1847 - Eine Akademie entsteht

Am 14. Mai 1847 genehmigte Kaiser Ferdinand I. durch ein Patent die Gründung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Der Orientalist Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall wurde zu ihrem ersten Präsidenten gewählt. Von Anfang an entfaltete die Akademie eine staatswichtige, zunehmend weltumspannende und zukunftsweisende Forschungstätigkeit in den zentralen Bereichen der Geistes- und Naturwissenschaften. Viele Resultate wurden in den Denkschriften der Akademie publiziert, die für sämtliche Sprachen der Habsburgermonarchie offen standen. 1857 bezog die Akademie das ehemalige Gebäude der Universität Wien, das seit 1848 vom Militär genutzt worden war und das noch heute ihren Sitz am Wiener Dr. Ignaz Seipel-Platz darstellt.

Aufbruch der Wissenschaft: Expeditionen und Entdeckungen

Zur zentralen Forschungsaufgabe der Akademie zählten seit ihrer Gründung die Edition österreichischer Geschichtsquellen und bald auch der ältesten christlich-lateinischen Handschriften. Hinzu kamen Aufsehen erregende Ausgrabungen u.a. in Ephesos, Gizeh und im biblischen Sichem sowie die Erforschung afrikanischer, asiatischer und amerikanischer Sprachen und Kulturen.

Die Akademie unterhielt die ersten meteorologischen Stationen für die gesamte Monarchie, und sie initiierte die Gründung der Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus (1852). Akademiemitglieder erforschten die Adria und andere Weltmeere – und sie beteiligten sich an der Erdumsegelung der Fregatte „Novara“ (1857–1859), deren wissenschaftliche Resultate ebenso wie jene der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition (1872–1874) von der Akademie publiziert wurden. In der interdisziplinär durchgeführten „Südarabischen Expedition“ (1898–1899) wurde mit dem Jemen wissenschaftliches Neuland erschlossen, in der nordarabischen Wüste wurde das alte Kalifenschloss Qusair 'Amra entdeckt.

Die Akademie und ihre die Welt erforschenden Mitglieder überschritten nicht nur territoriale, sondern auch wissenschaftliche und institutionelle Grenzen. So setzten sie erste Schritte zur Gründung einer „Internationalen Assoziation der Akademien“ (1899), dem ersten Länder- und sogar Kontinente übergreifenden Akademieverbund, der gemeinsame geistes- und naturwissenschaftliche Unternehmen durchführte.

Die Errichtung des Phonogrammarchivs (1899), des ältesten Tonträgerarchivs der Welt, des ersten Instituts für Radiumforschung (1908/10) und die Übernahme der Biologischen Versuchsanstalt (1914), eines der ersten Institute für Experimentalbiologie – bei den beiden letzteren handelte es sich um Stiftungen – waren weitere entscheidende Schritte zur Profilierung der Akademie der Wissenschaften als weltweit führende Forschungsträgerin am Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Dunkle Jahre: Ende der Monarchie und Nationalsozialismus

Mit dem Zerfall der Monarchie 1918 schlitterte die Akademie in den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Notstand: Die „Internationale Assoziation der Akademien“ wurde nicht wieder belebt, zusehends verstand sich die Akademie der Wissenschaften in Wien (wie sie nun hieß) als eine „deutsche“ Akademie. Der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 bedeutete für sie eine tiefgreifende Zäsur. Die Leitungsstellen wurden mit Parteigängern des Nationalsozialismus besetzt. Akademiemitglieder – unter ihnen Nobelpreisträger – mussten aus politischen oder „rassischen“ Gründen die Akademie verlassen, Mitarbeiter/innen wurden verfolgt und vertrieben. Acht Akademieangehörige kamen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern zu Tode.

Von Life Sciences bis Digital Humanities: Forschung auf internationalem Niveau

Der intellektuelle Aderlass und die halbherzige Entnazifizierung führten in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten zu einer merklichen Stagnation, die erst durch eine verstärkte Re-Internationalisierung überwunden werden konnte. Mit der Gründung richtungsweisender neuer Institute setzte die Akademie in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren deutliche wissenschaftliche Akzente an mehreren Standorten in Österreich. In der Zeit des Kalten Krieges nahm die 1947 umbenannte Österreichische Akademie der Wissenschaften eine wesentliche wissenschaftspolitische Mittlerposition zwischen Ost und West ein.

Durch verstärkte internationale Zusammenarbeit spielt die ÖAW heute wieder eine zentrale Rolle in der globalen Forschungslandschaft. Als größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung des Landes betreibt sie Grundlagenforschung in zentralen Bereichen – von den Life Sciences über Mathematik, Physik und Materialwissenschaften zu den Sozial-, Kultur-, Altertums- und Geschichtswissenschaften bis hin zu den Digital Humanities. Zugleich nehmen die ÖAW und ihre Mitglieder die Aufgabe wahr, gesellschaftlich relevante Fragen aufzugreifen und eine wissenschaftliche Expertise in die öffentliche Kommunikation einzubringen.
 

VIRTUELLER RUNDGANG