11.07.2023 | World Population Day
WIRD ES AUF DER WELT IMMER ENGER?
Vor einem Jahr wurde die Marke von 8 Milliarden Menschen geknackt. Wie hat sich die Weltbevölkerung bis heute entwickelt? Und wie wird es weitergehen? Von den Forscher:innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gibt es darauf eine klare Antwort: Auf die Bildung kommt es an. Einige FAQs zum Weltbevölkerungstag, den 11. Juli 2023, zusammengestellt von Isabella Buber-Ennser, Bevölkerungswissenschaftlerin am Institut für Demographie der ÖAW.
Wie viele Menschen leben aktuell auf der Welt?
Wie viele Menschen leben aktuell auf der Welt?
Im Jahr 2022 hat die Weltbevölkerung die Marke von acht Milliarden Menschen überschritten. Da es unmöglich ist, zu sagen, wann dies genau war, haben die Vereinten Nationen (United Nations – UN) den Stichtag auf den 15. November 2022 festgelegt.
Wo leben wie viele Menschen?
Wo leben wie viele Menschen?
Stellen Sie sich vor, die aktuelle Weltbevölkerung wird durch eine Schulklasse mit 24 Kindern dargestellt. Dann ergibt sich folgende Aufteilung: 2 leben in Europa, 1 in Nordamerika, 2 in Lateinamerika, 4 in Afrika, 1 in Ozeanien (sehr salopp), und die übrigen 14 wohnen in Asien.
Diese Darstellungsweise basiert nicht auf Prozentwerten und ist somit auch besser geeignet, um für Kinder und Volksschüler:innen zu veranschaulichen, wie viele Menschen in den großen Weltregionen leben. Diese Übung stammt aus dem Programm „Akademie im Klassenzimmer“, einer Initiative der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Wie geht es mit der Weltbevölkerung weiter?
Wie geht es mit der Weltbevölkerung weiter?
Prognosen des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital (IIASA, ÖAW, Universität Wien) schließen nicht nur Annahmen über die drei klassischen Komponenten (Geburten - Lebenserwartung - Migration) ein, sondern auch solche über die zukünftige Entwicklung der Bildung. Darauf aufbauend werden für unterschiedliche Bildungsniveaus spezifische Annahmen bezüglich Fertilität, Mortalität und Migration getroffen. Aus der Kombination der Bildungsszenarien mit bildungsspezifischem demografischem Verhalten entstehen Bevölkerungsprognosen, die teilweise erheblich von bisherigen Trends abweichen.
Diesen Prognosen zufolge wird die Weltbevölkerung schneller wachsen als noch vor einem Jahrzehnt angenommen. Forscher:innen gehen davon aus, dass die Weltbevölkerung bis 2080 auf rund 10,13 Milliarden anwachsen wird, was rund 300 Mio. weniger sind als in den UN-Prognosen (sogenannte „medium projections“). Nach 2080 wird es voraussichtlich zu einem Rückgang der Weltbevölkerung kommen.
Warum gibt es unterschiedliche Bevölkerungsprognosen?
Warum gibt es unterschiedliche Bevölkerungsprognosen?
Was Bevölkerungsprognosen betrifft, gibt es tatsächlich nicht „die eine“ Prognose. So werden immer verschiedene Szenarien angegeben, die abhängig sind von der künftigen Entwicklung der Geburten, der Lebenserwartung und der Zu- und Abwanderung. Diese verschiedenen Prognosen zeigen die Unsicherheiten bzw. die Schwankungsbreiten bei der Bevölkerungsentwicklung auf.
Warum spielt die Ausbildung der Frauen eine wichtige Rolle bei der künftigen Entwicklung der Weltbevölkerung?
Warum spielt die Ausbildung der Frauen eine wichtige Rolle bei der künftigen Entwicklung der Weltbevölkerung?
In zahlreichen demografischen Studien ist Bildung eine zentrale Komponente. So auch bei den Prognosen des Instituts für Demographie an der ÖAW. Für den Demographen Wolfgang Lutz, ehemaliger Direktor des Instituts, ist die Bildung der Frauen zentral für Bevölkerungsprognosen. In ärmeren afrikanischen Ländern sind Frauen oft nicht alphabetisiert und die Geburtenraten sehr hoch.
Welche Rolle Bildung für die Geburtenentwicklung hat, zeigt auch ein Blick ins Europa um 1900: Damals hatten Frauen im Durchschnitt fünf oder mehr Kinder. Mit der allgemeinen Alphabetisierung der Bevölkerung begannen die Frauen ihr Leben neu zu gestalten und bekamen weniger Kinder. Denn: Viele Geburten und knappe Geburtenintervalle waren auch mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Bei diesem Wertewandel spielt die Bildung eine entscheidende Rolle.
Das bestätigt auch das Beispiel der Insel Mauritius: Durch eine Alphabetisierung der Mädchen und Propaganda für die 2-Kind-Familie sank die Geburtenrate innerhalb relativ kurzer Zeit von mehr als sechs auf drei Kinder.
Wie viele Menschen leben aktuell in Österreich?
Wie viele Menschen leben aktuell in Österreich?
Aktuell leben in Österreich rund 9 Millionen Menschen. Die 9-Millionen-Grenze wurde 2022 überschritten. Österreich wächst. So lebten Anfang 1970 rund 7,5 Millionen Menschen hier, Anfang des Millenniums rund 8 Millionen. Das Bevölkerungswachstum wird sich weiterhin fortsetzen. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung sowie der konstant niedrigen Geburtenraten wird auch die Alterung der Bevölkerung weiter voranschreiten. Weil zukünftig die Sterbefälle die Geburten übersteigen werden, kommt der Migration eine Schlüsselrolle beim Bevölkerungswachstum zu.
Wie wird es mit den Bevölkerungszahlen in Österreich weitergehen?
Wie wird es mit den Bevölkerungszahlen in Österreich weitergehen?
Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung lassen in den kommenden Jahrzehnten einen moderaten Anstieg der österreichischen Bevölkerung erwarten. Zudem wird der Anteil der Älteren deutlich ansteigen. In diesem Zusammenhang kommt der Migration eine bedeutende Rolle zu.
Die Prognosen für Österreich zeigen in den meisten Varianten den Trend einer anhaltend wachsenden und alternden Bevölkerung. In Zukunft werden die Sterbefälle die Geburten übersteigen, sodass das Bevölkerungswachstum ausschließlich auf Zuwanderung bei fortgesetzter Alterung basieren wird.
Die österreichische Bevölkerung wird im Jahr 2050 zwischen 8,9 Mio. und 9,7 Mio. betragen, im Jahr 2100 zwischen 6,7 Mio. und 13,9 Mio. Im sogenannten „SSP2-Szenarium“ gehen Samir KC und Anne Goujon am Wittgenstein Centre davon aus, dass 2050 rund 9,3 Mio. Menschen in Österreich leben werden, 2100 rund 8,7.
Österreich wird aber nicht nur wachsen, sondern auch altern. Der Anteil der Personen, die 65 Jahre oder älter sind (aktuell knapp 20 Prozent der Bevölkerung), wird für 2050 in einer Bandbreite von 26 bis 34 Prozent erwartet, für 2100 zwischen 28 und 46 Prozent.
Wie entwickeln sich die Geburtenzahlen in Österreich?
Wie entwickeln sich die Geburtenzahlen in Österreich?
Aktuelle Befunde zeigen seit Anfang 2022 einen neuerlichen Rückgang der Geburten in Österreich, also neun Monate nach dem letzten Lockdown und der langsamen Rückkehr zur „Normalität“. Dieser Geburtenrückgang in 2022 ist kein österreichisches Spezifikum, sondern wurde auch in vielen anderen Ländern, z.B. in Tschechien, Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland, Niederlande, etc. beobachtet.
Vorläufige Zahlen für die ersten Monate des Jahres 2023 deuten darauf hin, dass sich der in Österreich im letzten Jahr beobachtete Geburtenrückgang fortsetzt. Dieser Trend lässt sich auch in Nachbarstaaten Österreichs, wo erste Zahlen vorliegen (Tschechien, Slowakei und Deutschland), feststellen.
Ergebnisse einer aktuellen Erhebung weisen darauf hin, dass sich die jüngsten Preisentwicklungen auf die Geburtenzahlen in Österreich auswirken könnten. So geben nicht wenige Frauen und Männer an, dass sie aufgrund der aktuellen globalen Krisen ihre Familienpläne geändert haben, oder sich noch unsicher sind, hinsichtlich Änderungen im Kinderwunsch. Es zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen Änderungen in der Familienplanung und Belastung durch Preisentwicklung, Corona-Pandemie oder Ukraine-Krieg. Vor allem die Belastung durch Inflation war auffallend hoch und dürfte Hauptursache für Änderungen im Kinderwunsch sein.
Wie hat sich die Lebenserwartung seit 1950 entwickelt?
Wie hat sich die Lebenserwartung seit 1950 entwickelt?
Nach den jüngsten Zahlen der UN aus dem Jahr 2022 ist die weltweite Lebenserwartung bei der Geburt für beide Geschlechter von 46,5 Jahren im Jahr 1950 auf 71,7 Jahre im Jahr 2022 gestiegen. Das ist eine weitere Verbesserung um fast neun Jahre seit 1990 und wird bis 2050 voraussichtlich auf 77,3 Jahre ansteigen. Laut diesen Zahlen der UN, wird ein 2021 geborenes Baby im Durchschnitt fast 25 Jahre länger leben als ein Neugeborenes von 1950. Zwar ist die Lebenserwartung in allen Regionen gestiegen, die größten Zuwächse gab es jedoch in Ost- und Südostasien. Zwischen 1950 und 2000 verzeichnete Asien den schnellsten Anstieg um mehr als 25 Jahre.
In welchen Ländern ist die Lebenserwartung am höchsten?
In welchen Ländern ist die Lebenserwartung am höchsten?
Asien und der Pazifikraum sowie Europa liegen bei der Lebenserwartung weltweit an der Spitze. Dieser Trend wurde durch die Covid-19-Pandemie vorübergehend unterbrochen, und laut UN sank die weltweite Lebenserwartung bei der Geburt von 2019 bis 2021 um 1,8 Jahre (von 72,8 auf 71 Jahre). Die Regionen, die am stärksten von einem Rückgang der Lebenserwartung betroffen waren, waren Zentral- und Südasien sowie Lateinamerika und die Karibik, wo die Lebenserwartung zwischen 2019 und 2021 im Durchschnitt um fast drei Jahre sank. Der Anstieg der Lebenserwartung hat sich in einer Reihe von Ländern in den vergangenen zehn Jahren verlangsamt, am deutlichsten in den USA, Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien. Ebenso haben in allen Regionen Männer eine kürzere Lebenserwartung als Frauen, der Abstand reicht von 2,9 Jahren in Australien und Neuseeland bis zu 7 Jahren in Lateinamerika und der Karibik.
Mehr dazu: Beller, J., Luy, M., Giarelli, G., Regidor, E., Lostao, L., Tetzlaff, J., & Geyer, S. (2023). Trends in Activity Limitations From an International Perspective: Differential Changes Between Age Groups Across 30 Countries. Journal of Aging and Health, 35(7–8), 477–499. https://doi.org/10.1177/08982643221141123
AUF EINEN BLICK
Isabella Buber-Ennser promovierte an der TU Wien und ist Bevölkerungswissenschaftlerin am Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und am Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital (IIASA, ÖAW, Universität Wien).