22.12.2021 | KELT-9b

SPUREN VON SAUERSTOFF IN EXOPLANETEN-ATMOSPHÄRE

Ein internationales Team, dem auch die Weltraumforschung der ÖAW angehört, hat erstmals Sauerstoffatome in der glühend heißen Atmosphäre des Exoplaneten KELT-9b nachgewiesen. Darüber berichten die Forscher/innen in der Fachzeitschrift Nature Astronomy.

Der heiße Exoplanet KELT-9b. © Harald Ritsch/ÖAW
Der heiße Exoplanet KELT-9b. © Harald Ritsch/ÖAW

Exoplaneten sind Planeten, die andere Sterne als die Sonne umkreisen. Seit die ersten extrasolaren Planeten vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten entdeckt wurden, haben Wissenschaftler/innen versucht, ihre Atmosphären zu charakterisieren und zu erklären, warum sie sich so sehr von den Planeten in unserem Sonnensystem unterscheiden. Um die Atmosphären dieser fernen Planeten zu beobachten, wird in den Spektren der Exoplaneten nach deren spektralen „Fingerabdrücken“ gesucht.

„Bei einem sogenannten Transit zieht der Planet von der Erde aus gesehen vor seinem Mutterstern vorbei“, erklärt Luca Fossati, Gruppenleiter am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). „Wenn der Planet eine Atmosphäre hat, geht ein Teil des Sternenlichts durch sie hindurch und erlaubt uns, die physikalischen Eigenschaften und die Zusammensetzung der Atmosphäre zu untersuchen“, so der Zweitautor der aktuellen Studie über KELT-9b in Nature Astronomy.

Heiß, heißer, KELT-9b

Der 2017 entdeckte Exoplanet KELT-9b befindet sich 650 Lichtjahre von uns entfernt, in Richtung des Sternbilds Schwan. Er ist ein Gasriese mit der 2,8-fachen Masse des Jupiters, aber einer doppelt so geringen Dichte. KELT-9b wird von seinem Mutterstern HD 195689 extrem intensiv bestrahlt. Da der Planet dem Stern sehr nahe ist und ihm (wie Mond und Erde) immer die gleiche Seite zeigt, werden auf der ständig beleuchteten Hemisphäre Temperaturen von über 4000 Grad Celsius erreicht. Werte, die so hoch sind, dass sogar Wolfram schmelzen würde, ein Metall, das üblicherweise in unseren Glühbirnen verwendet wird.

Das liegt daran, dass KELT-9b in nur etwa 36 Stunden um seinen heißen und hellen Mutterstern kreist. Bei solchen Temperaturen können elementare Moleküle wie Wasser, Kohlendioxid und Methan nicht existieren und auch kein Leben, wie wir es kennen. Diese extremen Eigenschaften machen KELT-9b so interessant. Die Wissenschaftler/innen wollen die Natur eines so heißen und eigenartigen Objekts verstehen und herausfinden, warum der Planet in der Nähe seines Muttersterns nicht einfach verdampft.

Neue Einsichten in die ultraheiße Welt von KELT-9b

Sauerstoff ist nicht gleich Leben

Mit dem Ziel, die Eigenschaften von KELT-9b besser zu charakterisieren, entdeckte das Team die spektralen „Fingerabdrücke“ von atomarem Sauerstoff im Spektrum des Planeten. Es ist der erste eindeutige Nachweis von Sauerstoffatomen in der Atmosphäre eines Exoplaneten. Die Idee für den Nachweis lieferten neue Simulationen der Planetenatmosphäre, die von Fossati geleitet wurden.

Die Forscher/innen haben ein Computermodell entwickelt, das die Atmosphären heißer Exoplaneten simulieren kann. Mit diesem Modell lassen sich die wichtigsten Eigenschaften der äußersten Exoplaneten-Atmosphären am Computer nachbilden und ihre Struktur, Zusammensetzung und Temperatur mit bisher unerreichter Genauigkeit vorhersagen. Die aus den Simulationen für KELT-9b gewonnenen Daten stimmen nicht nur mit früheren Beobachtungen anderer chemischer Elemente - wie Wasserstoff - in seiner Atmosphäre überein, sondern deuten auch auf den möglichen Nachweis von Sauerstoffatomen hin.

Das Vorhandensein von Leben auf KELT-9b ist bei den Temperaturen, die auf seiner Oberfläche herrschen, zwar ausgeschlossen, die Technologie und die Computermodelle können aber ebenso effektiv für die Suche nach Sauerstoff in den Atmosphären von gemäßigteren, erdähnlichen Exoplaneten eingesetzt werden.

Simulationen stimmen mit Realität überein

Das Forschungsteam analysierte frühere Beobachtungen des Planeten, die mit dem 3,6-Meter-Teleskop des Calar-Alto-Observatoriums in Spanien gemacht wurden. ÖAW-Forscher Fossati: „Unsere Ergebnisse bestätigten die Vorhersage des theoretischen Modells: Die Sauerstoffspuren waren von Anfang an vorhanden, wurden aber in früheren Analysen übersehen.“ Das Modell hat nicht nur ihr Vorhandensein vorhergesagt, es stimmt auch überraschend gut mit den Beobachtungen überein. Das gibt den Forschenden die Gewissheit, dass die Physik, auf der die Simulationen basieren, die Realität heißer Atmosphären von Exoplaneten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß abbildet.

Die Ergebnisse zeigen, dass KELT-9b zwar im Laufe der Zeit etwas Gas aus seiner heißen Atmosphäre verliert, aber nicht die Gefahr besteht, dass er in absehbarer Zeit verdampft. Seine Nähe zum Stern führt jedoch zu starken Turbulenzen und stürmischen Winden in seiner Atmosphäre. „Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Windgeschwindigkeiten bis zu 40.000 Kilometer pro Stunde erreichen können, was bemerkenswert ist, wenn man bedenkt, dass die stärksten auf der Erde gemessenen Windgeschwindigkeiten etwa 400 Kilometer pro Stunde betragen und jene des Jupiters bei etwa 1.500 Kilometer pro Stunde liegen“, erklärt Fossati.

Generalprobe für künftige Sauerstoffsuche

Die Übereinstimmung zwischen dem Modell und den Beobachtungen ist ein Meilenstein in der Erforschung von Planeten außerhalb des Sonnensystems. „Wir wissen jetzt, dass wir realistische Modelle von Exoplaneten erstellen und die Atmosphären der heißesten Exoplaneten deutlich besser verstehen können“, betont Fossati. Ähnliche Beobachtungen der Atmosphären kleinerer, kühlerer Planeten sind zwar noch nicht möglich, werden es aber eines Tages sein. „Wir betrachten diese Arbeit als Generalprobe für die künftige Suche nach Sauerstoff in den Atmosphären verschiedener Planeten in der Galaxie, einschließlich kleinerer, möglicherweise bewohnbarer, erdähnlicher Welten“, ist Fossatti zuversichtlich.

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:

„High-resolution detection of neutral oxygen in the atmosphere of an ultra-hot exoplanet“, F. Borsa, L. Fossati, T. Koskinen, M.E. Young, and D. Shulyak, Nature Astronomy, 2021
DOI: 10.1038/ s41550-021-01544-4