Sicherheitsrisiko Drohne?
22.10.2025
Sie liefern Pakete, retten Menschen – und kämpfen in Kriegen. Drohnen sind längst ein Werkzeug der Machtpolitik – über den Wolken und in unseren Städten. Und sie prägen die Schlagzeilen. Michael Nentwich, Direktor des Instituts für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, beschäftigt sich seit Jahren mit der gesellschaftlichen Bedeutung und Regulierung ziviler Drohnen. Im Interview spricht er über aktuelle Entwicklungen, die militärische Nutzung, rechtliche Grauzonen und warnt vor einer neuen Ära technologischer Aufrüstung.
Schon im Zusammenhang mit Lieferdrohnen stellten sich Sicherheitsfragen.
Ob in den Bergen, bei Demonstrationen oder in den Schlagzeilen der Weltpolitik – Drohnen sind mittlerweile allgegenwärtig. Sie beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit dieser Technologie. Welche Bedeutung messen Sie Drohnen für unsere Gesellschaft und unsere Sicherheit heute bei?
Michael Nentwich: Ich habe mich in der Vergangenheit vor allem mit den sogenannten Lieferdrohnen beschäftigt. Da ging es also um die Vision, dass zivile Drohnen als Essensboten und Paketausträger zum Einsatz kommen, und ob das die Gesellschaft will. Das ist, wie wir heute wissen, zumindest in Europa abgesehen von Nischenanwendungen so nicht gekommen. Schon im Zusammenhang mit Lieferdrohnen stellten sich Sicherheitsfragen, etwa wenn es zu Abstürzen über bewohntem Gebiet kommt. Aber auch die Frage, ob Lieferdrohnen zum Schmuggel oder zur Einschleusung von Waffen in Gefängnisse verwendet werden könnten. Mittlerweile sind Drohnen freilich in vielen anderen Bereichen im Einsatz und wir hören seit dem Ukrainekrieg vor allem von ihrem militärischen Einsatz. Aufgrund ihrer geringen Ausmaße und geringen Kosten bei dennoch beachtlicher Reichweite sind militärisch genutzte, umgebaute zivile Drohnen zu einer Bedrohung geworden. Da das Verwenden ziviler Drohnen zur Spionage oder zu militärischen oder terroristischen Zwecken verhältnismäßig einfach ist, gehe ich davon aus, dass uns das Thema noch lange beschäftigen wird.
Drohnen als Hobby
Haben Sie damit gerechnet, dass diese Technologie eines Tages eine derart prägende Rolle im öffentlichen Leben spielen würde?
Nentwich: Für Lieferdrohnen erwartete ich nur Nischenanwendungen, keinen breiten Einsatz. Spielzeugdrohnen, so meine Vermutung, würden nach und nach ihren Reiz wieder verlieren. Spezialanwendungen in der Forschung, Landwirtschaft oder bei Polizei und Feuerwehr oder beim professionellen Film würden das öffentliche Leben nicht prägen. Schon mit Stand 2023 wurden aber bereits über 70.000 Drohnenführerscheine ausgestellt. Drohnen sind somit gekommen, um zu bleiben. Dass allerdings Drohnen aufgrund ihres Potenzials als Waffe nicht nur hin und wieder, sondern derzeit quasi täglich in den Medien sein würden, hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet.
Für Drohnen gelten zahlreiche Flugverbotszonen – etwa über Naturschutzgebieten oder in der Nähe von Flughäfen. Was passiert in Österreich, wenn diese Regeln missachtet werden?
Nentwich: Prinzipiell sieht das Luftfahrtgesetz dafür empfindliche Strafen vor: bis zu 22.000 EUR oder sogar Freiheitsentzug bis zu sechs Wochen. Ein Problem dabei ist natürlich die Durchsetzung, sprich, dass der Drohnenpilot auch gefasst werden kann – was schwierig ist, weil man von weit entfernt und ohne Sichtkontakt steuern kann. Rechtlich unklar ist, ob, unter welchen Voraussetzungen und von wem Drohnen bei Gefahr im Verzug abgeschossen werden dürfen.
Sicherheitsmaßnahmen
Auf nordeuropäischen Flughäfen kam es zuletzt wiederholt zu Zwischenfällen durch Drohnen. Welche Strategien halten Sie für am wirksamsten, um Vorfälle mit Drohnen über kritischer Infrastruktur oder militärischen Einrichtungen frühzeitig zu erkennen und abzuwehren?
Nentwich: Wir haben dazu kürzlich einen kurzen Monitoringbericht für das Parlament erstellt. Die rasante Entwicklung der Drohnentechnologie macht eine effektive Drohnenabwehr zu einem technologischen Wettlauf. Anti-Drohnen-Systeme benötigen zum einen effiziente Erkennungssysteme, die in Echtzeit arbeiten, und das ist teuer. Zum anderen müssen die identifizierten Drohnen anschließend mit geeigneten Methoden unschädlich gemacht werden. Dazu gibt es harte oder weiche, High- oder Low-Tech-Maßnahmen, etwa Hochenergielaser, Netze, Kamikazedrohnen, Projektile, Jamming oder die Übernahme der Kommunikation. Es kommt auf den jeweiligen Fall an, was am besten funktionieren würde. Jedenfalls handelt es sich um ein immer wichtiger werdendes Feld für die Sicherheitsbehörden.
Da der Luftraum öffentlich ist, wird es laufend Nutzungskonflikte geben.
Im Krieg in der Ukraine sind Drohnen zu einem zentralen Instrument geworden, zahlreiche Länder investieren massiv in deren Entwicklung und Beschaffung. Wird die Drohnentechnologie langfristig eher als Sicherheitsrisiko oder als Innovations- und Wirtschaftsfaktor eine Rolle spielen?
Nentwich: Da der Luftraum öffentlich ist, wird es laufend Nutzungskonflikte geben. Ein flächendeckender Einsatz von Drohnen für alle möglichen Zwecke ist daher kaum vorstellbar. In den verschiedenen Nischen, von der Landwirtschaft, Forschung und Logistik bis zum Einsatz bei Katastrophen und der Überwachung von Infrastrukturen, hingegen besteht großes Innovationspotenzial. Kurz- und mittelfristig dürfte jedoch das Sicherheitsrisiko im Vordergrund stehen.
Auf einen Blick
Michael Nentwich, ursprünglich Jurist, ist habilitierter Wissenschafts- und Technikforscher, passionierter Technikfolgenabschätzer und seit 2006 Direktor des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaft. Sein Hauptforschungsgebiet ist das Internet und sein Einfluss auf Gesellschaft und Wissenschaft. Für die ÖAW hat er eine Übersichtsstudie zu Lieferdrohnen und kürzlich im Auftrag des österreichischen Parlaments eine Zusammenfassung zur nicht-militärischen Drohnenabwehr erstellt.