17.02.2022 | Studienstiftungsgespräche

Wie haben Sie das gemacht, Herr Hahn?

Johannes Hahn, ÖVP-Politiker und EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung, diskutierte mit sieben jungen Studienstiftler/innen der ÖAW über das EU-Budget, das strenge Auswahlverfahren für EU-Kommissare, die Zukunft der Nationalstaaten und warum er unter der Dusche die besten Ideen hat.

ÖVP-Politiker und EU-Kommissar Johannes Hahn stellte sich den Fragen der jungen Studienstiftler/innen der ÖAW
ÖVP-Politiker und EU-Kommissar Johannes Hahn stellte sich den Fragen der jungen Studienstiftler/innen der ÖAW © ÖAW/Daniel Hinterramskogler

„Es ist immer wieder schön, in die Österreichische Akademie der Wissenschaften zurückzukehren“, sagt ÖVP-Politiker Johannes Hahn beim Treffen mit den jungen Studienstiftler/innen der ÖAW im Hauptgebäude am Dr. Ignaz-Seipel-Platz.  Hahn war von 2007 bis 2010 Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, er kennt die ÖAW also gut. Seit 2010 ist er als EU-Kommissar tätig und viel auf Reisen. Umso erfreulicher ist es, dass er trotzdem Zeit gefunden hat, sich im direkten Gespräch den Fragen der angehenden Studierenden zu stellen.

„Ich gehöre zur seltenen Spezies, die immer zwischen Politik und Wirtschaft gependelt ist“, sagt Hahn und erzählt zu Beginn ein wenig über seine Arbeit als EU-Kommissar. Seine Schwerpunkte seien in den letzten Jahren die Pandemiebekämpfung und deren gesundheitlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen gewesen. „2020 haben wir 32.000 Leute binnen einer Woche in Teleworking geschickt, und das dauert bis heute an. Ich sehe es positiv, dass nicht jede Reise notwendig ist, dass man sich auch über Video austauschen kann.“ Zugleich betont Hahn aber auch die Grenzen dessen: „Um kreative Prozesse zu gestalten, kommt man um persönliche Begegnungen nicht herum. So bekommt man Stimmungen und Reaktionen mit, am Bildschirm geht das weniger gut.“ Hahn lädt deshalb auch die anwesenden Studienstiftler/innen ein, als Trainees in die EU-Kommission zu kommen. „Zwei Schwerpunkte und aktuelle Aufgaben unserer Politik sind unter anderem, den grünen Wandel zu begleiten und zu organisieren und in die Digitalisierung zu investieren.“ Er ist fünf Jahre im Amt, in der EU arbeitet man an Budgets für sieben Jahre.

Das Fragen-Ping-Pong beginnt

Eine Studentin der Montanuniversität Leoben möchte dazu wissen, wie in der EU geplant wird und wie flexibel man dabei ist. „Wir haben im Sommer 2018 einen Vorschlag für das Budget 2021 bis 2027 gemacht“, erklärt Hahn. 2020, in den finalen Verhandlungen, ist die Pandemie ausgebrochen. „Wir haben dann eine zusätzliche Finanzierung von 800 Milliarden Euro beschlossen, die Mitgliedsstaaten helfen soll, nicht nur aus der Pandemie herauszukommen, sondern auch wettbewerbsfähiger zu werden.“ Überhaupt sei das Ziel, etwas zu initiieren, das dauerhaft sein soll. „Für viele Länder ist diese EU-Förderung die Butter aufs Brot, regionale Budgets sind bis zu 90 Prozent vergeben, für neue Initiativen ist da relativ wenig Spielraum.“

Ein Student fragt, was Hahn sein Studium der Philosophie gebracht hat. „Ich habe ja eigentlich Philosophiegeschichte studiert“, sagt Hahn. „Und dabei gelernt, dass man über Dinge nachdenkt. Ich nehme mir am Tag ein bis zwei Stunden, meist am Abend, um über etwas nachzudenken. Mein kreativer Moment ist in der Früh unter der Dusche: Den Rest des Tages verbringe ich damit, diese kreativen fünf Minuten mehrheitsfähig zu machen.“

Und wie wird man überhaupt EU-Kommissar im Unterschied zu einem Staatsminister? „Als Minister wurde ich am Dienstag gefragt und am Donnerstag angelobt“, sagt Hahn. „Das war ein relativ langer Vorlauf, andere hatten nur acht Stunden Zeit.“ Auf EU-Ebene würde man vorher auf Herz und Nieren getestet. Beim Hearing im EU-Parlament wird die persönliche Integrität ebenso überprüft wie die fachliche Kompetenz in einem öffentlichen Webstream, der vier Stunden dauert. „Nach einem Einleitungsstatement folgt das Fragen-Ping-Pong, man hat maximal zwei Minuten für jede Antwort. Und soll vermitteln, dass man die Materie im Griff hat. Dann entscheidet das Komitee, es gibt jedes Mal auch zwei, drei, die nicht bestehen. Ich fühle mich stärker legitimiert als zu dem Zeitpunkt, als ich als Minister ins Amt gekommen bin.“

Menschenrechte und europäisches Verhalten

Ein Philosophie-Student aus Wien spricht das Thema Menschenrechtsverletzungen an und möchte wissen, was getan werden kann, um den ethischen Standards des EU-Projekts gerecht zu werden. „Das ist eine ständige Herausforderung“, sagt Hahn. „Da gibt es keinen Spielraum, Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Einmal im Jahr werden mit den Mitgliedsstaaten Gespräche geführt und Mängel aufgezeigt.“

Wäre denn die Aufhebung der Nationalstaaten eine Möglichkeit, eine größere Gemeinschaftlichkeit zu erreichen, hakt ein Student des Wirtschaftsrechts nach. „Wir haben auf engstem Raum eine immense kulturelle, ethnische und religiöse Vielfalt“, betont Hahn. „Jeder und jede sollte die Möglichkeit haben, sich in seiner oder ihrer Landessprache auszutauschen.“ Gleichzeitig habe sich gezeigt, dass mittlerweile zehn Prozent der Ehen aus Partnern unterschiedlicher Nationalität bestehen. Dazu brauche es auf EU-Ebene einheitliche Scheidungsregeln. „Unser Verhalten wird immer europäischer. Ich glaube, wir sind in einer Übergangsphase. Ich kann mir vorstellen, dass EU-Staaten irgendwann wie heute die Bundesländer in Österreich sind.“

Bleibt noch eine Frage zu klären: Warum er überhaupt in die Politik gegangen ist. „Weil ich der Meinung war, dass ich mitgestalten möchte. Sonst macht es jemand anderes für mich.“

 

AUF EINEN BLICK

Die Österreichische Studienstiftung ist eine Initiative der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Sie fördert und begleitet junge Menschen, die Verantwortung in unterschiedlichsten Bereichen übernehmen wollen, ungeachtet ihrer sozialen Herkunft. Die Geförderten werden durch die Studienstiftung auf ihrem persönlichen und intellektuellen Werdegang begleitet und unterstützt.

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Die Studienstiftungsgespräche sind ein Angebot für alle jungen Mitglieder der Studienstiftung, sich mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in kleiner Runde treffen und austauschen zu können.

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