Österreich ist eines der artenreichsten Länder Mitteleuropas. Fast 3.000 Pflanzenarten und 54.000 Tierarten, davon allein 40.000 Insekten, bevölkern das Land. Doch die Biodiversität schwindet dramatisch: „In 20 Jahren sind beispielsweise 42 Prozent der Brutvögel in der heimischen Kulturlandschaft verloren gegangen, jede dritte Art steht auf der Roten Liste“, berichtet Christian Sturmbauer, Zoologe an der Universität Graz und Mitglied der Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dem 2019 publizierten Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES zufolge sind weltweit etwa eine Million Arten in den meisten Tier- und Pflanzengruppen vom Aussterben bedroht.
Mensch verursacht Artensterben
Schuld daran sind keine Vulkanausbrüche oder Asteroideneinschläge, sondern der Mensch: „Das Insektensterben ist in unseren Breiten in erster Linie synonym mit dem ‚Sterben‘ historisch gewachsener Lebensräume in der Kulturlandschaft, vor allem infolge intensiver Landwirtschaft, Flächenfraß und chemischer Immissionen, außerdem schlägt im Hochgebirge die globale Erwärmung zu“, erklärt Andreas Segerer, Biodiversitätsforscher an der Zoologischen Staatssammlung München.
Segerer, der eine „Checkliste der Schmetterlinge Bayerns“ erstellt hat, die den Rückgang dieser Insekten dokumentiert, ist einer der Vortragenden beim Symposium „Biodiversity: A scientific and societal challenge“, das am 28. Februar an der ÖAW in Wien stattfindet. Wissenschaftler/innen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und den USA setzen sich dabei mit der evolutionären Ausbildung der Artenvielfalt auseinander und stellen die Entwicklung der Biodiversität im Anthropozän als auch die Folgen des Artenverlusts auf den Prüfstand.
Biologische Vielfalt als Grundlage allen Lebens
Denn der Mensch ist nicht nur Verursacher des Artensterbens, er ist auch unmittelbar davon betroffen, betont Verena Winiwarter, Umwelthistorikerin und Obfrau der Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien der ÖAW: „Intakte Ökosysteme sind lebenserhaltend für die menschliche Gesellschaft. Wir leben von Biodiversität, nicht nur in Form von Nahrung und Heizmaterial, die Ökosysteme sind auch die Grundlage etwa von sauberem Trinkwasser und haben eine Erholungsfunktion. Diese ‚Ökosystemdienstleistungen‘ sind ursächlich mit der Erhaltung der Biodiversität verbunden. Weil aber Landbesitzer oft kurzfristige ökonomische Interessen haben, ist der Schutz der Biodiversität als globalem öffentlichen Gut herausfordernd.“Auch Friedrich G. Barth, Neurobiologe und ÖAW-Mitglied, dessen 80. Geburtstag im Rahmen des Symposiums begangen wird, mahnt in einem Interview auf der ÖAW-Website den Schutz der Biodiversität für künftige Generationen ein: „Biologische Vielfalt, das Verschieden-Sein und die unterschiedlichen Toleranzen der Arten sind nicht etwa eine unbedeutende Spielerei der Natur, sondern Grundlage für alles Leben und sein weiteres Bestehen in der Zukunft.“