17.05.2022 | Studienstiftungsgespräche

Wie haben Sie das gemacht, Herr Holzmann?

Robert Holzmann, Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, diskutierte mit Geförderten der Österreichischen Studienstiftung der ÖAW darüber, was man gegen eine drohende Inflation tun kann, über die Sinnhaftigkeit von digitalen Währungen und wie wichtig es sei, möglichst spät in Pension zu gehen.

„Ich hatte bisher ein sehr abwechslungsreiches Leben. Ich bin 25 oder 26 Mal umgezogen“, sagt der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Robert Holzmann zum Beginn des Gesprächs mit jungen Studienstiftler/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Das Treffen findet in der Österreichischen Nationalbank statt, wo er seit 2019 als Gouverneur tätig ist.

Vom Wirtschaftsstudium zur Weltbank

Holzmann betont, wie wichtig es sei, breit aufgestellt zu sein. Nach einem Wirtschaftsstudium in Graz, absolvierte er ein Stipendium in Grenoble. Er erinnert sich aber, mehr auf den Ski-Pisten unterwegs gewesen zu sein als im Hörsaal zu sitzen. Als Professor hat er an diversen Universitäten unterrichtet, war bei der OECD und für den Internationalen Währungsfonds (IWF) in leitenden Positionen aktiv, bis er einen Anruf von Headhuntern bekam, sich doch für die Weltbank zu bewerben. „Ich wurde unter 232 Bewerber/innen ausgewählt“, erinnert er sich. 2002 wurde er Senior Vice President der Weltbank, 2009 Research Director.

Inflation, Energiepreise, Ukraine-Konflikt

„Mich interessieren mehr Ihre Fragen. Was ich erzähle, kenne ich ja schon“, betont der Wirtschaftsexperte nach einer kurzen Vorstellung. Eine Jus-Studentin kommt gleich zu brennenden aktuellen Themen. Wie man die Inflation in den Griff bekommen könne? „Nichts ist schwieriger vorherzusagen als die Zukunft“, betont Holzmann. Der Ukraine-Konflikt wirke sich negativ auf die Wirtschaft aus, von seiner Dauer hänge ab, welche Preisentwicklungen sich abzeichnen werden. Ein Wirtschaftsstudent knüpft daran an und möchte wissen, wie Holzmann zur Zinswende der US-Notenbank Fed amerikanischen FED stehe. „Gegen den Energiepreisschock kann die Zentralbank nichts tun, die Preise kommen von außen“, so Holzmann. Im Vergleich zu Europa sei die Kerninflation in den USA aber viel höher und der Arbeitsmarkt extrem erhitzt. Deshalb seien Zinseffekte dort wirksam. „Wir werden in Europa nicht so radikal auf die Bremse steigen, aber im Sommer den Fuß weiter vom Gas nehmen.“

Braucht man digitale Währungen?

Und wie sieht Holzmann das Sozialkredit-System Chinas? „Ich halte diese Brave New World nicht für erstrebenswert. Die totale Kontrolle widerspricht meiner Definition von Menschlichkeit.“ Auch bei digitalen Währungen ist der Wirtschaftsexperte skeptisch. „Für mich stellt sich die grundlegende Frage: Wozu brauchen wir überhaupt eine digitale Währung? Sicherheit und Privatheit sind wesentliche Pfeiler einer Währung. Wollen wir tatsächlich den gläsernen Menschen?“ Auch auf die Frage, welchen Stellenwerkt Kryptowährungen haben, ist Holzmann verhalten. „Das ist für mich ein spekulativer Vermögenstitel, aber keine Währung. Anders sieht es bei Stablecoins aus, die mit tatsächlicher Währung hinterlegt werden müssen. Allerdings existiert da nach wie vor wenig Transparenz und Betrugsszenarien nehmen zu.“

Eine Wirtschaftsstudentin fragt, was Holzmann ihrer Generation rät, um im Job erfolgreich zu sein. „Dass man enthusiastisch ist und nicht unbedingt sofort an die Verwertbarkeit denkt. Es ist wichtig zu lernen, wie man mit Menschen umgeht. Und: Man darf nicht immer eine Weichspülstrategie im Studium wählen, sondern muss konsequent Wissenslücken füllen. Dieser Enthusiasmus kommt später auch in Bewerbungsinterviews rüber.“

Herausforderungen in der Zukunft

Ein besonders wichtiges Thema spricht eine Wirtschafts- und Sozialwissenschaftsstudentin an: Welche Pläne es für die Finanzierung der Pensionen gebe? Holzmann antwortet mit einer Gegenfrage: „Wann denken Sie, in Pension gehen zu können?“ Etwas überrascht antwortet diese: „Mit 78 oder so ähnlich.“ Holzmann betont, wie wichtig es ist, die gesellschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, spät in Pension zu gehen. „70 ist das neue 50. Menschen, die länger arbeiten, haben nicht nur ein erfüllteres Leben, sie sterben auch nachweislich später.“ Davon ist Holzmann überzeugt: „Länder, die verstehen, den Arbeitsmarkt für die Älteren zu organisieren, werden die Zukunft am besten meistern.“

Gegen Ende möchte der Wirtschaftsexperte von den Studienstiftler/innen wissen, wie sie die Zukunft sehen. Ein Großteil ist zuversichtlich, dass die aktuellen Probleme von Klimawandel bis Inflation gelöst werden können, wenn man gemeinsam an einem Strang zieht und mehr auf Solidarität statt auf Individualismus gesetzt wird. Abschließend sagt Holzmann: „Es ist schön, euch so optimistisch zu sehen. Ich hoffe, diese Einstellung bleibt euch erhalten.“

 

AUF EINEN BLICK

Die Österreichische Studienstiftung ist eine Initiative der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Sie fördert und begleitet junge Menschen, die Verantwortung in unterschiedlichsten Bereichen übernehmen wollen, ungeachtet ihrer sozialen Herkunft.

Die Geförderten werden durch die Studienstiftung auf ihrem persönlichen und intellektuellen Werdegang begleitet und unterstützt.

Das ist die Studienstiftung

Die Studienstiftungsgespräche sind ein Angebot für alle jungen Mitglieder der Studienstiftung, sich mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in kleiner Runde treffen und austauschen zu können.

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