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WeltraumforschungExoplaneten

Auf der Suche nach der zweiten Erde

Grazer ÖAW-Forscher:innen sagen in einer neuen Nature-Studie erdähnliche Planeten mit Helium-Atmosphären voraus.

12.06.2025
Die Erde gilt mit ihrer Stickstoff-Sauerstoff-dominierten Atmosphäre, in der sich komplexes Leben entwickeln konnte, als einzigartig.
© Adobe Stock

Forscher:innen des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) untersuchten in einer Studie, die soeben in der renommierten Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht wurde, die frühen Atmosphären erdähnlicher Planeten. Sie stellten fest, dass viele dieser Planeten Helium-dominierte Atmosphären besitzen könnten, welche die Entwicklung komplexer Lebensformen verhindern würden. 

Ist die Erde einzigartig?

Bis heute ist die Erde das einzige bekannte Beispiel eines Lebensraums mit einer Stickstoff-Sauerstoff-dominierten Atmosphäre, in der sich komplexes, sauerstoffatmendes Leben, darunter auch Tiere und der Mensch, entwickeln konnte. Dies wirft zwei grundlegende Fragen auf: Wie häufig gibt es Planeten wie die Erde, also lebensfreundliche Himmelskörper mit Stickstoff-Sauerstoffatmosphären? Und wie lebensfreundlich ist unsere Galaxie? 

Ein erdähnlicher Planet muss bestimmte Anforderungen erfüllen, um lebensfreundliche Bedingungen für komplexes Leben zu ermöglichen. Unter anderem ist die Menge an Wasserstoff und Helium, die ein wachsender Planet von der sogenannten planetenformenden Scheibe aufnehmen kann, von großer Bedeutung. Dabei handelt es sich um Scheibe aus Gas, Staub und Asteroiden, die einen neuen Stern umgibt und Gas- und Gesteinsplaneten entstehen lässt. 

Forschungslücke Ur-Atmosphäre

Aus planetenformenden Scheiben bildet sich die Anreicherung von Wasserstoff, Helium und anderen Gasen - sogenannte primordiale Atmosphären oder Ur-Atmosphären. Diese wurden bei Studien über potentielle lebensfreundliche Bedingungen erdähnlicher Planeten meistens übersehen. Diese Forschungslücke motivierte die IWF-Forscher nun dazu, den Einfluss von angereichertem primordialem Wasserstoff und Helium auf die Evolution erdähnlicher Planeten im Detail zu untersuchen. Jüngste Beobachtungen von Exoplaneten enthüllten die Existenz einer großen Population massearmer Planeten mit ausgedehnten Wasserstoff-Helium-dominierten Atmosphären.

Wie entwickeln sich Planeten und ihre Atmosphären?

Das Element Wasserstoff ist viermal leichter als Helium und entflieht daher - abhängig von der Masse des Planeten, seiner Umlaufbahn und der Strahlungsaktivität seines Sterns - verhältnismäßig einfach ins Weltall. Über lange Zeiträume kann es durch diesen Prozess dazu kommen, dass in extremen Fällen sogar eine reine Helium-Atmosphäre übrigbleibt.

Um diese exotischen Atmosphären zu formen, muss ein Planet jedoch bereits innerhalb der Scheibe des Zentralgestirns eine bestimmte, mit der Erde vergleichbare Masse erreichen. Ansonsten wäre eine Wasserstoff- oder Helium-dominierte Atmosphäre gravitativ instabil und würde sich kurz oder lang zur Gänze ins Weltall verflüchtigen. Die Entdeckung massearmer Gesteinsplaneten mit ebensolchen primordialen Atmosphären innerhalb habitabler Zonen um Sterne würde demnach über deren Entstehungszeitskalen sowie über die Evolution der Strahlung des Sterns Aufschluss geben.

Planeten, deren Masse unter jener der Erde liegt, verlieren ihre Ur-Atmosphäre.

"Bei unseren Untersuchungen haben wir herausgefunden, dass die angesammelte Ur-Atmosphäre innerhalb von hunderttausenden bis mehreren Millionen Jahren verloren geht, sofern die Masse des Planeten unter jener der Erde liegt. Massereichere Körper verlieren ihre primordiale Atmosphäre jedoch nicht, oder dieser Prozess kann mehrere hundert Millionen Jahre dauern", betont IWF-Gruppenleiter Helmut Lammer, Erstautor der Studie.

Die Suche nach erdähnlichen Planeten

"Unser Modell zeigt auch, dass die Erde am Ende des protosolaren Nebels – etwa 4 Millionen Jahre nach Entstehung der Sonne – nicht zu ihrer vollständigen Größe angewachsen sein konnte. Wäre dem so, hätte unsere Erde nun eine dichte Helium-Atmosphäre und Leben, wie wir es kennen, wäre auf ihr wohl nicht möglich", sagt Ko-Autor Manuel Scherf vom IWF Graz.  "Diese unerwartete Entdeckung wird die Anzahl habitabler, erdähnlicher Planeten - und demnach auch die Wahrscheinlichkeit von komplexem und intelligentem Leben in unserer Milchstraße - wohl noch weiter reduzieren."

Diese Arbeit unserer IWF-Forscher zeigt, wie essentiell das Studium der Atmosphären von extrasolaren Planeten ist.

Anhand der Forschungsergebnisse kann man schlussfolgern, dass ein gründliches Verständnis des komplexen Zusammenspiels zwischen der Geschwindigkeit der Massenanreicherung eines Planeten und der damit verbundenen Lebensdauer der Gasscheibe, der Anreicherung primordialer Atmosphären und der Aktivitätsentwicklung des Zentralgestirns, grundlegend sein wird, um die Entstehung erdähnlicher, habitabler Planeten, und somit auch die Entstehung komplexen Lebens, nachverfolgen zu können.

"Diese Arbeit unserer IWF-Forscher zeigt, wie essentiell das Studium der Atmosphären von extrasolaren Planeten ist, um deren Entwicklung aber auch die Möglichkeit von Leben, wie wir es auf der Erde kennen, auf Planeten in der Galaxie zu verstehen, und letztlich zu suchen", betont IWF-Direktorin Christiane Helling.

 

Auf einen Blick 

Publikation
H. Lammer, M. Scherf, N. V. Erkaev, D. Kubyskina, K. D. Gorbunova, L. Fossati, P. Woitke: Earth-mass planets with He atmospheres in the habitable zone of Sun-like starsNature Astronomydoi.org/10.1038/s41550-025-02550-6, 2025