04.04.2022 | Studienstiftungsgespräche

Wie haben Sie das gemacht, Frau Liko?

Hannah Liko, Kabinettchefin von Außenminister Alexander Schallenberg, diskutierte mit Geförderten der Österreichischen Studienstiftung der ÖAW über ihre Arbeit als Diplomatin in Israel, warum es ein Vorteil ist, Quereinsteiger/in zu sein und weshalb auch kleine Dinge große Effekte haben können.

© ÖAW/Daniel Hinterramskogler

„Es klingt pathetisch, aber ich liebe meinen Beruf und ich rede gern darüber“, sagt die österreichische Diplomatin Hannah Liko zu Beginn des Gesprächs mit jungen Studienstiftler/innen im Hauptgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Dr. Ignaz-Seipel-Platz. Auch, um ihnen Lust auf einen Werdegang zu machen, bei dem Quereinsteiger/innen gefragt sind. „Ich habe klassische Archäologie studiert, danach bei Ausgrabungen in Ephesos und in Süditalien gearbeitet. Und bin jetzt die einzige Archäologin im Außenministerium.“ Seit November 2021 ist Hannah Liko Kabinettchefin von Außenminister Alexander Schallenberg.

„Diplomaten sind nicht auf allen Gebieten, mit denen sie konfrontiert werden, Experten, aber wir wissen, wo wir ansetzen müssen.“

Facettenreiche Aufgaben

Liko erzählt einleitend über ihre Jahre als Botschafterin in Israel: „Diplomaten sind nicht auf allen Gebieten, mit denen sie konfrontiert werden, Experten, aber wir wissen, wo wir ansetzen müssen. Wir konnten während der Pandemie Leute vernetzen; man durfte ja zwei Jahre nicht nach Israel reisen.“ Eine Studentin der Wirtschaftsinformatik knüpft hier an und möchte wissen, was alles an Projekten umgesetzt werden konnte. „Mir ist es wichtig, viele kleine Dinge anzustoßen, die nachhaltig sind und von allein weiterwachsen“, antwortet Liko. Als konkretes Beispiel nennt sie die Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz, die es leichter machen soll, dass Nachfahren von Holocaust-Opfern die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen. „Eine historische Verantwortung, aber auch eine Chance für unsere Beziehungen“, betont Liko. „Für diese Menschen bin ich das Gesicht Österreichs. Wie wir sie aufnehmen, bestimmt auch ihre Sicht auf dieses Land. Wenn sie mit mir reden, habe ich oft das Gefühl, sie wollen ihre Frustration und Enttäuschung über die Geschichte abladen. Ich finde, auch das ist meine Rolle.“

Diplomatie erfordert Teamarbeit

Man merkt im Gespräch, Diplomatie bedeutet auch, sich nicht permanent selbst ins Zentrum zu rücken, sondern ruhig und überlegt an Themen heranzugehen. Teamgeist ist gefragt. Eine Maturantin aus Kärnten möchte wissen, welche Bereiche ihres Jobs sie am meisten bereichert haben. „Mich freut, wenn Dinge aufgehen. Es muss nicht immer mein Name draufstehen, aber ich weiß, dass ich dazu beigetragen habe, ein Problem zu lösen. Sei es, dass ich eine/n Expert/in vorgeschlagen habe oder eine Formulierung in einem Text gefunden habe.“ Um es am Beispiel des Staatsbürgerschaftsgesetzes in Israel festzumachen: „Wir wollten benutzerfreundliche Büroräume und keine Schalter. Die Menschen sollten sich nicht als Bittsteller fühlen.“

Ein Student des Wirtschaftsrechts, der beruflich in Richtung Diplomatie tendiert, fragt nach der historischen Verantwortung. Für ihn wirke es, als würde Österreich bedingungslos auf Seiten Israels stehen. Wie kann man bei Konflikten wie neuen Siedlungsprojekten dennoch Kritik üben? „Wir dürfen nicht vergessen, es handelt sich auf beiden Seiten um traumatisierte Völker. Aber die Palästinenser wissen, dass wir auch in Ramallah eine Vertretung haben und dort aktiv sind. Wir üben nicht lautstark Kritik an Israel, wir setzen lieber auf stillere Diplomatie. Ich finde es wertvoll, wenn man sich um Projekte bemüht, bei denen Leute miteinander ins Gespräch kommen.“

„Wie effektiv Diplomatie ist, ist immer schwer zu sagen: Wenn sie einen Konflikt verhindert, weiß man es ja oft gar nicht, weil es zu keinem Krieg gekommen ist.“

Die Grenzen der Diplomatie

Ein Jus-Student fragt, wie sich die Arbeit im Außenministerium von der in einer Botschaft unterscheidet. „In der Botschaft hat man mehr Kontakt zur Außenwelt. Es ist die zentrale Aufgabe, mit dem Gastland in Verbindung zu treten, um sich zu vernetzen und das System kennenzulernen. In Wien habe ich eher die Aufgabe, Informationen, die von außen kommen, zusammenzufassen und eine Linie vorzugeben.“ Spannend am Leben als Botschafterin findet Liko auch, dass durch jede neue Sprache, die man lerne, auch das Verständnis für ein Land wachse. Hannah Liko spricht Englisch, Französisch, Italienisch, Türkisch und Hebräisch.

Ein Philosophiestudent möchte wissen, warum der Russland-Ukraine-Konflikt nicht auf diplomatischer Ebene gelöst werden konnte. „Wie effektiv Diplomatie ist, ist immer schwer zu sagen: Wenn sie einen Konflikt verhindert, weiß man es ja oft gar nicht, weil es zu keinem Krieg gekommen ist“, bringt Liko das Paradoxon auf den Punkt. Auf Russland bezogen betont sie, eine Deeskalation sei von dieser Seite nicht gewünscht gewesen.

Vernetztes Denken und Flexibilität als Voraussetzungen

Anscheinend hat Hannah Liko den jungen Studierenden tatsächlich Lust auf ihren Job gemacht. Es kommen einige Fragen dazu, wie man denn Diplomat/in werden könne. „Ich habe die Diplomatische Akademie absolviert, das war das intensivste Jahr meines Lebens, ich habe täglich gelernt. Und nicht viel Anderes gemacht.“ Welche Qualitäten sollte man mitbringen? „Um Botschafterin zu werden, wird bei der schriftlichen Prüfung viel Wissen abgefragt. Aber mündlich geht es auch darum, wie man sich in einer Situation verhält. Wenn man eine Frage bekommt, die man nicht beantworten kann. Im diplomatischen Arbeitsalltag geht es darum, ein Problem zu erkennen und Spezialist/innen für eine Lösung zu finden, also darum, ob jemand vernetzt denken kann.“ Man sollte sich aber auch überlegen, ob man wirklich dafür geeignet ist, alle vier Jahre in einem anderen Land zu leben. „Deshalb gibt es auch zu Beginn zwei Jahre Probezeit für beide Seiten.“

Im Außenministerium freue man sich auch über Bewerber/innen aus allen Studienrichtungen, die sich für ein Verwaltungspraktikum interessieren. „Wir haben von der Theologie bis zur Physik alles und wir werden in Zukunft sicher auch Expert/innen brauchen, die sich etwa mit Klima oder Artificial Intelligence auskennen.“

 

AUF EINEN BLICK

Die Österreichische Studienstiftung ist eine Initiative der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Sie fördert und begleitet junge Menschen, die Verantwortung in unterschiedlichsten Bereichen übernehmen wollen, ungeachtet ihrer sozialen Herkunft.

Die Geförderten werden durch die Studienstiftung auf ihrem persönlichen und intellektuellen Werdegang begleitet und unterstützt.

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Die Studienstiftungsgespräche sind ein Angebot für alle jungen Mitglieder der Studienstiftung, sich mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in kleiner Runde treffen und austauschen zu können.

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