05.05.2023 | Geschichte

Krönungen sind Jahrhunderte alte Rituale

Die Krönung König Charles III. brachte einige Veränderungen gegenüber der Krönung seiner verstorbenen Mutter Königin Elisabeth II., die 1953 stattgefunden hatte. Doch die wichtigsten Punkte der Zeremonie sind seit tausend Jahren gleich geblieben und ähneln in ihrem Ablauf und ihren Symbolen anderen Krönungen der Geschichte, wie die ÖAW-Historikerin Katrin Keller erklärt.

Charles liest die Rede der Königin im House of Lords. © Shutterstock

Für seine „Coronation“ hatte König Charles III. einige Änderungen angekündigt. Er wollte die Zeremonie zeitgemäßer und volksnaher machen. Dennoch: Das Krönungsritual, eingebettet in den Gottesdienst, den Justin Welby, Erzbischof von Canterbury, in der Westminster Abbey halten wird, bestand aus den gleichen charakteristischen Elementen, wie man sie aus vielen historisch belegten europäischen Krönungszeremonien kennt. Welche Elemente das konkret sind, was diese bedeuten und warum man auch heute noch nicht darauf verzichten will, erzählt Historikerin Katrin Keller vom Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Die Krönung britischer Monarchinnen und Monarchen ist eine Zeremonie mit fast tausendjähriger Tradition. Seit wann gibt es generell Krönungen?

Wer als Erster gekrönt wurde liegt im Dunkel der Geschichte. Wir können solche Rituale bis ins 9. Jahrhundert in den Quellen zurückverfolgen, Details kennen wir dann ab dem späteren Mittelalter, dem 14. Jahrhundert.

Krönungen hat es in fast allen europäischen Monarchien gegeben und obwohl sie nicht immer in völlig gleicher Form abgelaufen sind, gibt es feststehende Punkte, die sich in jedem Ritual nachweisen lassen.

Es findet immer ein Zug zur Kirche und von der Kirche statt."

Wie sehen diese Punkte konkret aus?

Es findet immer ein Zug zur Kirche und von der Kirche statt. Damit zeigten die neuen Herrschaftsträger:innen sich auch gleich ihrem Volk. Außerdem ist eine Krönung immer mit einem Gottesdienst verbunden, da es eine sakrale Zeremonie ist, in deren Verlauf die Herrscherin oder der Herrscher gesalbt, gekrönt und inthronisiert wird.

Abfolge von rituellen Schritten

Was ist die Bedeutung der kirchlichen Feier im Zuge der Königserhebung?

Eine Krönung beinhaltet eine ganze Abfolge von rituellen Schritten, die in eine lange Herrschaftstradition gestellt sind. Aus der mittelalterlichen Tradition heraus wird die Königin oder der König zur oder zum Gesalbten Gottes, sie oder er wird in historischer Sicht durch die Zeremonie quasi über die gewöhnlichen Sterblichen erhoben und in einem gewissen Ausmaß zu einer sakralen Person.

Das war als Herrschaftsbegründung im Mittelalter sehr wichtig, drückt es doch auch die Auffassung aus, dass die Herrschaft von Gott herrührte. Dadurch ist es logischerweise eine sehr stark religiös dominierte Zeremonie.

Und diese ganz zentralen Elemente, die mit der Sakralisierung zusammenhängen, sind über die Jahrhunderte gleichgeblieben?

Ja, genau. Die sind grob gesprochen in allen europäischen Königreichen gleich gewesen und haben eine große Kontinuität. Die Gestaltung der Feierlichkeiten rundherum war und ist dagegen variabel, etwa, wie die Prozession zur Kirche gestaltet ist und wer daran teilnimmt.

Es gibt immer bestimmte Herrschaftszeichen, die überreicht werden – und eine wichtige Symbolkraft haben."

Welches sind die weiteren charakteristische Elemente, die fest zum Krönungsritual gehören?

Es gibt immer bestimmte Herrschaftszeichen, die überreicht werden – und eine wichtige Symbolkraft haben. Sie stehen für die verschiedenen Tugenden und Herrschaftsbereiche. Diese können von Land zu Land unterschiedlich sein. In England sind es beispielsweise die Armreife, die die Verbindung zum Land symbolisieren sollen, oder Sporen, die allerdings nicht angelegt werden, und als ein Zeichen der Ritterlichkeit gelten.

Höhepunkt ist der Moment der Krönung. Danach wird die neue Herrscherin oder der neue Herrscher inthronisiert. In der Mitte der Kirche nimmt sie oder er – vor aller Augen sichtbar ­– den Platz auf dem Thron ein. Danach geht der Gottesdienst zu Ende, meist verbunden mit einer Kommunion der oder des Gesalbten. Und am Ende findet ein feierlicher Auszug aus der Kirche statt, der meist in einen Zug durch die Krönungsstadt mündet.

Krone als Symbol

Krönungskronen sind oder waren oft mit Mythen verbunden, ihnen wurden übernatürliche Kräfte zugesprochen."

Wir haben die Herrschaftszeichen angesprochen. Die Krone ist das wohl wichtigste Symbol – was sagt es aus?

Die Krone ist ein Symbol der Macht und ein Symbol des herausgehobenen Standes. Krönungskronen sind oder waren oft mit Mythen verbunden, ihnen wurden übernatürliche Kräfte zugesprochen. So schrieb man etwa die Krone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Reliquiencharakter zu.

Auch der St. Edward`s Crown, die König Charles III. im Moment der Krönung auf den Kopf gesetzt wurde, wird eine besondere sakrale Bedeutung zugeschrieben. Das Übergaberitual der Herrschaft von einer Königin oder einem König zur oder zum nächsten wird durch diese Krone betont. Sie ist die älteste der Königskronen des Vereinigten Königreiches. Im Original stammte sie aus dem 11. Jahrhundert. Ihre heutige Version stammt aber von 1661, da das Original im englischen Bürgerkrieg des 17. Jahrhunderts eingeschmolzen wurde.

Als sagenumwoben gilt übrigens auch der Stone of Scone, der bei Krönungen in Westminster Abbey unter dem Königsthron liegt. 

Hat das Krönungsritual heute noch eine gleich große Bedeutung wie im Mittelalter?

Die Bedeutung ist sicher deutlich geringer – vermutlich wird heute nur mehr ein kleiner Teil der Beiwohnenden wirklich glauben, dass Charles III. in dem Moment der Salbung Gott näherkommt. Aber es ist ein sehr traditionsreiches Ritual, deswegen kann und will man auch in einer heutigen Monarchie nicht ganz darauf verzichten.

Früher war es so, dass die Herrschaft der Königin oder des Königs auch stark in Wechselwirkung mit den adeligen Herrschaftsträgern funktionierte und deswegen war der Moment, wo sie oder er durch diese Salbung aus ihrer Mitte hervorgehoben wurde, bedeutsam, war ein wichtiger Moment, in dem ein hochkomplexes Bild der Ordnung dieses Herrschaftssystems dargestellt wurde. Auch heute nehmen sowohl staatliche Repräsentant:innen als auch die verschiedenen Träger:innen der großen Adelstitel des Landes teil. Und vielleicht hat das in einem Land, wie England, das bis heute keine geschriebene Verfassung hat, eine besondere Bedeutung.

So, there are some disadvantages to crowns, but otherwise, they're quite important things."

Neben den 2000 geladenen Gästen waren auch Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer vor den TV-Geräten, die Faszination scheint also ungebrochen…

Dazu fällt mir ein Satz von Königin Elizabeth II. ein, der diese Faszination der Krone und vielleicht auch der Krönung beschreibt. Anlässlich ihres 65. Kronjubiläums 2018 sah sie zum ersten Mal nach ihrer Krönung die St. Edwards Crown wieder. Mit ihrem typischen Humor erzählte sie, wie schwer diese ist, dass man den Kopf mit der Krone besser nicht zu weit neigen solle, sonst würde einem das Genick brechen. Und dann meinte sie: „So, there are some disadvantages to crowns, but otherwise, they're quite important things." Das drückt schön aus, wie mühselig vielleicht das Zeremoniell für die Gekrönten sein mag, aber wie sehr es auch etwas ganz Einzigartiges ist.

 

Auf einen Blick

Katrin Keller ist stellvertretende Direktorin des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes sowie wissenschaftliche Direktorin für den Forschungsbereich Geschichte der Habsburgermonarchie.