Exoplaneten: Suche nach zweiter Erde nimmt Fahrt auf
02.04.2025
HD 20794 d ist ein neuer Hoffnungsträger bei der Suche nach erdähnlichen Planeten: Der kürzlich entdeckte Exoplanet befindet sich sich im kosmischen Maßstab in unserer direkten Nachbarschaft und erfüllt viele Voraussetzungen für die Existenz einer stabilen Atmosphäre.
Was den Planten so spannend für die Beobachter:innen macht und welche anderen vielversprechenden Kandidaten sie bei der Suche nach erdähnlichen Himmelskörpern aktuell am Radar haben, erzählt Luca Fossati, Vizedirektor des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), im Interview.
Erdähnliche Planeten
Wie definieren Physiker:innen den Begriff erdähnlich?
Luca Fossati: Die wichtigsten Kriterien sind eine geringe Masse und eine Umlaufbahn in der habitablen Zone eines Sterns, wo die Temperaturen flüssiges Wasser zulassen. Die Grenze für “geringe Masse” setzen wir bei ungefähr fünf Erdmassen an.
Wir kennen bislang ungefähr 6.000 Exoplaneten. Wie viele davon sind erdähnlich?
Fossati: Nach den genannten Kriterien ungefähr fünf bis zehn. Allerdings haben wir bei einigen davon nur eine Untergrenze für die Masse. Auch beim neu entdeckten Exoplaneten HD 20794 d wissen wir nur, dass er mindestens die fünffache Erdmasse hat. Die Geometrie der Umlaufbahn kennen wir in solchen Fällen auch nicht genau. Nur für Planeten, die wir mit unseren Teleskopen vor ihrem Stern vorbeiziehen sehen, können wir die Masse und Umlaufbahn exakt feststellen. Wenn wir keinen solchen Transit haben und auf indirekte Methoden wie die Radialgeschwindigkeitsmethode angewiesen sind, können wir lediglich eine Untergrenze für die Masse angeben.
Könnte HD 20794 d also deutlich massiver sein?
Fossati: HD 20794 d ist sicher kein Jupiter, aber die Masse könnte durchaus auch das Zehnfache der Erdmasse betragen. Dann wäre der Planet fast sicher ein Gasplanet. Zwischen vier und acht Erdmassen ist die Klassifizierung schwierig, in diesem Bereich gibt es sowohl Gas- als auch Gesteinsplaneten. Exakt bestimmen lässt sich das nur durch direkte Beobachtungen der Atmosphäre oder eine Messung des Planetenradius.
Kandidat HD 20794 d
Haben wir eine Chance, HD 20794 d direkt zu beobachten?
Fossati: Mit einer Entfernung von etwa 20 Lichtjahren ist HD 20794 d ein Kandidat für einen erdähnlichen Planeten in unserer direkten kosmischen Nachbarschaft. Mit einem Koronograph, der es Teleskopen erlaubt, das Licht eines Sterns abzudecken, damit wir umlaufenden Planeten direkt sehen können, könnten wir eine mögliche Atmosphäre von HD 20794 d spektroskopisch untersuchen. Dann wüssten wir genau, ob es sich um einen Gasplaneten oder um einen Felsplaneten mit oder ohne Atmosphäre handelt.
Sind solche Teleskope mit Koronographen schon verfügbar?
Fossati: Die NASA hat eine solche Mission im Plan, nämlich das Habitable Worlds Observatory. Dieses Weltraumteleskop mit Koronograph soll in Zukunft Exoplaneten direkt im UV, optischen und nahen infraroten Spektrum beobachten. Der Start ist aber frühestens für 2039 angedacht.
Die Erde wäre unter derartigen Bedingungen nicht für Leben geeignet, weil wir für ein Drittel des Jahres komplett durchgefroren wären.
Wie stehen die Chancen, dass es auf HD 20794 d aussieht wie bei uns?
Fossati: Der Planet ist so groß, dass er ziemlich sicher eine Atmosphäre hat. Wir vermuten, dass HD 20794 d weit genug von seinem Stern entfernt ist, um eine Atmosphäre dauerhaft zu halten. Der Stern, um den der Planet kreist, ist geringfügig kleiner und kühler als unsere Sonne. Wir würden auf der Erde optisch keinen Unterschied erkennen, wenn wir tauschen würden. Wir wissen aber auch, dass die Umlaufbahn von HD 20794 d eine hohe Exzentrizität aufweist, was dazu führt, dass der Planet nur für zwei Drittel seines 650-Tage-Jahres in der habitablen Zone liegt. Unsere Venus könnte auf einer solchen Umlaufbahn eine konstante Temperatur halten, weil die sehr dichte CO2 Atmosphäre isolierend wirkt. Die Erde wäre unter derartigen Bedingungen aber nicht für Leben geeignet, weil wir für ein Drittel des Jahres komplett durchgefroren wären.
Vielversprechendes Trappist-1-System
Welches sind die besten Kandidaten für erdähnliche Planeten, die wir bisher kennen?
Fossati: Mehrere Planeten im Trappist-1-System haben ungefähr denselben Radius wie die Erde. Sie sind also keine Gasplaneten, können aber eine Atmosphäre halten. Exakte Messungen sind aber sehr schwierig. Wir wissen, dass die inneren Planeten Atmosphären haben könnten, aber dort ist es viel heißer als auf der Erde. Für die äußeren Planeten, die in der habitablen Zone liegen, haben wir bisher keine Hinweise auf Atmosphären.
Wenn es Atmosphären gibt, sind sie meistens CO2-dominiert, wie bei Mars und Venus.
Wie sehen die Atmosphären von Exoplaneten aus?
Fossati: Wenn es Atmosphären gibt, sind sie meistens CO2-dominiert, wie bei Mars und Venus in unserem Sonnensystem. Eine stickstoffdominierte Atmosphäre wie auf der Erde wäre ein starkes Anzeicheichen für Leben, weil sie bei Planeten in der habitablen Zone nicht allein durch geologische Prozesse gebildet werden kann. Aber Stickstoff lässt sich mit unseren Teleskopen leider nur sehr schwer nachweisen, weil die Absorptionslinien im UV-Bereich liegen. Für so kurze Wellenlängen können wir auch keine effektiven Koronographen bauen. Sauerstoff, Wasserstoff, CO2 oder Ozon können wir hingegen verlässlich spektroskopisch nachweisen.
PLATO-Mission
Um welche Art von Stern kreisen die bekannten Kandidaten?
Fossati: Die meisten möglicherweise erdähnlichen Planeten, zum Beispiel im Trappist-1-System, kreisen um Rote Zwerge oder unwesentlich größere und heißere Sterne. Das liegt daran, dass solche Systeme mit der Radialgeschwindigkeitsmethode am leichtesten zu finden sind. Kleine Planeten in der habitablen Zone von größeren Sternen sind viel schwieriger zu entdecken. Aber unsere Instrumente werden besser und in Zukunft werden wir deutlich mehr erdähnliche Planeten entdecken. Schon ab Anfang 2027 wird die PLATO-Mission der ESA mit der Transitmethode gezielt nach erdgroßen Planeten in der habitablen Zone von sonnenähnliche Sternen suchen. Für diese Kandidaten kennen wir dann auch die Masse genau.
Es wird einige Zeit dauern, bis wir mehr wissen.
Wie viele erdähnliche Planeten wird PLATO finden?
Fossati: PLATO wird tausende Planeten entdecken, aber wir rechnen nur mit einem bis fünf erdgroßen Planeten in der habitablen Zone eines Sterns. Wir wissen, dass jeder Stern im Schnitt mindestens einen Planeten hat, aber die Chance, dass wir einen solchen Exoplaneten von der Erde aus im Transit beobachten können, liegt nur bei etwa eins zu einer Milliarde. Davon sind dann vielleicht fünf Promille erdähnlich. Plato untersucht einen Großteil des Himmels, der von der Südhalbkugel aus zu sehen ist und spezialisiert sich auf Sterne, die weniger als 150 Lichtjahre von der Erde entfernt sind, damit wir genug Licht einfangen können, um spektroskopische Untersuchungen zu machen.
Kann PLATO auch erkennen, ob es Leben auf einem Planeten geben könnte?
Fossati: Wenn PLATO fünf Kandidaten für einen erdähnlichen Planeten liefert, die alle eine CO2-dominierte Atmosphäre haben, haben wir nichts über die Wahrscheinlichkeit für lebensfreundliche Bedingungen auf Exoplaneten gelernt. Aber wenn eine Stickstoffatmosphäre dabei sein sollte, wird es sehr interessant. Die ersten PLATO-Daten erwarten wir 2027, aber wir brauchen zwei Transits, um einen Planeten zu bestätigen, und noch deutlich länger, um die Masse zu mit spektroskopischen Messungen zu erfassen. Es wird also einige Zeit dauern, bis wir mehr wissen.