31.03.2023 | Impaktforschung

Planetary Defense: Was tun, wenn Gefahr aus dem All droht?

Als planetare Verteidigung bezeichnet man Pläne, die extraterrestrische Gefahren, vor allem drohende Einschläge von Himmelskörpern, abwenden sollen. Der erste Planetary Defense Officer der NASA, Lindley Johnson, erklärt im Interview, was genau seine Aufgaben sind, wie groß die Gefahr durch Himmelskörper ist und ob man auf die Erde zurasende Objekte einfach sprengen kann.

Illustration der 2022 von der NASA durchgeführten Mission DART, welche eine Raumsonde mit einem Asteroiden kollidieren ließ und so dessen Laufbahn veränderte. © NASA/JHUAPL/Steve Gribben

Vom 3. bis zum 7. April findet in Wien die 8. Internationale Planetary Defense Conference statt. Vor dem offiziellen Auftakt lädt die ÖAW am 2. April zur öffentlichen Diskussionsveranstaltung “ACHTUNG IMPACT: PLANETARE VERTEIDIGUNG UND DIE DART-MISSION” ein. Dort sprechen Experten wie Lindley Johnson, der erste Planetary Defense Officer der NASA, über mögliche Schutzmaßnahmen gegen Asteroideneinschläge.

Was sind die Aufgaben eines Planetary Defense Officers der NASA?

Lindley Johnson: Ich bin seit sieben Jahren als Planetary Defense Officer tätig und leite das NASA-Programm zu potenziellen Einschlägen von Asteroiden und Kometen. Ich koordiniere alle Projekte, die solche Objekte frühzeitig aufspüren sollen, damit wir eine Chance haben, mögliche Einschläge zu verhindern. Wenn wir ein potenziell gefährliches Objekt finden, koordiniere ich die Zusammenarbeit der Behörden innerhalb der US-Regierung, damit alle verfügbaren Ressourcen genutzt werden können.

Wie passen die Verteidigung des Planeten und die Arbeit für eine einzelne Regierung zusammen?

Johnson: Die NASA übernimmt für die US-Regierung eine Führungsrolle in der Planetaren Verteidigung, aber wir arbeiten natürlich auch international mit Organisationen wie der ESA zusammen, um ein weltweites Frühwarnsystem aufzubauen. Aber natürlich steigt im Krisenfall das Potenzial für Reibereien. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Daten teilen, um Gefahren so früh wie möglich zu erkennen und gemeinsame Gegenmaßnahmen zu entwerfen. Genau dafür wurde die Planetary Defense Conference ins Leben gerufen.

Mit DART konnten wir erstmals zeigen, dass wir das Wissen und die Technologie haben, um etwas gegen Bedrohungen durch Asteroiden und Kometen zu unternehmen.

Erfolgreicher Einsatz in der Praxis

Mit DART wurde das Konzept der Planetaren Verteidigung vor kurzem erstmals praktisch demonstriert. Macht das einen Defense Officer stolz?

Johnson: Mit DART konnten wir erstmals zeigen, dass wir das Wissen und die Technologie haben, um etwas gegen Bedrohungen durch Asteroiden und Kometen zu unternehmen. Das ist ein signifikanter Meilenstein für die Planetare Verteidigung. Aber man muss auch klar die Grenzen dieser Technologie sehen. Deshalb werden wir weiterhin an alternativen Methoden arbeiten.

Was für Objekte könnten wir mit der DART-Technologie ablenken?

Johnson: Damit kinetische Impaktoren wie DART funktionieren, müssen wir Asteroiden lange vor einem möglichen Einschlag finden. Auf die Schnelle können wir einen Asteroiden so nicht ablenken, weil sehr viel Energie notwendig ist, um die Umlaufbahn eines Asteroiden zu verändern. Wir versuchen also, potenzielle Gefahrenquellen so früh wie möglich zu entdecken. Der geplante Near Earth Object Surveyor der NASA ist ein Weltraumteleskop, das gefährliche Asteroiden Jahrzehnte vor einem möglichen Impakt entdecken kann. Dann haben wir genug Zeit, um die Umlaufgeschwindigkeit eines Asteroiden mit einem Impaktor minimal zu verändern und können einen potenziellen Einschlag auf der Erde fünf Jahre später in einen harmlosen Vorbeiflug verwandeln.

Welche anderen Gegenmaßnahmen wären denkbar?

Johnson: Der Einsatz eines Gravitationstraktors wäre eine weitere Möglichkeit. Dabei nutzen wir die Gravitation, um ein Objekt aus der Bahn zu lenken. Dafür müssen wir eine Sonde einfach nur über lange Zeiträume in der Nähe des Objekts halten. Die winzigen Gravitationsfelder reichen aus, um es auf eine ungefährliche Umlaufbahn zu lenken. Das wäre sehr gut kontrollierbar: Man zieht einfach so lange am Objekt, bis die gewünschte Bahnänderung erreicht ist. Mit einem Ionenstrahl könnte man einen Asteroiden ebenfalls ablenken. Dabei würde eine Sonde ein leistungsfähiges solarbetriebenes Ionentriebwerk auf den Asteroiden richten. Über eine lange Zeit könnten Milliarden von ausgestoßenen Ionen die Geschwindigkeit und Umlaufbahn des Asteroiden ändern. 

Die Sprengung eines Asteroiden hilft uns nicht wirklich weiter, weil sie die Flugbahn nicht verändert.

Ist Sprengung die Lösung?

Eine schnelle, explosive Lösung wie im Kinofilm gibt es nicht?

Johnson: Hollywood will natürlich immer möglichst dramatisch sein und eine Bombe würde tatsächlich den intensivsten Impuls liefern, den wir kennen. Die Sprengung eines Asteroiden hilft uns aber nicht wirklich weiter, weil sie die Flugbahn nicht verändert. Dann haben wir statt eines großen Brocken viele geringfügig kleinere Bruchstücke, die auf die Erde zufliegen. Wenn wir nur wenig Zeit hätten, um einen Einschlag zu verhindern, könnte eine spezielle nukleare Sprengvorrichtung eine Option sein. Das wäre aber keine Bombe, sondern eine Vorrichtung, die versucht, Teile des Asteroiden gezielt zu verdampfen, um durch den Rückstoß eine Bahnänderung zu erreichen.

Gibt es konkrete Pläne, solche Technologien auszuprobieren?

Johnson: Derzeit nicht. Aber wir wollen den Vorbeiflug des Asteroiden Apophis 2029 nutzen, um unsere Analysefähigkeiten zu testen. Ein so knapper Vorbeiflug passiert nur sehr selten, das ist vergleichbar mit dem Halleyschen Kometen von 1986. Wir wollen zeigen, dass wir in der Lage sind, Größe, Form und Zusammensetzung von nahen Objekten sehr schnell zu charakterisieren. 

Derzeit kennen wir keine Objekte, die uns in absehbarer Zeit gefährlich werden könnten.

Welche gefährlichen Objekte kennen wir?

Johnson: Derzeit kennen wir keine Objekte, die uns in absehbarer Zeit gefährlich werden könnten. Die höchste Wahrscheinlichkeit für einen Einschlag hat der Asteroid Bennu, und hier sprechen wir von einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 2700 im Jahr 2182. Aus heutiger Sicht müssen wir uns in den kommenden 100 Jahren keine Sorgen machen. 

Ab wann Himmelskörper zur Gefahr werden

Und wie groß ist die Gefahr durch unbekannte Objekte?

Johnson: Wir wurden vom US-Kongress beauftragt, alle erdnahen Objekte mit mehr als 140 Meter Durchmesser zu finden. Ab dieser Größe könnte ein Einschlag - vor allem auf Land - katastrophale Folgen haben. Wir gehen davon aus, dass es insgesamt etwa 25.000 solche Objekte gibt, die der Erde näher als 30 Millionen Kilometer kommen. Bisher kennen wir knapp unter 11.000, das sind etwa 42 Prozent. Der NEO Surveyor wurde entwickelt, um den Rest innerhalb von etwa zehn Jahren aufzuspüren. Vielleicht ist das Risiko für einen bedrohlichen Einschlag tatsächlich gleich null, ich vermute aber, dass wir ein paar potenziell bedrohliche Objekte finden werden. Die werden wir dann genau im Auge behalten.

Sind extrasolare Objekten wie Oumuamua oder Kometen eine Gefahr?

Johnson: Objekte auf einer interstellaren Flugbahn könnten uns Probleme bereiten. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Körper sich auf einem Kollisionskurs befindet, astronomisch gering. Der Einschlag eines Kometen mit langer Umlaufbahn ist etwa 100 mal weniger wahrscheinlich als eine Kollision mit einem erdnahen Asteroiden. Die Gefahr durch ein interstellares Objekt ist nochmals um zwei bis drei Größenordnungen geringer. 

Könnten wir ein kleines Objekt wie den Meteor von Tscheljabinsk entdecken?

Johnson: Es wäre natürlich nett zu wissen, wenn ein Objekt wie der Meteor von Tscheljabinsk uns erreicht. In solchen Fällen reicht es aber aus, wenn wir die Menschen in der betroffenen Region einige Stunden vorher warnen können, damit sie Schutz suchen und sich von den Fenstern fernhalten. Die Schäden haben in Tscheljabinsk zwar 30 Millionen Dollar erreicht, aber das ist, was Naturkatastrophen angeht, kein relevanter Betrag. Mit dem NEO Surveyor und kommenden Teleskopgenerationen sollten wir in der Lage sein, auch Objekte mit weniger als 100 Meter Durchmesser rechtzeitig zu erkennen.

 

Auf einen Blick

Öffentliche Informationsveranstaltung: "Achtung Impact: Planetare Verteidigung und die DART-Mission" 
2. April 2023, 16:30-20:00 Uhr an der Österreichische Akademie der Wissenschaften

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