Ägyptens Schätze und Tutanchamuns Unterhosen in Riesen-Museum in Kairo zu sehen
06.11.2025
Jahrelang hat die Welt gespannt darauf gewartet: Nun ist das Grand Egyptian Museum in Gizeh eröffnet. Es ist eines der größten Museen der Welt und zeigt erstmals den gesamten Schatz des Tutanchamun. „Ein Meilenstein“, sagt Irene Forstner-Müller. Sie leitet die Kairo-Außenstelle des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die Archäologin erklärt, warum dieses Museum so besonders ist – für die Forschung, für Ägypten und auch für Österreich.
Österreichische Forschung prominent gezeigt
Frau Forstner-Müller, das Grand Egyptian Museum ist nach vielen Jahren Bauzeit endlich eröffnet. Was bedeutet das für die Archäologie?
Irene Forstner-Müller: Für die Archäologie – und speziell für die Ägyptologie – ist das ein Meilenstein. Es ist eines der größten Museen der Welt und das größte, das sich mit einem Fachgebiet, mit der Ägyptologie und dem alten Ägypten beschäftigt. Besonders bedeutend ist der neue Bereich von Tutanchamun: Zum ersten Mal sind alle Objekte aus seinem Grab gemeinsam ausgestellt. Bisher kannte man nur einen Bruchteil – der Rest lagerte in Magazinen und Kellern des alten Ägyptischen Museums in Kairo. Jetzt haben wir Zugang zu vielen Objekten, die wir so noch nie gesehen haben. Das ist für uns Forscher:innen sehr toll und unglaublich spannend.
Für die Archäologie ist das Museum ein Meilenstein.
Was bedeutet diese Eröffnung für Sie persönlich?
Forstner-Müller: Ich habe mich wahnsinnig gefreut. Vor allem auch, weil unsere eigenen Forschungen dort so prominent vertreten sind. Wenn man das Museum betritt, steht auf der großen Monumentaltreppe eine Toranlage aus Tell el-Dab’a, dem antiken Avaris – direkt aus unserem Grabungsprojekt im Ostdelta. Auch in den Vitrinen sind Objekte aus österreichischen Ausgrabungen zu sehen. Das ist eine große Anerkennung unserer Arbeit und zeigt, dass österreichische Forschung international wahrgenommen und geschätzt wird.
Nur ein bisschen Indiana Jones
Wie kann man sich Ihre Forschung in Ägypten vorstellen?
Forstner-Müller: Der Alltag ist weniger abenteuerlich, als man ihn sich vielleicht aus den Indiana-Jones-Filmen vorstellt. Etwa ein Drittel des Jahres bin ich auf Ausgrabung, zum Beispiel in Tell el-Dab’a oder in Kom Ombo, wo wir gerade arbeiten. Der Rest der Zeit ist wissenschaftliche Auswertung, Publikation und auch viel Verwaltung, sowohl mit österreichischen als auch ägyptischen Behörden von Kairo aus. Unser Forschungsfokus liegt auf Siedlungsarchäologie: Wir erforschen, wie die Menschen im alten Ägypten gelebt, gearbeitet und gegessen haben, mit wem sie Handel trieben und welche Kontakte sie pflegten. Gerade graben wir in Kom Ombo an einer großen Speicheranlage aus der Ersten Zwischenzeit, also etwa 1900 bis 1800 v. Chr. Unsere Projekte sind sehr international: Wir arbeiten mit Kolleg:innen aus Ägypten, Deutschland, Italien und Frankreich zusammen und kooperieren eng mit dem ägyptischen Ministerium für Tourismus und Altertümer. Außerdem bilden wir Studierende und Nachwuchsforscher:innen aus, etwa in sogenannten Field Schools für ägyptische Inspektor:innen.
Das Museum ist ein Symbol des nationalen Stolzes. Bei der Eröffnung haben Menschen im ganzen Land zugeschaut.
Welche Bedeutung hat das neue Museum für Ägypten selbst?
Forstner-Müller: Für Ägypten ist es viel mehr als ein Museum. Es ist ein Symbol des nationalen Stolzes. Bei der Eröffnung haben Menschen im ganzen Land zugeschaut – von Arbeiter:innen am Feld bis zur Oberschicht in den Städten. Es war ein Moment der nationalen Einheit und Identitätsstiftung. So wie die Österreicher:innen Mozart und die Lipizzaner haben, so ist für Ägypten das alte Pharaonenreich, das im Museum gezeigt wird, ein zentraler Teil der kulturellen Identität.
Inspiration für Generationen
Kann das neue Museum den Blick auf das alte Ägypten verändern?
Forstner-Müller: Ja, ganz sicher. Das Museum schafft den Spagat zwischen dem, was man klassisch mit Ägypten verbindet – Gold, Gräber, Tempel – und dem Alltagsleben. Es werden auch Werkzeuge, Kleidung oder einfache Haushaltsgegenstände gezeigt. Es geht also nicht nur um den Tod, sondern auch um das Leben. Ich habe gehört, dass sogar Tutanchamuns Unterwäsche ausgestellt ist. Das zeigt, wie umfassend die Präsentation ist.
Ein solches Museums kann neue Generationen von Ägyptolog:innen inspirieren und Menschen weltweit begeistern.
Wie wichtig ist es, Geschichte so sichtbar und zugänglich zu machen?
Forstner-Müller: Das ist zentral. Die Ägyptologie war immer ein Fach, das die Menschen fasziniert, aber ein Museum in dieser Dimension bringt die Forschung noch einmal ganz anders in die Öffentlichkeit. Es kann neue Generationen von Ägyptolog:innen inspirieren und Menschen weltweit begeistern. Die Eröffnung wurde in allen ägyptischen Sendern übertragen und breit in den sozialen Medien geteilt. Das war ein sehr kluger Schritt der ägyptischen Seite, um ein junges Publikum zu erreichen. Solche Momente bringen die Ägyptologie und das Wissen über das alte Ägypten auf eine ganz neue Bühne. Und sie sind auch ein Impuls für den Tourismus und die internationale Zusammenarbeit.
Auf einen Blick
Irene Forstner-Müller (* 1968 in Linz) ist Archäologin und Ägyptologin. Sie leitet die Kairo-Außenstelle des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und die Grabungen in Tell el-Dab’a. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf der Stadt- und Siedlungsarchäologie im alten Ägypten. Die Tageszeitung „Die Presse“ wählte sie 2025 zur „Österreicherin des Jahres“ in der Kategorie „Erfolg international“.
