14.09.2023

ITA-Konferenz: Nanotechnologien als Alternativen zu Tierversuchen

Bei der Bewertung von Risiken, die mit neuen Nanotechnologien verbunden sind, verließ man sich lange auf Tierversuche. Doch es gibt längst Alternativen, wie im Rahmen einer ÖAW-Konferenz, veranstaltet vom NanoTrust-Projektteam des ITA, aufgezeigt wird.

Nanotechnologien bergen nicht zuletzt für medizinische Anwendungen großes Potenzial. Gerade in diesem Bereich ist zugleich eine möglichst verlässliche Risikoabschätzung notwendig. © AdobeStock

Welche Risiken und Gefahren bergen neue Nanotechnologien für Mensch, Gesellschaft und Umwelt? Dieser Frage stellen sich internationale Expert:innen bei einer am 14. September startenden internationalen Konferenz des Instituts für Technikfolgenabschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Unter dem Titel "Innovation and Governance of Advanced Materials" widmen sie sich unter anderem Aspekten der Risikobewertung von neuen (Nano-)Materialien, einem Thema, zu dem auch Andrea Haase vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung forscht. Im Interview schildert sie, warum Tierversuche bei der Bewertung neuer Materialien wie Nanoträger bisher so eine große Rolle spielten - und wie man diese ersetzen kann.

Sicherheit von Nanomaterialien

Sie setzen sich mit neuen Methoden auseinander, um Nanomaterialien auf ihre Sicherheit zu testen. Warum brauchen wir die?

Andrea Haase: Die Risikobewertung erfordert heute zu einem großen Teil immer noch Tierversuche. Das Ziel unserer Forschung ist es, bei der Untersuchung neuer Materialien auf Tierversuche zu verzichten. Durch Zellkulturen, computerbasierte Simulationen und andere neue Ansätze haben wir heute ja bereits Alternativen zur Hand. Es besteht ein breiter Konsens, dass wir wegkommen wollen von den Tierversuchen und auch die Regulierungsbehörden unterstützen das.

Warum ist das gerade im Zusammenhang mit Nanomaterialien ein großes Thema?

Haase: Nanomaterialien können in zig Varianten vorkommen, die sich zum Beispiel durch ihre Partikelgröße und die Oberflächenbeschaffenheit unterscheiden können. Hier haben neue Methoden mit Zellkulturen einen Vorteil, weil damit sehr viele Varianten parallel untersucht werden können. Das heißt auch, dass auf eine große Zahl von Tierversuchen verzichtet werden kann.

Wo könnten die neuen Methoden eingesetzt werden?

Haase: Alternative Methoden werden bereits heute für die regulatorische Bewertung eingesetzt und es gibt bereits einige validierte alternative Methoden. Diese adressieren eher einfachere toxikologische Endpunkte. Wir wollen aber in Zukunft auch Verfahren für komplexere, das heißt systemische und chronische Endpunkte entwickeln. Dafür ist aber ein anderer Ansatz nötig, wir können hier nicht einfach einen Tierversuch durch eine neue Methode ersetzen. Die Karzinogenität eines Stoffes zum Beispiel lässt sich derzeit nur im Tierversuch nachweisen, die Effekte zeigen sich erst nach einer langen Latenzzeit und erfordern ein komplexes Zusammenspiel unterschiedlicher Prozesse auf Zell- und Gewebeebene.

Für die Entwicklung alternativer Methoden muss man das auf einzelne Schlüsselinteraktionen beziehungsweise Schlüsselereignisse herunterbrechen, die wir dann jeweils in einzelnen Verfahren prüfen können. Daher braucht man für derartig komplexe Effekte wie beispielsweise Karzinogenität am Ende auch eine komplexe Testbatterie mit unterschiedlichen Methoden. An der Entwicklung solcher Teststrategien für Nanomaterialien arbeiten wir mit Hochdruck. Wenn wir gute Verfahren haben, können wir diese auch schon in der Designphase für neue Nanomaterialien einsetzen, um sie somit von vornherein sicher zu designen.

Nanocarrier unter der Lupe

Was macht Nanopartikel, die als Container für Wirkstoffe genutzt werden, interessant für die Risikobewertung?

Haase: Solche sogenannten Nanocarrier bestehen immer aus einer Verpackung und einem Wirkstoff, der transportiert wird. Diese beiden Elemente müssen separat und auch gemeinsam auf gesundheitliche Risiken geprüft werden. Weil diese Systeme so klein sind, kann die Verfügbarkeit im Körper deutlich anders geartet sein als bei größeren Partikeln. Im medizinischen Bereich kann deshalb zum Beispiel weniger Wirkstoff bei der Tumortherapie eingesetzt werden. Bei Carriersystemen ist es vor allem wichtig zu wissen, wie schnell der Wirkstoff abgegeben wird und wie die Aufnahme im Körper passiert. Das kann sehr komplex sein und alternative Methoden müssen in der Lage sein, damit umzugehen. Im NAMS4NANO-Projekt arbeiten wir mit der EFSA (European Food Safety Authority, Anm.) auch an einer Nanocarrier-Fallstudie, um das besser zu erforschen und Vorschläge für künftige Richtlinien zu erarbeiten.

Wo werden Nanocarrier genutzt?

Haase: Derzeit gibt es in Europa im Bereich Nanocarrier nur wenige zugelassene Produkte. Aktuell sind das vor allem Anwendungen im medizinischen Bereich, in anderen Sektoren ist das noch eher Gegenstand der Forschung und Entwicklung. Mögliche Einsatzgebiete für Nanocarrier sind beispielsweise Kosmetik oder Biozide beziehungsweise Pestizide.  

 

Links

NanoTrust-Advanced-Tagung

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erkennt und bewertet die Risiken unter anderem von Lebensmitteln, Stoffen und Produkten:
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