher:innen zu verbessern, sehe ich daher in einem deutlichen Abbau der bürokratischen Hürden. Dies könnte beispielsweise durch die Zusammenlegung von forschungsfördernden Institutionen geschehen, um den Forscher:innen einen einheitlichen Blick auf die verschiedenen Förderungsmöglichkeiten zu geben. Ein Bürokratieabbau sollte sich aber nicht nur auf die Beantragung und Abwicklung von Forschungsfördermitteln beziehen, sondern auf alle Lebensbereiche, um neben der Verbesserung des Forschungsstandortes und indirekt der Lebensqualität auch den Nebeneffekt einer verbesserten wirtschaftlichen Entwicklung zu erzielen. Würde man eine vom Schweizerischen Gewerbeverband (sgv) für die dortige Wirtschaft durchgeführte Untersuchung von Bürokratiekosten auf Österreich umlegen, kostet Bürokratie insgesamt nämlich jährlich mehr als 12 % der Wirtschaftsleistung.6
Eine weitere Möglichkeit, um das Umfeld von Forscher:innen in Österreich zu verbessern, wäre meines Erachtens, die Wertschätzung für die Forschung zu steigern. Dies könnte etwa durch entsprechende Werbemaßnahmen geschehen, um gerade nach den Jahren der Corona-Pandemie und den unzähligen kritischen Stimmen aus den verschiedensten Kreisen dazu, den Menschen in Österreich wieder mehr Vertrauen und Zuversicht in die Forschung zu geben. Der österreichischen Bevölkerung sollte vermittelt werden, dass Forschung Ausdruck der Neugier des Menschen ist und wir uns ohne Neugier niemals zu derart fortschrittlichen Wesen mit langer Lebenserwartung, hohem Lebensstandard und den vielen Annehmlichkeiten, die sich uns täglich bieten, entwickeln hätten können. Als Menschheit werden wir die mit dem bereits spürbaren, nicht mehr nur auf dem Papier berechneten, Klimawandel einhergehenden Herausforderungen nur meistern können, wenn ein großer Teil unserer finanziellen Mittel und unseres Know-Hows in die Forschung investiert und das Lebensumfeld für Forscher:innen adäquat gestaltet wird, sodass wir in Österreich das schaffen, was Louis Pasteur meinte: Wir sollten Dinge erforschen, die der gesamten Menschheit dienen. Österreich kann aber eben darüber hinaus zu einer jener Nationen werden, die einen besonders großen Beitrag zum kollektiven Wissen der Menschheit für unser gemeinsames Weiterleben leisten und damit von anderen Nationen als besonders fortschrittlich und bedeutsam wahrgenommen werden. Kurzum: Österreich ist ein guter Forschungsstandort, aber es gibt noch viel zu tun, um diese Position weiter zu verbessern und im Interesse der gesamten Menschheit Entwicklungen voranzutreiben, die unseren Planeten auch in Zukunft bewohnbar machen. Denn Forschung ist am Ende keine politische Frage, keine wirtschaftliche Frage, Forschung ist eine (Über-)Lebensfrage.
1 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Factsheet Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2023, 2024. URL https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:a1e6f3c8-ec5d-465c-84bd-e3a96fd7076f/230522_FTBfactsheet_bf.pdf (abgerufen am 08.04.2024).
2 RJ Dubos. Pasteur in action. Louis Pasteur, Free Lance of Science, 1960.
3 Eurostat. Third quarter of 2023: Government debt down to 89.9% of GDP in euro area - Down to 82.6% of GDP in EU, 2024. URL https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/18357971/2-22012024-AP-EN.pdf. (abgerufen am 05.04.2024).
4 Eurostat. HICP - monthly data (annual rate of change), 2024. URL https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/prc_hicp_manr/default/table?lang=en. (abgerufen am 05.04.2024).
5 Eurostat. Unemployment rate - annual data, 2024. URL https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tipsun20/default/table?lang=en. (abgerufen am 05.04.2024).
6 Henrique Schneider. Bürokratie abbauen - aber wie?, 2022. URL https://www.derpragmaticus.com/r/buerokratie-oesterreich. (abgerufen am 08.04.2024).
7 Daniel Kaufmann, Aart Kraay, and Massimo Mastruzzi. The Worldwide Governance Indicators: Methodology and Analytical Issues. Hague Journal on the Rule of Law, 3 (2):220–246, 2011.
8 Organisation for Economic Co-operation and Development. OECD.Stat Better Life Index, 2020. URL https://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=BLI. (abgerufen am 08.04.2024).
9 The World Bank. Political Stability and Absence of Violence/Terrorism: Percentile Rank - Austria, 2024. URL https://data.worldbank.org/indicator/PV.PER.RNK?most_recent_value_desc=true&locations=AT. (abgerufen am 05.04.2024).
10 Wirtschaftskammern Österreichs. WKO Statistik - Forschungsausgaben: Ausgaben für Forschung experimentelle Entwicklung in URL https://www.wko.at/statistik/eu/europa-forschungsausgaben.pdf. (abgerufen am 08.04.2024).
11 Wirtschaftskammern Österreichs. BIP pro Kopf 2023, 2024. URL https://www.wko.at/statistik/wgraf/2024-14-bip-einwohner-2023.pdf. (abgerufen am 05.04.2024).
My essay discusses reserved optimism as the appropriate response regarding the quality of research opportunities. While acknowledging Austria's historical generosity towards researchers, I also address challenges such as underfunding and a transition to stricter controls, which may jeopardize the country's unique research ethos: a certain flexibility and intellectual freedom that seem important to preserve, especially in the humanities.
Fragt man Brit:innen, wie es ihnen gehe, sagen sie oft: Not too bad. In Österreich formuliert man sein Befinden ähnlich reserviert und manchmal fast mutig, was sich auch als angemessene Antwort darauf, ob Österreich ein guter Forschungsstandort sei, anbietet: Nicht schlecht gehe es einem. Das würdigt die Möglichkeit, hier noch immer qualitätsvoll zu arbeiten, deutet aber ebenso an, dass es vielleicht Anlass zur Frage gab, also Probleme bestehen mögen.
Was man an Österreich schätzen kann – vielleicht sogar lieben, aber das widerspräche dem Reservierten –, das ist die noch in die Gegenwart wirkende Großzügigkeit. Nobelpreiswürdig wurden Forschende in Österreich, da man ihnen zwar nicht immer große Forschungsgelder zur Verfügung stellte, aber sie auch nicht mit Bedingungen behelligte. Auskünfte darüber, was man in einigen Jahren herausgefunden haben werde, entbehren ja nicht einer gewissen Absurdität: als wären eben jene Jahre unwesentliches Beiwerk. Die Entwicklungspläne ignorieren wörtlich, dass etwas, das sich entwickelt, dies nicht planmäßig vollzieht. Evaluationen, die zudem zeitlich vor dem zu Evaluierenden stattfinden, ersparte man jenen, die dann sich und andere überraschten. Diesem Vorgehen eignet etwas, das irritieren kann. Wenn Adorno „eine Wienerische Moira der Lässigkeit, gegen die nichts ankann“1, porträtiert, dann zwar mit Sympathie zumal für Tobischs Wien; dem deutschen Intellektuellen missbehagte aber, wie ein obskurer Fatalismus allein hier all dem Einhalt geböte, was stets schlecht begründbare Forderungen stellt, auch an Forschende.
Gleichwohl möchte ich bei dem Positiven daran kurz bleiben. Denn für manche Forschungen ist wie angedeutet jene Lässigkeit wertvoll. Man sollte sie vielleicht anders benennen, aber an ihr als (Nicht‑)Prinzip festhalten: Gerade in den Geisteswissenschaften sind vor allem Zeit und die Möglichkeit, Bibliotheken und Archive aufzusuchen – wiederum auch eine Zeitfrage –, notwendig. Insofern wäre auch die Frage zu differenzieren: Österreich ist gerade für jene, noch immer, ein guter Forschungsstandort, die in dieser Weise arbeiten, also wenig kostenintensiv sind, ein ruhiges Plätzchen und Zugang zu Quellen benötigen. In Parenthese sei hinzugesetzt: Solche Plätzchen schafft sich manche:r indes auch dort, wo dies fast unmöglich scheint, Grundlagenwissenschaft ist selbstredend auch abseits offizieller Lässigkeit geleistet worden, Albert Müller weist auf die in den 1950/60er Jahren geleisteten Forschungen zur Kybernetik u.a. am MIT hin, „durch die Förderung durch militärische Stellen ermöglicht […], ohne dass die Empfänger dieser Forschungsmittel notwendigerweise einen Beitrag zur militärischen Forschung“2 geleistet hätten.
Österreichisch ist das gleichwohl besonders, auch unter Berücksichtigung der Zeitachse: Gerade Kakanien, all das, was bei Musil als kakanisch beschrieben nicht nur, aber vor allem für Österreich gelte, hat Effizienzprobleme und ist zugleich von unerhörter Effektivität, wenn es um Wirklichkeitsmodelle geht. Musil ist und beschreibt freilich nicht Gegenwart – nicht zuletzt die Zäsur, die der Rechtspopulismus inzwischen zum eigentlichen Österreich stilisieren und fortsetzen will, hat diese Genialität devastiert –; und doch: Vor nicht allzu langer Zeit gab es in Wien, bei Musil sehr passend, einen Sektionschef, der den Germanisten:innen der Universität Wien gesprächsweise beschied, das schwer zu evaluierende Lesen gehöre nicht eigentlich zu ihrem Beruf. Ich kann diese Anekdote nur aus zweiter Hand wiedergeben, jedenfalls wollte er bewirken, dass man die Dienstzeit notfalls untätig im Büro verbringe, statt beispielsweise auf Bibliotheken unkontrolliert zu recherchieren. Es hatte allein dies zur Folge: Man nannte noch Jahre später alle geistlosen Tätigkeiten, denen man vor Ort nachging, den Nachnamen des Sektionschefs gebrauchend *******n. – Man befolgte die sinnlose Anweisung ironisch, mit dem Spottwort statt eines Diskurses.3 Gerade so wurde und wird geisteswissenschaftlich in Österreich viel geleistet, unterfinanziert, aber hinreichend lässig, um eine gewisse Breite und Tiefe zu realisieren.
Österreich hat indes die Ambition, auch anders und ebenso in anderen Bereichen eine Rolle zu spielen: etwa auch dann, wenn jene Anfänge getan sind, von denen bei Nobelpreisträger:innen die Rede war, die eben diese hier unkontrolliert machen dürfen, aber nicht zufällig dann andere Forschungsstandorte aufsuchen. Dann nämlich, wenn sie etwas haben, das einer intensiveren Förderung würdig ist und ihrer auch bedürfte. Sieht man, welche Gelder beispielsweise für KI-Forschung andernorts zur Verfügung stehen, vor allem in prekär privatisierter Forschung, die auf eine gute wissenschaftliche Praxis nur bedingt achten mag, dann ist es erstaunlich, dass Sepp Hochreiter, der hier, unter gut postkakanischen Bedingungen, sehr interessante Modelle entwickelte, nicht längst hernach abgewandert ist, um einmal konkret zu werden: Ohne große Datensätze, die wiederum kostenintensiv sind, sind bestimmte KI-Modelle nicht zu entwickeln. Weniger erstaunlich ist, wie mittelmäßig und doch unter allgemeinem Beifall in Österreich zu diesem Thema sonst oft gesprochen wird, mit zurecht wenig Geldmitteln bedacht.
Das Problem ist eines des Übergangs. Österreich könnte im Begriff sein, nur die besagte Lässigkeit zu verlieren. Kontrolle, bei größeren Projekten und folglich Geldmitteln, die ausgewählt sein wollen, ist unvermeidlich, aber geradezu der Gegensatz zu jenem Vertrauen, man werde schon etwas aus dem Archiv oder dem eigenen Ideenreichtum schöpfen, das bei den geisteswissenschaftlichen Arbeiten finanzierbar ist. Wie schafft man ohne Abwertung dessen, was etwas von einem genialen Dilettantismus hat, jedenfalls von außen, Bedingungen für derlei? Und muss man nicht letztlich doch vertrauen, sind manche dieser Forschungen doch nur von einer kleinen Gruppe Forschender zu bearbeiten und zu evaluieren, zu klein, um beides zu leisten. Und wer evaluierte die Evaluierenden? Wer kommuniziert ferner, dass das Vertrauen begründet sei, gerade angesichts der Vertrauenskrise der Wissenschaft zumal in Österreich, dem Lautwerden meinungsstarker Ahnungslosigkeit?
Denn heute ist die Meinung ohne epistemologischen Skrupel weltweit ein Problem, wiewohl, und das wäre zu Österreich hinzuzusetzen, nicht in allen Regionen Pferdewurmkuren gegen Covid19 eingenommen wurden, was weder den Pferden, bei denen es Ivermectin-Engpässe gab, noch denen, die das Medikament einnahmen, half, sondern nur den Würmern und dem Rechtspopulismus. Wenn sich in Österreich so massiv nicht Wissenschaftsskepsis, sondern schlicht Ahnungslosigkeit gepaart mit dem eisernen Willen, mit Ahnung auch fürderhin nicht behelligt zu werden, ausdrückt, verheißt das für den Forschungsstandort nichts Gutes.
Dagegen setzt Bromme auf „informiertes Vertrauen“4. Seine Formel meint kein Ignorieren des Widerspruchs zwischen Vertrauen und Kontrolle: sondern, für diesen Kontext passend, dass die der Forschung Vertrauenden wissen, inwiefern aus Gründen nicht alle zu allem etwas sagen sollen. Bricht man Forschung auf allen Verständliches herunter, bleiben obskurse Plagiatsjagden übrig, die kaum beurteilen, welchen Wert welche Arbeit hat, sowie unverbindliche Meinungen, die aber auch der gut begründbaren Meinung diese Unverbindlichkeit nachsagen: „That‘s just like, your opinion, man“, heißt es im Film The Big Lebowski, und so klug die Entkoppelung von jedem Affekt, auch Wahrheitspathos, sein mag, die Gleichgültigkeit ist problematisch. Paul Feyerabend meinte mit seiner Rede von Anarchie dagegen, wiewohl man ihn gerne missverstehen wollte, etwas anderes, das schon anklang: die sorgfältige Entwicklung von Forschung, die einerseits durch das, was sie unternimmt, zu Daten kommt, ohne zuvor diese Vorgehensweisen in einem Meta-Universum der Philosophie verortet zu haben, aber andererseits sich die Frage stellt, ob und inwiefern eine Antwort – ein Respons – zu einer Frage oder einem Versuch passen könne.
Mit Feyerabend ginge es also nicht um epistemische Garantien, sondern „eine philosophische Konzeption“5, die Distanz zu sich und ihrem Tun wahrt; gerade diese Enthaltsamkeit macht die Epistemologie aus, die somit zu Unrecht dem „systematischen Epistemologen“ wie die Trickkiste dessen erscheint, der ein „skrupelloser Opportunist“6 ist, so von Feyerabend in einer Fußnote mit Einstein formuliert. Das sei die (Selbst‑)Kontrolle der scientific community.
An dieser scheitert man in Österreich auch noch wegen der Größe des Landes: Spezielle Interessensgebiete und Methoden sind für eine wie immer auf Vertrauen basierende scientific community ohnehin eine Herausforderung, erst recht bei den problematischen Seilschaften, die es vor allem in einem kleinen Land geben könnte. So liegt nahe, dass man entschiedener international wird: Europa, Österreich mit Europa, ist ein besserer Forschungsstandort. Tatsächlich wiederholte sich selbst in diesem Maßstab manches Problem der Unterfinanzierung, im Rahmen einer ungünstigen Konkurrenz mit u.a. den USA und China sowie nicht genuin wissenschaftlichen Systemen.
Damit zu den Vorschlägen, was sich verbessern ließe – sie seien eher knapp aufgelistet:
Vor allem die Begriffe von Vertrauen (und Integrität) sowie Kontrolle wären also – wieder – ernster zu nehmen und genauer zu verstehen.
Ist Österreich ein guter Forschungsstandort? Immerhin einer, wo man sich dies fragt und darauf Antworten findet, darauf, wie das, was nicht allzu schlecht sei, noch besser werden wird. Optimismus kann und muss man haben.
1 Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, ed. Rolf Tiedemann et al., Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 2003 (=stw 1701-20), vol. 10.1, p.424.
2 Albert Müller: Jean Piaget und die Erfindung von Radikalem Konstruktivismus und Kybernetik Zweiter Ordnung. In: Realism – Relativism – Constructivism, ed. Christian Kanzian et al., Berlin, Boston: Walter de Gruyter 2017 (=Publications of the Austrian Ludwig Wittgenstein Society – New Series 24), pp.73-82, p.75.
3 Cf. Martin A. Hainz: Wo die Germanisten *******n – oder: Kakanische Diskursvermeidungen. In: Limbus. Australisches Jahrbuch für germanistische Literatur- und Kulturwissenschaft, Nr 13: Topos Österreich/Topos Austria, 2020, pp.167-182, passim.
4 Cf. zu den Begrifflichkeiten Rainer Bromme: Informiertes Vertrauen. Eine psychologische Perspektive auf Vertrauen in Wissenschaft. In: Wissenschaftsreflexion. Interdisziplinäre Perspektiven zwischen Philosophie und Praxis, ed. Michael Jungert, Andres Frewer & Erasmus Mayr. Paderborn: Mentis Verlag 2020, pp.105-134.
5 Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang, trad. Helmut Vetter & Paul Feyerabend. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 2018 (=stw 597), p.379.
6 Ibid., p.378.
7 Thema der Sitzung der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität vom 11.4.2024.
8 Cf. zu den Impactzahlen, die Kleinteiliges und Teams bevorzugen, oder Drittmitteln, die die Geisteswissenschaften marginalisieren, etwa Konrad Paul Liessmann: Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft. München: Piper Verlag 2009 (=SP 5220), p.125.
9 Anna-Lena Scholz & Martin Spiewak: Danke, NEIN! In: Die Zeit, N° 10, 29.2.2024, p.29.
This essay examines Austria's current standing as a research location through both systemic analysis and personal experiences. While the country boasts notable recent achievements, including Nobel Prize winners and significant amounts of ERC Grant awards, the essay critically discusses substantial, not often discussed systemic barriers that prevent the nation from maximizing its potential in global research. Key challenges discussed include the resistance to internationalization, bureaucratic hurdles, and a conservative academic culture, with consequences including the feudalisation of academia (through the unchallenged emergence of autocratic, all-powerful figures), lowered transparency in decisions and the danger of simply being “too late” in dealing with critical societal crises. The essay proposes actionable steps towards embracing internationalization, reforming immigration processes for researchers, and fostering a welcoming and open-minded academic environment, reflecting on the urgent need for Austria to adapt its vision to compete effectively in the 21st century.
In recent years, Austrian-born and Austrian-based scientists have ascended to the zenith of global recognition, boasting Nobel Prizes and European Research Council (ERC) grants.i These accomplishments pose a provocative question: Is Austria genuinely a beacon of innovation and scholarly excellence, or are these achievements the isolated successes of a few extraordinary individuals? This essay critically examines Austria’s research environment and proposes strategic improvements to enable Austria's rise to a leading global research hub. Importantly, this discussion transcends the common plea for increased funding, which, although frequent, is not the central focus here.
Let us begin with a pivotal observation: while it certainly is valuable that more and more foreign-based scientists with an Austrian background or a history of association to Austrian institutions have become Nobel laureates (where we would have to include not only Ferenc Krausz, Nobel Prize in Physics 2023 but also Emmanuelle Charpentier, the 2020 Chemistry Laureate), to deem these as successes for Austria's scientific landscape lacks ambition. True victories should involve long-term and current affiliations with Austrian institutions (such as Zeilinger’s success in 2022). Nations that primarily celebrate their diaspora’s scientific success often do not lead global scientific and technological development (a reality I, as Portuguese citizen, know well).
Let the Max-Planck Society celebrate Charpentier’s and Krausz’s achievements;ii Austria should focus on a strategy to attract and retain stellar international talent pursuing clear trajectories towards global acclaim. In doing so, we should avoid overly focusing on Nobels and ERC’s: the politics surrounding the Nobel decisions in Stockholm are well-known, and the counting of ERC Grants cannot be the sole metric for gauging scientific policy success (the trend across Europe to effectively delegate tenure decisions to centralized panels in Brussels is actually a source of great concerns; however, it is beyond the scope of this essay to explore this aspect in depth). These elements are but parts of a multifaceted puzzle.
Here lies a crucial intersection. Austria boasts a formidable scientific legacy in the pre WW2-era, a period during which it amassed many of its 22 Nobel Prizes.iii This rich tradition is held in high esteem within many Austrian scientific circles, often evoking a nostalgic longing for past glories. However, such profound reverence for tradition may inadvertently obstruct Austria's path towards a scientific renaissance. This veneration straddles a fine line with conservatism and xenophobia—two of the most insidious threats to innovation and academic progress, as they tend to self-glorify and hinder any discussion aimed at improvement. These forces can (paradoxically) disguise themselves in ever more creative trappings, concealing their true inhibitive nature.
To illustrate, let me share a personal anecdote from 2013, when I was appointed Full Professor of Organic Synthesis at the University of Vienna, my current institution. At 33, I was aware of the significant advancement in my career, succeeding the renowned Johann Mulzeriv and set to become the then youngest Full Professor at the institution. However, my introduction to the faculty was marred by three rumours sparked by my appointment: 1) I had no interest in learning English to teach, 2) I preferred leading an international group, indicating a disinterest in Austrian or Austrian-trained students, and 3) I would leave the university within five years.
The reality that these rumours proved utterly false—notably, I teach “Organische Chemie 2”, in German, since 2014, a majority of my PhD graduates completed their MSc studies at the University of Vienna and, as of 2024, I remain in my faculty position —highlights not just their inaccuracy but also the unsettling impact of my perceived outsider status. The notion that a young, non-native professor could not possibly be fit for such a prestigious role (as I heard several times during my first years in Vienna) speaks volumes about the traditionalist barriers still permeating the institution. The fact that these views were perpetuated not through official channels, but through gossip, underscores a deeper issue of resistance to change within the Austrian academic system.
This anecdote sets the stage for addressing a critical barrier to Austria achieving its potential as a premier scientific hub: a significant resistance to internationalization. It is important to clarify that advocating for internationalization does not imply endorsing an indiscriminate "open door" policy. Rather, advocating for merit-based selection criteria is crucial for enhancing scientific appointments. However, e.g. the pervasive insistence on German as a dominant language throughout the Austrian academic sector starkly illustrates why Austria may seem unattractive to many international researchers: a recent meeting at a (natural sciences) Department of a major Austrian university, to discuss the language of instruction for said Department’s flagship MSc. program resulted in the majority of the colleagues present actually opposing the adoption of English.
Such incidents are symptomatic of a broader issue: the challenge of creating a welcoming culture for international talent. This is epitomized by the (in)famous Magistratsabteilung 35 (MA35), the agency regulating Vienna's immigration policies and access to its labour market, and the primarily traumatic experiences it inflicts mostly (albeit not solely) on non-EU foreigners. My personal observations in this regard reveal a bureaucracy possibly unmatched in its hostility across Europe. The experiences of nearly every non-EU Full Professor in Vienna that I personally know echo this sentiment, suggesting systemic issues with how Austria's institutions perceive and interact with foreign talent.
The oft-ventilated view that foreigners disrupt (or take advantage of) the system and deprive Austrian nationals of opportunities is outdated and counterproductive. The most effective way to cultivate local talent is instead to expose them to international standards and ideas, thereby broadening perspectives. The recent-heard admonishing of two Italian PhD students by administrative staff with the statement, "This is a German-speaking institution: you must speak German here!" illustrates challenges for international students but also for an ever-changing system. Memories of the 18th and 19th century nationalistic ideologies based on “one nation-one language” principles are entirely unfitting for our modern, dynamic societies. To deny the obvious ascension of English to the role of Lingua Franca would be an anachronism: it plays that role not only in international academic communication, but continues to gain importance as a language of instruction in countries where English is not an official language (such as the Scandinavian countries, Holland or Germany).
In light of the challenges discussed, Austria's path forward should center on transformative actions that could usher in a new era of scientific excellence:
Reflecting on whether Austria is indeed a prime location for research?, the answer is nuanced and depends greatly on one's position within the academic hierarchy. For established scholars with robust support networks, Austria offers a vibrant scholarly haven. Yet, for emerging scientists and those from diverse backgrounds, the landscape can be significantly less nurturing. Recognizing this dichotomy is essential as it highlights the gaps in public trust and acceptance of Austrian science. A truly inclusive approach in this context means not just opening doors to international scholars but also deeply integrating their contributions at all levels—from students to senior researchers.
This situation presents both a significant challenge and a tremendous opportunity at the crossroads of tradition and innovation. The resistance to change in entrenched systems, the clinging to outdated traditions, and the slow adaptation to modern educational and research practices are stifling the forward-driving spirit of innovation. Austria's greatest potential lies in breaking these old molds to foster an environment where dynamic, innovative thinkers thrive. The new generations, already active in fields like climate change activism, show little patience for outdated status quos. They are a testament to the urgent need for policies that not only recognize but actively promote a break from the past. If Austria aims to be competitive in the global research arena of the 21st century, we must decide: Do we continue to fight against the tides of change, or do we embrace transformative policies that prepare Austria for a future marked by innovation and inclusivity? As Victor Hugo famously stated, “Nothing is more powerful than an idea whose time has come.” The time for change in Austria’s research landscape is now, and it is unstoppable.
i For an example, see: https://science.apa.at/power-search/8554165393815564373
ii See: (a) https://www.mpg.de/15502390/emmanuelle-charpentier-2020-nobel-prize-in-chemistry; (b) https://m.facebook.com/maxplancksociety/posts/congratulations-we-are-absolutely-overjoyed-that-emmanuelle-charpentier-director/10158474743318376/?_rdr; (c) https://www.mpg.de/20915190/ferenc-krausz-erhaelt-den-physik-nobelpreis; (d) https://www.mpq.mpg.de/6903995/10-nobel-prize-for-the-attosecond
iii Retrieved, e.g. in https://wisevoter.com/country-rankings/nobel-prize-winners-by-country/
iv kMI of the ÖAW: https://www.oeaw.ac.at/m/mulzer-johann
v Göpferich, Susanne (2021): „Die Internationalisierung der Hochschulen und der Umgang mit Mehrsprachigkeit in Studium und Lehre.“ Fachsprache. Journal of Professional and Scientific Communication 43.3–4.
vi JLU (Justus-Liebig-Universitat Gießen) (2016): Internationalisierungsstrategie 2.0. 26.07.2016, retrieved at http://www.uni-giessen.de/internationales/intstrat/strategie
Die in der Überschrift gestellte Frage muss sich darauf beziehen, wie wir gute Forschung definieren. Und selbst wenn das geklärt ist, halte ich die Frage für unklug. Nicht darauf, was ist oder sein soll, muss eingegangen werden, sondern auf die Weise, wie wir gute Forschung in Österreich herbeiführen können. Dabei spielt, so bin ich überzeugt, jede und jeder Einzelne eine entscheidende Rolle, nicht (nur) der institutionelle Kontext. Entsprechend formuliert dieses Essay fünf Appelle, die sich an uns Forscher:innen richten.
Peter Handke erhält einen Nobelpreis für Literatur im Jahr 2019, kurz danach Anton Zeilinger und Ferenc Krausz jeweils einen Nobelpreis für Physik in den Jahren 2022 und 2023. Die Anzahl der ERC-Grants rangiert pro Einwohner:in auf Spitzenniveau (Platz 3)1 und 42 der 7125 meist-zitierten Forscher:innen des Jahres 2023 besitzen direkte Anbindung an Österreich.2 Man mag dies als Erfolg der systematischen Wissenschaftsförderung werten, welche letztes Jahr in Aufwendungen für Forschung und Entwicklung 3,22% des Bruttoinlandsprodukts erreichte. Diese Zahlen erscheinen hervorragend; sie belegen die internationale Anerkennung des österreichischen Forschungsstandortes und den nationalen Willen zu seiner Förderung. Ohne zu klären, was wir unter guter Forschung verstehen, können diese Beobachtungen jedoch nicht beantworten, ob Österreich ein guter Forschungsstandort ist.
Ein Gütekriterium für Forschung ist das Erbringen von dem Gemeinwohl dienenden Leistungen, welche von keiner anderen Seite erbracht werden, ein anderes das Wirken in die Wirtschaft. Alternativ könnte man annehmen, und diese Ansicht unterstütze ich, dass gute Wissenschaft die Wissbegierde des Menschen stillt, denn der Mensch ist ein kulturelles Wesen und Wissenschaft Teil unserer Kultur. Gütekriterien müssten sich dann auf die Frage des Wie und Warum beziehen: Wie ist das Universum aufgebaut und warum halten Atome zusammen? Wie kann die Vermutung von Hodge bewiesen werden? Wie entsteht Sprache und warum hat L’art pour l’art im Kontext der Wiener Moderne Bedeutung erlangt? Ohne mit kurzfristigem Erfolg in Verbindung gebracht zu werden, würde gute Forschung dann nach neuen Einsichten suchen. Sie wäre vom Unerwartbaren geprägt.
Betrachten wir also Wissenschaft als kulturelle Erscheinung. Dann kann eine Antwort auf die Frage, was gute Forschung auszeichnet, nicht unabhängig von unserer Kultur sein ohne einem Ethnozentrismus zu erliegen. Vielmehr muss eine Antwort im kulturellen Kontext ausgehandelt werden. Präzisierend müssten wir folglich formulieren: Ist Österreich ein Forschungsstandort, welcher den sozial ausgehandelten Gütekriterien von Forschung entspricht?
Die zuvor gestellte Frage ist eine hervorragende, wenn auch leider die falsche. Falsch, weil sie davon ausgeht, dass ein deterministischer oder zumindest stark ausgeprägter Einfluss der Forschungsumgebung auf die Güte individueller Forschung existiert. Um es mit den Worten Benjamin Disraelis zu sagen: „Man is not the creature of circumstances. Circumstances are the creatures of men.“3 Natürlich kann Disraelis Aussage in diesem Kontext nicht umfänglich zugestimmt werden, denn die Abwesenheit guter kontextueller Bedingungen wie der finanziellen Förderung von Open-Access-Publikationen, der Ausstattung des Arbeitsplatzes und verfügbarer Reisemittel können die individuelle Handlungsfähigkeit beeinträchtigen. Gute Wissenschaft setzt jedoch zwangsläufig Agency, also Handlungsvermögen der individuellen Wissenschaftler:in, voraus. Genau deshalb obliegt es den Individuen, ihren eigenen Kontext mitzugestalten. Erscheint nicht deshalb die Frage wichtiger, wie wir an den österreichischen Forschungseinrichtungen unser Umfeld formen und was wir aus ihm machen?
Im Sinne des vom gebürtigen Wiener Paul Feyerabend geprägten wissenschaftlichen Anarchismus stellt eine Homogenisierung des Umfeldes nicht immer die richtige Lösung dar. In seiner Schrift über die Methoden der Wissenschaft nennt er „anything goes“ als „[t]he only principle that does not inhibit progress“4 ; gemeint ist keine Beliebigkeit, sondern die individuelle und gerechtfertigte Anpassung des Methodenspektrums auf dem Weg zur Erkenntnis. Fachkulturen, individuelle Untersuchungsgegenstände und Präferenzen spielen dabei eine große Rolle. Nicht ohne Grund ist daher die Freiheit der Wissenschaft durch das österreichische Staatsgrundgesetz geschützt: „Artikel 17. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ Dies allein garantiert jedoch noch keine gute Forschung. Entsprechend einfach sind Fehlschlüsse. Wie diese aussehen und welche Probleme sie implizieren, diskutieren wir im Folgenden.
Wie gute Wissenschaft in Österreich aber auch international ermöglicht werden kann, ist Gegenstand vieler Arbeitsgruppen, Debatten und Initiativen.5 Manchmal treffend, manchmal unpassend und zumeist dazwischen ist das, was diskutiert, entschieden und gefordert wird. Immer dann, wenn eine vorgeschlagene Maßnahme offensichtlich gut erscheint, bei genauerem Hinsehen jedoch elementare Schwächen offenbart, könnte man von einer Wissenschaftsfalle sprechen. Ähnlich einer Mausefalle lässt sie uns auf dem Weg zum Käse in eine unvorteilhafte Situation stolpern, nur ist die Falle statt mit Käse mit falschen Anreizen und Versprechungen guter Wissenschaft ausgestattet.
Da ist der oft wiederholte und im Wissenschaftssystem anderer Länder gelebte Vorschlag, Gemeinwohl statt übertriebene Wettbewerbsorientierung in den Mittelpunkt zu rücken. Auch wenn einleuchtet, dass in der Wissenschaft erbrachte Leistung im gesellschaftlichen Kontext stehen muss und übertriebener Wettbewerb vielfältige irreparable Schäden verursachen kann (Burnout bei Tenure-Track-Positionen, eine hohe Anzahl von Projektanträgen statt inhaltlicher Arbeit, etc.), also das jetzige System an seine Grenzen stößt, kommt die Ablöse von Wettbewerb um wissenschaftliche Qualität durch Wettbewerb um Gemeinwohl einer Intensivierung der Aufmerksamkeitsökonomie gleich. Die bei unseren deutschen Nachbarn im Wissenschaftsrat geführte Diskussion zum Gemeinwohl führt beispielsweise schon der Überschrift nach zur „Governance“.6 Dass wir davon in Österreich teilweise verschont geblieben sind, ist positiv zu werten.
Eine weitere Wissenschaftsfalle ist der Versuch, durch neue Metriken die Qualität von Forschung besser messbar zu machen. Trotz sinnvoller Intentionen werden viele neue Probleme aufgeworfen, denn aufgrund des Fehlens einer breit anerkannten inhaltlichen Methodologie sind viele der vorgeschlagenen Kennzahlen wieder quantitativ und oberflächlich gestaltet. Mitunter können sie Motivation sein, durch eine größere Anzahl von Autoren die Anzahl individueller Zitationen eines Papiers zu steigern, Zitierzirkel zu etablieren und durch entsprechende Medienberichte gesteigerte Aufmerksamkeit als Indiz für inhaltliche Güte zu werten. In die Förderlandschaft mancher Länder hat diese Praxis in Form von DORA7 bereits Einzug gehalten, führt aber nicht unbedingt zu sachbezogeneren Bewertungen. Ob diese Probleme DORA-immanent sind oder nur Ergebnis eines unsachgemäßen Umgangs mit DORA, bleibt zu prüfen. Das Eingeständnis, dass die Qualität von Forschungsergebnissen nicht unbedingt mit ihrem (quantitativen) Anklang in der Disziplin korreliert und eine adäquate Bewertung immer und ausschließlich inhaltlich erfolgen kann und daher zeitintensiv ist, wäre hilfreicher.
Schließlich ist eine zunehmende Standardisierung im Rahmen der Internationalisierung zu beobachten. Obgleich eine Harmonisierung der internationalen Forschungslandschaft begrüßt werden muss, sollte kritisch hinterfragt werden, inwiefern das Nachahmen anderer Wissenschaftssysteme (wie dem der USA, UKs oder Deutschlands) und die Übernahme ihrer Standards zu Verbesserungen führt. Eine zunehmende Verschulung, teilweise Aufgabe des Humboldtschen Bildungsideals und schwindende Vielfalt (z.B. Englisch als häufig alleinige lingua franca) sind nur einige der möglichen Folgen. Mir erscheint, als ob unsere Forschungslandschaft dauerhaft von einer klug und selbstbewusst gewählten, stets im Kontext anderer Wissenschaftssysteme gedachten Weiterentwicklung profitieren würde, ohne letztere dabei notwendigerweise nachzuahmen. Denn wer immer nur nachläuft, wird nie erster sein.
Wissenschaftsfallen zu entkommen, ist nicht hinreichend für gute Forschung. Andernfalls nähme man an, die Probleme eines Forschungsstandortes seien struktureller Natur und politische Entscheidungen maßgeblich für dessen Güte. Damit bin ich nicht einverstanden. Vielmehr appelliere ich an jede Forscher:in in Österreich und darüber hinaus, das eigene Umfeld geeignet zu formen. Nur dadurch, so bin ich der festen Überzeugung, ermöglichen wir Praktiken der guten Forschungen und erreichen internationale Spitzenresultate.
Lassen wir Wissenschaft für sich sprechen! Wissenschaftliche Forschung ist alles andere als trivial. Sie ist häufig langfristig gedacht, richtet sich am Erkenntniswert statt direktem Nutzen aus und geht neue Wege. Daher sollten wir ein Umfeld der Wertschätzung von Wissenschaft, nicht des „Drumherums“, etablieren.
Lassen Sie uns Mut beweisen hinzuschauen! Es ist leicht, Maßzahlen zu vergleichen, viel schwerer hingegen, eine inhaltliche Bewertung vorzunehmen, denn der nötige Zeiteinsatz ist größer und die resultierende Begutachtung potentiell umstrittener. Versuche, Nichtquantifizierbares dennoch zu quantifizieren, müssen scheitern. Dass eine Absage an pauschalisierende und somit unsinnigen Rankings auch im internationalen Kontext möglich ist, wird am Beispiel der Universität Hamburg deutlich.8 Eine solche Haltung entsteht allerdings schon im individuellen Umfeld. Lassen Sie uns daher die nächsten Publikationen vollständig lesen statt mit Metriken zu urteilen.
Lassen Sie uns wagen, Wissenschaft ganz verschieden zu denken! Es braucht Mut, anders zu denken und neue Wege zu gehen. Zu groß ist das Risiko unterzugehen. Mit der Masse mitzuschwimmen bietet einen scheinbar größeren Schutz. Allerdings kann Wissenschaft nur erfolgreich sein, wenn wir den Mut, Risiken einzugehen, wertschätzen. Lassen Sie uns unkonventionelle disziplinäre Ansätze ebenso denken wie interdisziplinäre Herangehensweisen.
Lassen Sie uns ein Klima der gegenseitigen Wertschätzung entstehen lassen! Es ist leicht, jedes zu begutachtende Manuskript und jede erfolgte Veröffentlichung in Anbetracht vielfältiger Kriterien zu zerreißen. Niemand kennt die gesamte Literatur, zahlreiche Autor:innen sind keine Muttersprachler:innen und von kleineren Ungenauigkeiten kann sich niemand freisagen. Es muss keinen Widerspruch darstellen, scharfsinnig zu hinterfragen und gleichzeitig eine wohlwollende, im Sinne der Autor:in erfolgte Interpretation zu wählen. Nur mit gegenseitiger Wertschätzung können wir gemeinschaftlich vorankommen. Lassen Sie uns daher kluge Ideen schätzen, unabhängig davon, von wem sie stammen.
Lassen Sie uns auf das fokussieren, was wichtig ist und wir hervorragend können: Forschung und Lehre! Forschende sind zumeist keine ausgebildeten Programmierer-, Berater- oder Verfahrenstechniker:innen. Wir sind ausgebildet für Forschung und Lehre. Warum sollten wir dann nicht den Fokus auf die Bereiche legen, in denen wir stark sind? Zwar erscheint es vielen im Alltag leicht, sich den schwierigen Aufgaben in der Forschung durch das Schaffen von Infrastruktur, dem Verfassen von Anträgen, der umfangreichen Kooperation mit der Industrie und Ausgründungen zu entziehen, doch wird nicht der gesellschaftliche Mehrwert dann maximiert, wenn wir unseren eigentlichen Stärken nachgehen?
Ich halte es in Analogie zu Nietzsche: Ein Gedankenexperiment sollte ein Nachwort sein für einen Appell.9 Vorbereitend hierfür zunächst ein paar Feststellungen in Bezug auf Projektanträge: Aktuell sind niedrige Bewilligungsquoten zu beobachten,10 weshalb das Verfassen eines Projektantrages einen relevanten Teil der Fördersumme widerspiegelt und der Forschung kostbare Zeit entwendet. Vorarbeiten werden dabei häufig durch geschickt gewählte Koautorschaften nachgewiesen und somit starke Kontinuität gefördert. Die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen ist der Absehbarkeit des Erfolgs, einem Widerspruch in der Forschung, gewichen. Und schließlich begünstigt die Bewertung in disziplinären Fachgremien Mainstream und Disziplinarität. Nicht zuletzt deshalb hat sich ein „Antragsbusiness“ entwickelt: Mitunter verfassen Firmen Projektanträge, zumindest aber erfolgen professionelle Schulungen für Wissenschaftler:innen.
Was aber würde passieren, wenn Anträge ganz anders gedacht würden? Für unser Gedankenexperiment schlage ich vor, dass statt einem Projektantrag nur eine einseitige Projektskizze ohne tiefergehende Begutachtung hinterlegt wird. Der Forscher:in wird das Vertrauen geschenkt, inhaltlich sinnvoll ein Projektteam anzuleiten und darin zu arbeiten.11 Denn eigentlich, so müsste man annehmen, sollte jeder postdoktoralen Forscher:in mit Anstellung an einer österreichischen Forschungseinrichtung selbständige Forschung zugetraut werden, denn die Eignung hat sie hierfür bereits nachgewiesen. Nach der Projektlaufzeit werden die Herangehensweisen, die Ergebnisse und die unerwarteten Abzweigungen durch die internationale Forschungsgemeinschaft begutachtet. Der Fokus läge dabei auf abgeschlossenen (und daher inhaltsschweren) Arbeiten, es gäbe eine breitere Akzeptanz für neue Ideen (vor allem, wenn diese zum Erfolg beigetragen haben) und der Zeiteinsatz wäre geringer – die Antragsstellenden würden vor Projektbeginn nur eine Skizze einreichen und die Gutachter im Idealfall ausschließlich inhaltlich interessante Publikationen lesen. Nun mag man den Einwand fehlender Selektion erheben. In gewissem Sinne ist dies korrekt, denn zu starke Selektion würde zu einschränkenden Sichtweisen führen und neue Ideen partiell unterdrücken. Andererseits würde das Gedankenexperiment hierfür Konsequenzen bei mehreren hintereinander durchgeführten und als schlecht bewerteten Projekten vorsehen, nämlich den Wegfall der grundsätzlichen Förderwürdigkeit oder eine Umstellung auf deutlich längere Projektanträge. Ein Modell der Zukunft?
1 parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2023/pk1293
2 clarivate.com/highly-cited-researchers
3 B. Disraeli: Vivian Grey. London, 1906, Buch VI, Kapitel 7
4 P. Feyerabend: Against Method. 3. Ed. London, 1983, 14ff
5 z.B. nuwiss.at
8 uni-hamburg.de/newsroom/presse/2012/pm75.html
9 „Ein Scherz ist ein Nachwort zu einem Gefühl.“
10 25% beim FWF, 2022 (fwf.ac.at/ueber-uns/zahlen-und-daten); 15% beim ERC, 2022 (erc.europa.eu/news-events/news/applications-erc-starting-grants-2023-facts-and-figures)
11 Wenn es zu den Aufgaben gehört, Dissertant:innen zu betreuen, warum muss eine Betreuer:in dann mittels einem Projektantrag darum bitten, ihren Aufgaben nachgehen zu dürfen?
Austria is one of the countries in the European Union with the highest levels of public investment in research and innovation. In parallel, the country has preserved the right to learn through offering tuition-free higher education to all, making it one of the most attractive destinations for foreign students while ensuring wide access to higher education among its own population. With the capital of Vienna consistently voted the most livable city in the world over the past decade, one can easily assume that Austria should be among the best destinations for researchers. While there is undoubtedly agreement that it is among the leading European countries in higher education and research, this essay claims that, especially from the perspective of a foreign early career researcher, there are still three key priority areas for further development: employment stability; academic freedom; and transdisciplinarity and mobility.
Having arrived in Vienna in the autumn of 2020, on a mobility grant for the write-up phase of my PhD for a couple of months, I remain here four years later. Even before my Central European Exchange Program for University Studies (CEEPUS) grant expired, I found a Postdoctoral Fellow position at the Central European University. Two years and some months later, as funding for the project ended, I have continued in Vienna as an independent researcher and expert in the field of higher education, while waiting for funding results for my new postdoctoral research project. My positionality thus brings a specific perspective to this essay. Without aiming to claim full scientific rigor for the paper, this essay aims to highlight this specific perspective in its reflections on possible priority areas for the further development of Austrian higher education and research.
Austria is certainly in good standing as a research location, comparatively speaking. If we focus on the European landscape, we could easily claim that Austria is among the best destinations for researchers, and not only for its beautiful landscapes and the comfortable life in Vienna. According to data from 2019, as presented on the website of the Austrian Federal Ministry of Education, Science, and Research, within the diverse sector of public universities, universities of applied sciences, university colleges of teacher education, private universities, and businesses and research entities—including institutions conducting non-university research like the Austrian Institute of Technology (AIT) and the Austrian Academy of Sciences – there were over 83,000 people employed. However, for a social scientist like me, the public sector stands as a preferential – if not the only – option for employment, and so this essay will keep its focus on the perspectives of social scientists aspiring for employment in the public sector of higher education and research.
In the last decade, Austria has joined the club of the largest investors in higher education and research in Europe, raising its funding beyond the growth of student numbers, which seems to have stabilized since 2010, and beyond its economic growth. Austria invests 3.22% of its GDP in higher education and research, which is above the European Union (EU) target of 3% (Public Funding Observatory 2024). Even if the latest data is lacking, we can imagine that these high levels of investment have remained, albeit likely eroded significantly by the high inflation which has plagued Austria in recent years.
Numerous governmental policy initiatives1 testify to the decisiveness of Austrian political and expert elites to continue strengthening higher education and the research sector in the country. This is also reflected in, for example, Austrian institutions’ high levels of participation in Horizon Europe projects, and Austrian-based scholars receiving ERC grants being among the top ten EU countries (per million inhabitants).
Nevertheless, focusing exclusively on excellence does not constitute a sound long-term strategy for higher education and research, another of the country’s achievements. Austria preserved the freedom to learn, resisting the pressure to introduce tuition fees for bachelor’s and master’s studies, ensuring education remains accessible to all talents and diversifying the student – and consequentially researcher – body. Accessibility to knowledge for all, regardless of their socioeconomic background, social class, origin, or nationality, embodies the understanding of knowledge as a public good. While in the EU there is a proposal on the table to include a fifth freedom – freedom of research, innovation, and education – into the Single Market (Letta 2024: 7), research and higher education must remain more than just a market with the freedom to provide services.
As high-level policies often do not fully comprehend the reality on the ground, or simply do not manage to produce their intended results, some recent trends have worsened the situation regarding specific areas of most urgent concern, especially for early career researchers. These are areas on which Austria also should focus: employment and working conditions; academic freedom; and transdisciplinarity and mobility, all three areas being intrinsically interconnected.
Staffing autonomy, one of the key elements of institutional autonomy as understood by the European University Association (Pruvot et al. 2023), has increased in Austria: the 2019 University Act introduced “opportunity hiring” for a maximum 5% of academic staff, with the aim of attracting top researchers providing the possibility of offering tenured instead of short-term contracts, based on the criterion of excellence. However, the “regular” employment situation remains worrisome: only 21.4% of the entire scientific staff have a permanent contract, while 78.6% are scientific staff with a fixed-term contract (BMBWF Universitätsbericht 2020: 83). An amendment to the University Act, adopted in 2021, §109 (Universitätsgesetz 2002), introduced legal restrictions on the maximum duration of employment on fixed-term contract, setting it for eight years total, regardless of interruptions. Even if adopted with the best intentions of inciting higher education institutions to provide permanent contracts, the effect was the opposite: academic staff were forced to leave higher education and research, or leave the country altogether.
These problematic trends have been confirmed by the latest study on employment at the University of Vienna (Partheymüller and Dannecker 2024), showing that there is a loss of quality in teaching and the imposition of serious career challenges for early career researchers. In an appropriate reaction, the Ministry of Education, Science, and Research has announced that there will be an introduction of quotas for fixed-term contracts from 2025, as part of the performance agreements between the Ministry and universities for 2025–2027 (Der Standard 2024).
Aside from this welcome move, pressures for more transparent recruitment and promotion practices should be implemented. For example, it would be a reasonable demand for selection committees to submit an elaborate argumentation for the choice of their preferred candidate, as compared to all shortlisted interviewed other candidates.
The urgency of stronger policies for transparent, stable employment and career progression, as well as working conditions, in Austria has been supported by numerous recent EU policies: these include the 2020 European Commission Communication on “A new ERA for Research and Innovation,” and the Council Conclusions of May 2021 on “Deepening the European Research Area: Providing researchers with attractive and sustainable careers and working conditions and making brain circulation a reality.” Highly precarious employment and working conditions have long-term consequences for researchers themselves and their physical and mental health, let alone work-life balance and family life, or for early career researchers even the prospect of having a family. They also have long-term consequences for the quality of teaching and quality of research. It is impossible to claim favorable conditions for academic freedom in an atmosphere where researchers are forced to live precarious lives.
Fundamental values have recently come to the forefront of European policies, most notably academic freedom/freedom of scientific research. Even if they were an integral part of the Bologna Process and the subsequent building of the European Higher Education Area, the Rome Communiqué (2020) provided a definition of academic freedom as “freedom of academic staff and students to engage in research, teaching, learning and communication in and with society without interference nor fear of reprisal” (EHEA 2020). Policies aiming to create strong synergies between the European Higher Education Area (EHEA) and the European Research Area (ERA) have also strengthened the demands for academic freedom through the adoption of the Bonn Declaration on Freedom of Scientific Research (2020), all anchored in Article 13 of the Charter of Fundamental Rights of the European Union.
While the Austrian legal framework strongly promotes academic freedom (Universitätsgesetz 2002; Basic Law on the General Rights of Nationals), according to the Academic Freedom Index 2024, academic freedom in Austria is in slow decline. The need for more attention given to academic freedom at the institutional level (Maasen et al. 2023), as well as incidents of online and offline hate speech toward scientists during the Covid crisis, cancelations and demands for cancelations of some lectures and lecture series, and the presence of police during peaceful student protests, have all contributed to this worrying trend.
However, the precarious employment and working conditions outlined above also play a significant role in limiting and infringing academic freedom. Scholars who are marginalized, either because of an economic situation dictated by their non-tenured working conditions or their positionality (resulting from gender, ethnicity, citizenship status, language skills, etc.), are often not considered worthy in the social and institutional struggle for academic freedom, leading to epistemic injustices (Fricker 2007), or more precisely academic injustices (Popović 2022). Due to their precarious positionality, early career scholars have little or no support for the protection of their academic freedom. Accordingly, they invest themselves in practices of self-censorship, avoiding controversial – but also innovative and disruptive – topics, in order to secure their professional future. Highly dependent on support from their senior colleagues, early career scholars thus find themselves in a perpetual state of replicating safe or fashionable areas of research, instead of being the engines of originality and progress in science and research.
For progress to truly take off, the strong boundaries between disciplines – a landmark of the Germanophone scientific tradition – need to be dismantled. Both ERA and Austrian research policies have recognized the need to promote international transdisciplinary and intersectoral mobility, as well as increasing permeability between career paths. And yet we are left with an opposing reality on the ground. Recent studies show how multidisciplinarity endangered career progression and success, penalizing transdisciplinary scholars (Fini et al. 2022), as well as hindering mobility (Seeber et al. 2023). Using the example of the Flemish university system (the Dutch-speaking part of Belgium), it has been shown that holding a foreign nationality reduces the chances of a postdoc becoming assistant professor by 67% and of an associate professor becoming a full professor by 41%, while remaining at one’s alma mater instead of choosing mobility immensely increased the chances of future stable employment (ibid.). Even if these studies were conducted outside of Austria, they show us relevant areas of concern.
If Austria were to develop and install progressive policies assuring the prevention of penalization of transdisciplinarity, mobility, foreign origin of researchers, and lack of (fluent) knowledge of the German language; encouraging transsectoral mobility and untraditional career paths; and providing transferability of social protection rights across all types of employment and self-employment statuses and sectors, it would definitely put Austria at the top of the list of more attractive destinations for researchers.
---
Movements toward greater transparency and stability of employment, alongside greater openness to offbeat career paths and research ideas, would all improve the academic freedom of early career researchers, thereby securing not only the greater attractiveness of Austria as a research destination, but also setting a more certain course for a bright future of research and innovation in the country: because, as always, investing in youth means investing in the future. And most of the early career researchers that I have encountered in Austria, including myself, hope to be a part of that future.
1 To name only some strategically relevant recent policies: Action Plan for the European Research Area (ERA-NAP) 2022–2025; RTI Strategy 2030; National Mobility and Internationalization Strategy for Higher Education 2020–2030; Research Infrastructure Action Plan 2030; etc.
Academic Freedom Index. “Academic Freedom Index.” Accessed April 23, 2024. https://academic-freedom-index.net/.
Basic Law on the General Rights of Nationals, Imperial Legal Gazette No 142/1867. Accessed April 24, 2024.
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Erv/ERV_1867_142/ERV_1867_142.html “(befristete) Dienstverhältnisse an Österreichischen Universitäten | Parlament Österreich.” Accessed April 29, 2024. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/17115.
“BL13-News 02 (en).” Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Accessed April 24, 2024. https://unigewerkschaft-bv13.goed.at/aktuelles/bl13-news-02-en.
Bonn Declaration on Freedom of Scientific Research. Adopted at the Ministerial Conference on the European Research Area. 20 October 2020. Accessed April 24, 2024. https://mbucas.cz/wp- content/uploads/2023/12/Bonner_erklaerung_en_with-signatures_maerz_2021.pdf
Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG) Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Universitätsgesetz 2002, Fassung vom 29.04.2024. Accessed April 24, 2024. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20002128
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Universitätsbericht 2020. Wien. Accessed April 20, 2024. https://www.bmbwf.gv.at/Themen/HS-Uni/Hochschulgovernance/Steuerungsinstrumente/Universit%C3%A4tsbericht.html
“Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions: A new ERA for Research and Innovation.” EUR-Lex, September 9, 2020. Accessed April 24, 2024. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=COM%3A2020%3A628%3AFIN.
Council of the European Union. “Council Recommendation of 18 December 2023 on a European Framework to Attract and Retain Research, Innovation and Entrepreneurial Talents in Europe.” European Sources Online, December 29, 2023. Accessed April 24, 2024. https://www.europeansources.info/record/proposal-for-a-council-recommendation-on-a-european-framework-to-attract-and-retain-research-innovation-and-entrepreneurial-talents-in-europe/.
Directorate-General for Research and Innovation (European Commission). Towards a Reform of the Research Assessment System: Scoping Report. Publications Office of the European Union, 2021. https://data.europa.eu/doi/10.2777/707440.
EHEA. Rome Ministerial Communiqué and Annex I. Accessed April 20, 2024. https://www.ehea.info/Upload/Rome_Ministerial_Communique.pdf
European Union. 2010. Charter of Fundamental Rights of the European Union. Official Journal of the European Union C83. Vol. 53. Brussels: European Union.
Federal Ministry of the Republic of Austria of Education, Science and Research. “Research Funding and key research funding agencies.” Accessed April 20, 2024. https://www.bmbwf.gv.at/en/Topics/Research/Research-in-Austria.html.
Fini, Riccardo, Julien Jourdan, Markus Perkmann, and Laura Toschi. “A New Take on the Categorical Imperative: Gatekeeping, Boundary Maintenance, and Evaluation Penalties in Science.” SSRN Scholarly Paper. Rochester, NY, May 7, 2022. https://papers.ssrn.com/abstract=4102384.
Fricker, Miranda. Epistemic Injustice: Power and the Ethics of Knowing. Oxford: Oxford University Press, 2007. doi.org/10.1093/acprof:oso/9780198237907.001.0001.
“Improving Conditions for Research Careers in Europe: Council Adopts Conclusions.” Council of the EU, May 28, 2021. Accessed April 26, 2024. https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2021/05/28/improving-conditions-for-research-careers-in-europe-council-adopts-conclusions/.
Letta, Enrico. Much More than a Market. Speed, Security, Solidarity. Empowering the Single Market to deliver a sustainable future and prosperity to all EU Citizens. April 2024.
Maasen, Peter, Martinsen, Dennis, Elken Mari, Jungblut Jens, and Elisabeth Lackner. State of play of academic freedom in the EU Member States. Overview of de facto trends and developments. Scientific Foresight Unit (STOA). Panel for the Future of Science and Technology. European Parliamentary Research Service. March 2023. Accessed April 24, 2024. https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2023/740231/EPRS_STU(2023)740231_EN.pdf
Partheymüller, Julia, and Petra Dannecker. “Zur Beschäftigungssituation im Mittelbau an der Universität Wien: Ergebnisse der Befragung.” April 15, 2024. https://doi.org/10.31235/osf.io/wce5q.
“Polaschek plant ab 2025 Höchstquoten für befristete Uni-Verträge.” Der Standard, April 20, 2024. Accessed April 29, 2024. https://www.derstandard.at/story/3000000215214/polaschek-plant-ab-2025-hoechstquoten-fuer-befristete-uni-vertraege.
Popović, Milica. “Academic Freedom and Epistemic Injustice.” Alternator. Accessed April 29, 2024. https://www.alternator.science/sl/daljse/academic-freedom-and-epistemic-injustice/.
“Proposal for a Council Recommendation on Attractive and Sustainable Careers in Higher Education.” European Education Area, March 27, 2024. Accessed April 29, 2024. https://education.ec.europa.eu/document/proposal-for-a-council-recommendation-on-attractive-and-sustainable-careers-in-higher-education.
Pruvot, Enora Benettot, Estermann, Thomas and Nino Popkhadze. University Autonomy in Europe IV. The Scorecard 2023. Brussels: European University Association. March 2023. Accessed 20 April 2024. https://eua.eu/downloads/publications/eua%20autonomy%20scorecard_2024%20update.pdf
“Public Funding Observatory.” European University Association. Accessed April 23, 2024. https://eua.eu/resources/projects/586-public-funding-observatory.html.
“ResearchComp: The European Competence Framework for Researchers.” European Commission. Accessed April 24, 2024. https://research-and-innovation.ec.europa.eu/jobs-research/researchcomp-european-competence-framework-researchers_en.
Seeber, Marco, Noëmi Debacker, Michele Meoli, and Karen Vandevelde. “Exploring the Effects of Mobility and Foreign Nationality on Internal Career Progression in Universities.” Higher Education 85, no. 5 (May 1, 2023): 1041–81. https://doi.org/10.1007/s10734-022-00878-w.
Es handelt sich hierbei um die unveränderten Originalbeiträge.