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Klimawandel

Hochwasser: Wer zahlt jetzt den Schaden?

Der Klimawandel führt zu mehr Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen. Der dabei entstehende Schaden belastet die Gemeinschaft massiv und kann einzelne Betroffene ihre Existenz kosten. ÖAW-Schadenersatzrechtler Ernst Karner schildert, wer jetzt in Österreich für die Schäden aufkommen kann und was sich auch in politischer Hinsicht ändern muss.

11.10.2024
Das Hochwasser im September 2024 setzte ganze Landstriche unter Wasser. © AdobeStock

Das jüngste Hochwasser hat allein in Niederösterreich einen Milliardenschaden verursacht. Während die Aufräum- und Reparaturarbeiten voranschreiten, drängt sich eine Frage in den Vordergrund: Wer kann für die ganzen Schäden aufkommen - jetzt und bei den kommenden Extremwetterereignissen, die mit dem Klimawandel in Verbindung stehen?

"Die Versicherer weisen schon seit den 70er-Jahren darauf hin, dass die Risiken durch den Klimawandel steigen und Versicherungen gegen Extremereignisse deshalb teurer werden", betont Ernst Karner vom Institut für Europäisches Schadenersatzrecht der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Graz. Die jüngsten Überflutungen in großen Teilen Österreichs zeigen besonders deutlich, wie die für Katastrophenfälle vorgesehenen Ersatzsysteme immer mehr an ihre Grenzen stoßen. Im Gespräch bewertet Karner die aktuelle Situation aus rechtlicher Perspektive und erklärt, was sich ändern muss, damit Betroffenen auch in Zukunft geholfen werden kann.

Staatliche Sicherungssysteme

Wie schätzen Sie die jüngsten Flutschäden in Österreich ein?

Ernst Karner: Wir sehen insbesondere in Niederösterreich Milliardenschäden durch Sturm und Hochwasser, obwohl freiwillige Einsatzkräfte Bewundernswertes geleistet haben, um das Schlimmste zu verhindern. In Wien ist die Infrastruktur zum Glück so gut, dass es nicht zu derart großen Schäden gekommen ist. Der Katastrophenfonds springt bei solchen Extremereignissen ein, kann aber natürlich bei Weitem nicht alle Schäden decken.

Man kann eben nicht alle Risiken abdecken.

Gibt es für Betroffene neben Hilfen aus dem Katastrophenfonds ein Recht auf Schadenersatz?

Karner: Das Schadenersatzrecht spielt hier keine primäre Rolle. Es gibt zwar einen Anspruch bei Naturkatastrophen, aber nur dann, wenn der Staat seine Pflichten zum Schutz der Rechtsgüter nicht erfüllt hat. Das lässt natürlich sehr breiten argumentativen Spielraum. Es gab oberstgerichtliche Rechtsprechung in Österreich zu Flutereignissen im Kamptal oder in Steyr im Jahr 2002, die zum Schluss kam, dass der Staat nicht gegen hundertjährliche Hochwasser schützen kann und die Ausrichtung auf dreißigjährliche Flutereignisse die Pflicht erfüllt. Man kann eben nicht alle Risiken abdecken.

Wo liegt die Grenze?

Karner: Der Staat muss Maßnahmen für den Katastrophenfall setzen, aber der Umfang ist offen. Es gab durchaus Fälle, in denen Gemeinden die Haftung übernehmen mussten, etwa weil sie falsche Auskünfte über das Risiko in bestimmten Zonen oder Genehmigungen in „roten Zonen“ erteilt haben. Das sind aber immer Fälle, in denen die Behörden etwas falsch gemacht haben. Das Versicherungsrecht spielt für solche Naturkatastrophen eine weitaus bedeutendere Rolle.

Klimawandel und Versicherungen

Wie gehen die Versicherungen mit steigenden Risiken um?

Karner: Die Versicherer weisen schon seit den 70er-Jahren darauf hin, dass die Risiken durch den Klimawandel steigen und Versicherungen gegen Extremereignisse deshalb teurer werden. Wer in Österreich alles verloren hat, bekommt von der Versicherung je nach Polizze und Beitragshöhe einen Teil des Schadens ersetzt, aber meist eben nur einen kleinen Teil. In Florida ziehen sich die Versicherer aus einigen Gebieten bereits zurück, weil das Risiko für Flutereignisse zu hoch ist und Häuser nicht mehr zu zumutbaren Konditionen versichert werden können.

Eine Partnerschaft aus Staat und Versicherungen ist in solchen Fällen sicher sinnvoll.

Was heißt das für die Zukunft, wenn Naturkatastrophen durch den fortschreitenden Klimawandel noch häufiger werden?

Karner: Die vorhandenen Ersatzsysteme werden das Risiko nicht mehr tragen können. In Österreich wurde im Zuge der Überschwemmungen jetzt der Katastrophenfonds aufgestockt, um schnell und unbürokratisch die schlimmsten Folgen für Betroffene abzufedern. Die Mittel sind aber begrenzt und am Ende ist das ein freiwilliges Angebot. Manche Staaten haben eine Pflichtversicherung gegen bestimmte Naturkatastrophen und auch in Österreich gibt es Expert:innen, die genau das aus guten Gründen fordern. Letztlich wird der Staat aber einen Beitrag leisten müssen, wenn die Risikogemeinschaft überfordert ist. In Österreich ist das etwa bei Hagelschäden bereits der Fall, wo die Versicherer alleine durch die Häufung der Ereignisse ebenfalls schon überlastet wären. Eine Partnerschaft aus Staat und Versicherungen ist in solchen Fällen sicher sinnvoll.

Präventive Maßnahmen

Welche Maßnahmen können getroffen werden, um das Risiko zu minimieren?

Karner: Wir haben in Österreich lange Erfahrung mit Rückhaltebecken, Wildbachverbauungen und dem Lawinenschutz. Diese Expertise müssen wir noch stärker nutzen. Überdies ist es unumgänglich, die Bebauung in hochwassergefährdeten Gebieten entsprechend anzupassen. Schließlich gehört zu einem adäquaten Hochwasserschutz auch, Auwälder und andere Pufferzonen wiederherzustellen und endlich aufzuhören, Böden im großen Stil zu versiegeln. Wir brauchen eben ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Der Druck, die entsprechenden politischen Weichenstellungen zu setzen, wird jedenfalls weiter steigen. Zusätzlich zu solch präventiven Maßnahmen ist ein optimiertes Versicherungsrecht erforderlich, das die richtigen Anreize setzt und die letztlich auf die Allgemeinheit abgewälzten Kosten möglichst gering hält.

 

Auf einen Blick

Ernst Karner ist Direktor des Instituts für Europäisches Schadenersatzrecht der ÖAW und der Karl-Franzens-Universität Graz. Er ist zudem Professor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien.