02.09.2019 | Forschungsförderung

DREI NEUE ERC STARTING GRANTS FÜR ÖAW-FORSCHER

Der Molekularbiologe Alejandro Burga, Kulturwissenschaftler Rüstem Ertuğ Altınay und Biochemiker Georg Winter werden mit je einem Starting Grant des Europäischen Forschungsrates ERC ausgezeichnet. Seit Beginn der Vergaben im Jahr 2007 haben Forscher/innen der ÖAW damit insgesamt bereits 50 Preise des ERC eingeworben.

© ÖAW

In der jüngsten Vergaberunde der Forschungspreise des Europäischen Forschungsrates (European Research Council, ERC) wurden auch drei Wissenschaftler der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) für ihre herausragenden Forschungen ausgezeichnet: Molekularbiologe Alejandro Burga, Kulturwissenschaftler Rüstem Ertuğ Altınay und Biochemiker Georg Winter.

Alejandro Burga: Egoistische Gene

Alejandro Burga vom IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW erforscht mit seinem mit 1,5 Millionen Euro dotierten Starting Grant evolutionäre Mechanismen, die das Erbgut beeinflussen und bei Artenbildung sowie Krankheitsentstehung eine Rolle spielen. In seinem Fokus stehen bestimmte „egoistische“ Gen-Paare, sogenannte Toxin-Antidote Systeme. Fehlt das Antidote, sprich das Gegengift, wird das Toxin aktiv – in diesem Fall ein Protein, das ohne die Aktivität des Gegengifts zu bestimmten Fehlfunktionen im Körper führen kann.

Solche Toxin-Antidote Systeme sind bereits seit Jahrzehnten bei Bakterien bekannt. „Wir konnten derartige Systeme auch im Tierreich bei einigen Arten von karibischen Fadenwürmen nachweisen. Im Zuge meines ERC-Forschungsprojekts wollen wir nun zum einen herausfinden, ob sie auch bei Wirbeltieren vorkommen. Außerdem wollen wir den genauen Mechanismus der Toxin-Antidote Systeme auf einer molekularen Ebene studieren. Die Forschung soll uns helfen, biologische Prozesse wie Artenbildung sowie die beschleunigte Ausbreitung von Genen in Populationen, den sogenannten Gene-Drive, ganzheitlich zu verstehen“, sagt Burga.

Rüstem Ertuğ Altınay: Theater und Identität in der Türkei

Wie hängen Theater und die Herausbildung von Nationalstaaten zusammen? Und werden auf der Bühne auch Identitäten von Minderheiten verhandelt? Rüstem Ertuğ Altınay, dessen Starting Grant mit knapp 1,5 Millionen Euro dotiert ist, wird diese Fragen am Beispiel der Türkei am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der ÖAW untersuchen.

Das europäisch geprägte Theater begann seinen Siegeszug in der Tanzimat-Ära (1839–1876), die von großen Reformen im Osmanischen Reich geprägt war. Auch in den Jahrzehnten danach wurden wichtige zeitgenössische Fragestellungen in der Türkei im Theatersaal verhandelt: Vom Überleben der Armenier über Fragen von Sexualität und nationaler Identität bis hin zur Rolle der Religion. Altınay nimmt in seinem Projekt die verschiedenen Theatertraditionen – islamische, sephardisch-jüdische oder alevitische – vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart unter die Lupe. „Ich kombiniere klassische Archivarbeit und ethnographische Methoden, um die zentrale Rolle des Theaters bei der Entstehung der „türkischen Nation“ und ihrer Abgrenzung von „Anderen“ zu untersuchen“, erklärt Altınay.

Georg Winter: Neues Medikamentendesign

Georg Winter vom CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW will mit seinem mit 1,3 Millionen Euro dotierten Starting Grant eine Lücke in der Behandlung von Krebserkrankungen schließen. Er verfolgt in seinem Projekt „Glue2Degrade“ einen neuen Ansatz des Medikamentendesigns: Bei konventionellen Arzneimitteln versucht man schädliche Proteine mit einem komplementären Wirkstoff zu blockieren. Das funktioniert aber nur zu etwa 20 Prozent.

Winter hingegen will sich das zelleigene Recycling zunutze machen. Krankmachende Proteine sollen nun nicht nur blockiert, sondern gleich vollständig abgebaut werden. Die zentrale Herausforderung dabei ist es, geeignete „molekulare Klebstoffe“ zu identifizieren, die es ermöglichen, die Schadproteine spezifisch zu markieren. Über eine Bindung an sogenannten E3 Ubiquitin Ligasen können sie dann dem zelleigenen Abbau zugeführt werden. Georg Winter: „Wir kombinieren molekularbiologische Hochdurchsatzmethoden mit Chemie und Bioinformatik. Dadurch werden wir einen neuen Ansatz in der Medikamentenentwicklung entwickeln, der es uns erlaubt, krankheitsrelevante Proteine über das körpereigene Proteinabbau-System zu eliminieren.”

50 ERC Grants an ÖAW

Mit den drei neuen Starting Grants erhöht sich die Anzahl der seit 2007 an ÖAW-Forscher/innen insgesamt vergebenen Preise des ERC auf 45 ERC Grants und 5 Proof of Concept Grants. An weiteren 10 ERC Grants war die Akademie maßgeblich beteiligt.

Insgesamt konnte die ÖAW bereits mehr als 80 Millionen Euro an ERC-Förderungen nach Österreich holen. Die Akademie zählt bei der Zuerkennung der europäischen Forschungsförderpreise damit zu den erfolgreichsten Forschungseinrichtungen Österreichs.