Der Mars ist der neben der Erde meist erforschte Planet. Trotzdem gibt es dort noch viel zu entdecken. Die Planetengeologin Daniela Tirsch vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt hält am 20. Mai zu diesem Thema die Keynote beim Symposium “Weltraum und Schule” der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Im Interview erklärt sie, welche Missionen aktuell für Aufsehen sorgen und wie man auf dem Roten Planeten nach Spuren von Leben sucht.
Diese Proben werden dann auf dem Mars gebunkert."
Was macht den Mars spannend für Geologen?
Daniela Tirsch: Aktuell gibt es einige Satelliten, die den Mars umkreisen. Sie erlauben es, geologische Gegebenheiten wie Tektonik, Vulkanismus oder Spuren von fließendem Wasser zu suchen, die Hinweise auf die - möglicherweise lebensfreundlichen - Umweltbedingungen in der Vergangenheit geben können.
Landemissionen sind natürlich auch spannend. Die “Mars 2020”-Mission mit dem Rover “Perseverance” nimmt derzeit in einem ausgetrockneten See Proben von Gestein, Atmosphäre und Boden. Diese Proben werden dann auf dem Mars gebunkert, um sie mit einer späteren Marsmission auf die Erde zu bringen.
Suche nach Leben
Der Mars ist als unser direkter Nachbar ein attraktives Ziel für Missionen. Was sind die Highlights der Marsforschung?
Tirsch: Die Satelliten “Mars Reconnaissance Orbiter” und “Mars Express” erlauben seit 2003 beziehungsweise 2005 erstmals eine sehr genaue Analyse von geologischen Prozessen auf dem Mars. Das ist enorm wertvoll. Der Rover Curiosity sucht seit 2012 nach Spuren von ehemals lebensfreundlichen Bedingungen. Seit 2016 analysiert “ExoMars Trace Gas Orbiter (TGO)” Spurengase in der Atmosphäre. Durch andere Missionen wurde Methan in der Marsatmosphäre gefunden, das unter anderem biogen, also durch Lebewesen, erzeugt werden kann. Das Vorhandensein von Methan konnte TGO bisher leider nicht bestätigen, aber die Suche geht weiter.
Vielleicht ist der Planet nicht so tot, wie er scheint."
Es gibt also immer wieder Überraschungen?
Tirsch: Klar. Die InSight-Mission, deren Versuch eine Wärmesonde in den Boden zu klopfen leider scheiterte, hat zum Beispiel erstmals Marsbeben lokalisiert. Manche dieser Beben könnten demnach durch vulkanische Aktivität im Untergrund verursacht werden. Das würde bedeuten, dass es im Mars doch stärker brodelt, als wir gedacht haben. Vielleicht ist der Planet nicht so tot, wie er scheint.
Globaler Wettlauf
Hat das Interesse am Mars zuletzt nochmals zugenommen?
Tirsch: 2020 war ein Highlight-Jahr für Marsmissionen. Mit Perseverance kam ein weiterer US-Rover auf den Mars, samt Drohne. Damit wurde der erste Flug in der dünnen Atmosphäre des Mars absolviert. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben mit “Al Amal” oder “Hoffnung” 2020 ebenfalls eine Marsmission gestartet, die einen Satelliten in einem hohen Marsorbit ausgebracht hat. China ist 2020 auch erstmals zum Mars gestartet und hat das im Gegensatz zu Russland und den USA beim ersten Versuch geschafft. Mit einem Orbiter sowie einer Landeplattform und einem kleinem Rover, die erfolgreich auf der Marsoberfläche abgesetzt wurden, wollte China vor allem zeigen, was es kann – was eindrucksvoll gelungen ist.
Bahnbrechend wird die “Sample Return Mission”."
Welche großen Missionen stehen in den kommenden Jahren an?
Tirsch: ExoMars Rover, die Mission an der ich beteiligt bin, ist eine Kooperation zwischen den Raumfahrtbehörden Russlands und Europas. Wegen des Kriegs in der Ukraine liegt sie derzeit auf Eis. Bahnbrechend wird die “Sample Return Mission”, bei der die von Perseverance bereitgelegten Proben auf die Erde geholt werden sollen.
Wie wird das funktionieren?
Tirsch: Dabei werden 38 Probenzylinder, jeweils etwa 30 Zentimeter lang, vom sogenannten Ascent Vehicle direkt ins Weltall geschossen. Dort sammelt ein Raumschiff die Proben ein und bringt sie zur Erde. Ich bin derzeit beratend für das Entwicklerteam der Kamera tätig, mit der die Proben in der Marsumlaufbahn lokalisieren werden.
Labore mit höchster Sicherheitsstufe
Wann sollen die Proben auf der Erde ankommen?
Tirsch: Der Start der Earth Return Orbiters ist nach jetzigem Stand für 2027/28 geplant, die Proben würden dann 2033 in Utah ankommen. Die Zeitpläne wurden kürzlich erst nach hinten verschoben. Wir haben derzeit aber ohnehin keine Labore, um extraterrestrische Proben zu untersuchen. Die brauchen die höchste Sicherheitsstufe, müssen also höchsten hygienischen Ansprüchen gerecht werden, und werden derzeit erst geplant. Wir müssen vorher auch genau wissen, welche Proben wir erwarten und welche Analysetechniken wir nutzen wollen. Die Sample Return Mission wird das nächste große Ding in der Marsforschung, außer wir finden vorher Leben.
Könnten wir Spuren von ehemaligem Leben auf dem Mars überhaupt nachweisen?
Tirsch: ExoMars Rover hat Chancen, weil die Mission Proben aus tieferen Bodenschichten entnimmt. Dort könnten Mikroorganismen, die es vor rund 3,7 Milliarden Jahren vielleicht gab, Spuren hinterlassen haben, zum Beispiel in Form von Bakterienmatten. An der Oberfläche des Mars ist die Strahlung so stark, dass sich solche Biosignaturen nicht lange halten. Nach heutigem Stand haben wir keinen Beweis dafür, dass je Leben auf dem Mars existiert hat. In den Proben von Perseverance könnte man aber mit den hochempfindlichen Analysemethoden auf der Erde auch kleinste Spuren von Leben entdecken.
Flüssiges Wasser
Aber die Bedingungen waren früher lebensfreundlicher?
Tirsch: Wir wissen, dass es flüssiges Wasser gab, das sagt uns die Mineralogie. Wir kennen die Bedingungen, unter denen die Mineralien auf der Erde und dem Mars entstehen können. Die sagen uns beispielsweise, dass vor etwa 3,7 bis 3,4 Milliarden Jahren nicht nur flüssiges Wasser vorhanden war, sondern auch ein neutraler pH-Wert vorherrschte und genug chemische Energie zur Verfügung stand. Die Curiosity-Mission hat außerdem bestätigt, dass alle Grundbausteine für Leben auf dem Mars prinzipiell vorhanden sind. Heute gibt es Wasser nur in Form von Eis und sehr geringen Mengen Wasserdampf.
Könnte Technologie den Mars bewohnbar machen?
Tirsch: Der Mars müsste wärmer sein, bräuchte eine dichtere Atmosphäre und ein Magnetfeld, wie er es in seinen ersten 500 Millionen Jahren besaß. Den Mars wieder lebensfreundlich zu machen, wird nicht möglich sein und wer etwas anderes behauptet, ist meiner Meinung nach unseriös. Selbst wenn wir beispielsweise die Pole schmelzen würden um eine Atmosphäre zu erzeugen, ohne Magnetfeld würde sie durch Sonnenerosion sofort wieder weggeblasen. Das ist eher Science Fiction als Zukunft.
Lernen von der Erde
Wie weit bringen einen Vergleiche zwischen Mars und Erde?
Tirsch: Vergleichende Planetologie ist eine Grundmethodik der Planetenforschung. Beim Mars ist das besonders einfach, weil er der Erde geologisch sehr ähnlich ist, mit Wind, Wasser, Tektonik und Vulkanismus. Wir untersuchen verschiedenste geologische Prozesse und Ablagerungsformen auf der Erde, um ähnliche geologische Spuren auf dem Mars genauer zu verstehen.