23.01.2023 | Epigenetik

Oktopus bis Elefant: der epigenetische Schutz ihrer Gene

An Gewebeproben von 580 Tierarten haben ÖAW-Forscher:innen die Evolution der Epigenetik erstmals im Detail nachvollzogen. Sie verglichen die Muster der DNA-Methylierung, die den Zugang zur Erbinformation regelt. Die neue Studie im Journal Nature Communications zeigt, dass diese epigenetischen Muster evolutionär sehr alt sind und bereits lange vor den Säugetieren entstanden sind.

Methylierte DNA © CeMM
Methylierte DNA © CeMM

Unsere Gene sind in der DNA-Sequenz des Erbguts kodiert. Einzelne Zellen können aber nur auf einen Teil der Gene zugreifen. Denn die Epigenetik bildet eine Art molekulare Zugangskontrolle zu den Genen - eine epigenetische "Software" zum Schutz unserer genetischen "Hardware" vor Aktivierung in den falschen Zellen. Dank der Epigenetik können sich unterschiedlichste Zelltypen - eine Voraussetzung für komplexe Organismen - entwickeln. Zudem schützt Epigenetik kritische Bereiche des Erbguts vor einer versehentlichen Aktivierung und reduziert dadurch das Krebsrisiko.

Die DNA-Methylierung ist die bekannteste und wohl wichtigste Komponente der Epigenetik. Sie markiert chemisch mit Methyl-Gruppen (CH3) jene Teile des Erbguts, die besonders eng zu packen sind und vor fehlerhafter Aktivierung geschützt werden sollen. Diese epigenetische Regulation der Gene spielt ein Leben lang eine wichtige Rolle - von der befruchteten Eizelle bis zum erwachsenen Organismus, bei Krankheiten wie Krebs sowie beim Altern des Körpers.

Um die Evolution der Epigenetik zu verstehen, kartierte das Team von Christoph Bock am CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in einem aufwendigen Projekt über zehn Jahre die DNA-Methylierung von 580 Tierarten und untersuchte diese auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die Erstautorinnen der Studie, Johanna Klughammer (ÖAW-DOC-Stipendiatin; mittlerweile Professorin am Gene Center der Ludwig-Maximilians-Universität München) und Daria Romanovskaia, prozessierten und analysierten zusammen mit Amelie Nemc insgesamt 2.443 Gewebeproben von ganz unterschiedlichen Tieren: "Wir haben geschaut, dass wir Herz und Leber von möglichst vielen Tierarten bekommen, um vergleichen zu können. Außerdem Lungen, Kiemen, Nieren, Gehirn und einiges mehr", so die Autorinnen.

DNA-Methylierung tiefer verwurzelt als bisher angenommen

Diese Daten zeigen, dass die DNA-Methylierung schon vor 500 Millionen Jahren ganz ähnlich funktionierte wie heute. Denn die Muster der Methylierung bestimmter DNA-Abschnitte ähneln einander bei wirbellosen Tieren, bei Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren.

Die Muster der Methylierung bestimmter DNA-Abschnitte ähneln einander bei wirbellosen Tieren, bei Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren.

Das heißt jedoch nicht, dass die DNA-Methylierung im Laufe der Jahrmillionen unverändert blieb. Christoph Bock erklärt: "Der genetische Code der Epigenetik ist in Wirbeltieren klarer und verbindlicher als in Wirbellosen, auch wenn die zugrundeliegenden Muster ähnlich sind. Es scheint so, als ob komplexe Tiere einschließlich des Menschen besonders auf den epigenetischen Schutz des Erbguts durch die DNA-Methylierung angewiesen sind."

Evolutionäre Anpassung an komplexe Körper und Umweltbedingungen?

Große und langlebige Tiere sollten theoretisch ein höheres Krebsrisiko haben, weil es insgesamt mehr Zellen gibt und diesen Zellen mehr Zeit bleibt, zur Krebszelle zu werden. Doch Elefanten erkranken nicht häufiger an Krebs als zum Beispiel Mäuse oder Forellen. Vielmehr zeigte sich eine höhere DNA-Methylierung bei Tierarten mit einem höheren theoretischen Krebsrisiko. Die Ergebnisse der aktuellen Studie legen also nahe, dass die DNA-Methylierung als Zugangskontrolle zum Erbgut solch einen Schutzmechanismus gegen Krebs darstellt.

 

Auf einen Blick

Publikation:

Johanna Klughammer, Daria Romanovskaia, Christoph Bock et. al., „Comparative analysis of genome-scale, base-resolution DNA methylation profiles across 580 animal species“, Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-022-34828-y

Die Studie wurde von DOC-Stipendien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (für Johanna Klughammer und Daria Romanovskaia) sowie zwei Grants des European Research Council (ERC) an Christoph Bock unterstützt. Die bioinformatischen Analysen wurden teilweise auf dem Vienna Scientific Cluster (VSC) durchgeführt.