03.08.2022 | Wien

Wenn Hitze zur Gefahr für die Gesundheit wird

Hohe Temperaturen können in den Sommermonaten die Gesundheit gefährden – vor allem in Großstädten wie Wien, wo sich die Hitze besonders ballt. Dabei kommen Hospitalisierungen in manchen Bezirken häufiger vor als in anderen, wie ÖAW-Demograph Roman Hoffmann erläutert: „Gerade die einstelligen Bezirke sind betroffen, da wir dort eine enge Bebauung haben, eine hohe Versiegelung, wenig Begrünung und wenig Wasseroberfläche.“

Wien ist von Hitze besonders betroffen. Für viele Menschen kann das im Sommer zu einem Gesundheitsproblem werden. © Shutterstock

Die erste Hitzewelle ist gerade überstanden, da folgt schon die nächste. Besonders betroffen ist dabei Österreichs Bundeshauptstadt. Dank des „Urban Heat Island Effect“ ballt sich die Hitze vor allem in den inneren Bezirken, weswegen es dort auch zu mehr Hospitalisierungen kommt. „Gerade die einstelligen Bezirke sind sehr deutlich betroffen, da wir dort eine enge Bebauung haben, wenig Begrünung, eine hohe Versiegelung und wenig Wasseroberfläche.“, erklärt Roman Hoffmann vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Der Demograph untersucht gemeinsam mit Kolleg/innen, wie sich extreme Temperaturschwankungen auf Sterbe- und Erkrankungsraten in der österreichischen Hauptstadt auswirken und welche Handlungsanleitungen sich daraus ergeben. Im Interview erklärt Hoffmann, welche Bevölkerungsgruppen besonders von Hitze betroffen sind und welche Rolle Stadtplanung beim Kampf gegen die Folgen extremer Temperaturen spielt.

Hotspot Wien

Worum ging es in der Studie „Klimawandel und Vulnerabilitätsunterschiede in der Metropolregion Wien“?

Roman Hoffmann: In diesem Projekt haben wir uns interessiert für die Auswirkungen von Hitzeextremen oder allgemein Temperaturextremen, also auch Kälteextremen, auf die Morbidität und Mortalität, also letztlich die Gesundheit der Bevölkerung in der Metropolregion Wien. Wir haben uns angeschaut, inwiefern Hospitalisierungen mit Hitzeextremen zusammenhängen und welche Personengruppen in Wien und Niederösterreich die Auswirkungen davon spüren. Dafür wurden Daten vom Dachverband der Sozialversicherungsträger verwendet, die wir kombiniert haben mit Daten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Hitze und der Wahrscheinlichkeit, dass Menschen ins Krankenhaus müssen.

Zu welchen Ergebnissen ist Ihre Studie gekommen?

Hoffmann: Wir haben gesehen, dass es einen deutlichen Zusammenhang gibt zwischen Hitze und der Wahrscheinlichkeit, dass Menschen ins Krankenhaus müssen. An Tagen, an denen Hitzegrenzwerte überschritten werden, insbesondere Tage mit über 30 Grad, gibt es eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Hospitalisierungen insgesamt ansteigen.

Hitze trifft Ältere, Kinder und ärmere Menschen

Wer ist von Hitzeextremen besonders betroffen?

Hoffmann: Besonders betroffen sind ältere Menschen, aber auch Kleinkinder. Wir haben auch sozioökonomische Unterschiede gefunden, nämlich dass vor allem Bevölkerungsgruppen von diesen Hitzeextremen betroffen waren, die einen eher niedrigen sozioökonomischen Status aufweisen. Wir sehen tatsächlich auch einige Unterschiede in Sachen Geschlecht: Bei Jugendlichen steigt vor allem das Hospitalisierungsrisiko für Jungen sehr deutlich bei hohen Temperaturen an, was vermutlich auf erhöhte Unfälle bei schönem Wetter zurückzuführen ist.

Besonders betroffen sind ältere Menschen, aber auch Kleinkinder.

Inwiefern können Temperaturextreme für die Bevölkerung in Wien und Umgebung zur Gefahr werden?

Hoffmann: Wenn es sehr heiß ist, können insbesondere ältere Menschen, aber auch Kleinkinder, Probleme haben die Temperatur zu regulieren und dadurch kann es dann schnell zu Überhitzung und anderen Gesundheitsproblemen kommen. Andererseits hängt es auch damit zusammen, dass Menschen, wenn es besonders schön ist, natürlich mehr rausgehen und aktiver sind. Wir haben also zudem eine indirekte Ursache, die dann möglicherweise über einen Anstieg der Unfälle auch zu einem Anstieg der Hospitalisierung führt. Wir haben uns in einer zweiten Studie angesehen, wie Unfallrisiken mit Hitzeextremen zusammenhängen. Und da sehen wir, dass Einlieferungen in Krankenhäusern aufgrund von Unfällen, also zum Beispiel Beinbrüchen, besonders bei starker Hitze ansteigen. Was aber dem anderen Effekt nicht entgegensteht, dass Menschen bei extremer Hitze in größere Probleme geraten, sich zu thermoregulieren und dadurch dann direkte Effekte auf die Gesundheit entstehen.

Was für Effekte sind das?

Hoffmann: Das können Herz-Kreislauf-Beschwerden sein, zum Beispiel. Bei älteren Menschen kann das insbesondere bis zum Kreislauf-Zusammenbruch führen, zu einer Dehydrierung oder massiver Übelkeit. Deshalb sollte man an solchen Tagen viel trinken und versuchen sich nach Möglichkeit abzukühlen, Schatten zu suchen und aus der Stadt rauszugehen. Gerade urbane Räume sind Gebiete, wo sich die Hitze sehr ballt. Das heißt, wir haben ein Zusammenspiel von einer hohen Dichte der Bevölkerung und gleichzeitig eine starke Bebauung, die dann dazu führen, dass eben viele Menschen diesen Hitzeextremen ausgesetzt sind. Und natürlich auch alles, was mit unmittelbarer Exposition zu extremer Sonne einhergeht, wie zum Beispiel Hitzschlag und Sonnenstich. Das sind ebenfalls direkte Folgen, die wir jetzt bei extremer Hitze auch sehen, zusätzlich zu der Schwächung des Körpers.

Man sollte an Hitzetagen viel trinken und versuchen sich nach Möglichkeit abzukühlen, Schatten zu suchen und aus der Stadt rauszugehen.

Bezirke innerhalb des Gürtels als Hitzeinseln

Welche Bezirke sind besonders von der Hitze betroffen?

Hoffmann: Das sind die dicht bebauten inneren städtischen Bezirke. Also gerade die einstelligen Bezirke sind sehr deutlich betroffen, da wir dort eine enge Bebauung haben, wenig Begrünung, eine hohe Versiegelung und wenig Wasseroberfläche. In Gebieten um die Donau herum hingegen, wo der Wind stärker durchwehen kann und es mehr Wasseroberfläche gibt, kommt es zu einer deutlichen Abkühlung. Also der „Urban Heat Island Effect“ ist sicherlich stark zu beobachten in Wien. Das heißt, dass wir besonders in städtischen Räumen Hitzeballung erleben, die eben damit zusammenhängt, dass städtische Räume stärker versiegelt sind als das Umland. Dadurch entsteht dann eine Hitzeballung, die auch über mehrere Tage anhalten kann, wie wir es eben jetzt erst kürzlich in Wien gesehen haben. Insbesondere gerade die tropischen Nächte, wo die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, sorgen dafür, dass der Körper sich im Prinzip nicht mehr herunterkühlen kann. Wenn das über einen zeitlichen Verlauf länger andauert, dann entsteht der Hitzestress.

Versiegelung begünstigt Temperaturextreme

Welche Maßnahmen könnten getroffen werden, um Hitzeextreme in Wien und in weiterer Folge Hospitalisierungen zu reduzieren?

Hoffmann: Es ist am Ende ein Zusammenspiel aus unterschiedlichen Komponenten, die eine Rolle spielen und unterschiedliche Maßnahmenpakete, die hier auch ineinander verschränkt wirken können. Einerseits geht es natürlich um infrastrukturelle Bebauung, also dass man versucht, die Bebauung so anzulegen, dass sich die Hitze nicht dermaßen stark ansammeln kann. Gerade jetzt bei Neubaugebieten ist das natürlich wichtig mit zu bedenken. Versiegelung ist ein zentrales Thema, also etwa in der Seestadt und dergleichen, wo wir eine sehr starke Hitzeentwicklung sehen, die auch damit zu tun hat, dass eben viel und eng gebaut wurde. Es gibt dann natürlich auch Möglichkeiten, kurzfristig Abhilfe zu schaffen, man sieht zum Beispiel, dass die Stadt Wien versucht, durch Wasser kurzfristig Abkühlung zu schaffen.

Versiegelung ist ein zentrales Thema, also etwa in der Seestadt, wo wir eine sehr starke Hitzeentwicklung sehen, die auch damit zu tun hat, dass viel und eng gebaut wurde.

Was könnte über die Infrastrukltur hinaus noch getan werden?

Es gilt gleichzeitig sicherzustellen, dass Bevölkerungsgruppen, die besonders betroffen sind, ausreichend geschützt werden und dass sozialmedizinische Dienste darauf geschult werden, was zu tun ist in solchen Momenten, damit Katastrophen wie 2003, wo in Europa 70.000 Menschen gestorben sind, nicht noch einmal passieren. Es geht aber auch um Information und Wissen, also dass die Menschen adäquat informiert werden darüber, wie sie sich schützen können. Auch  langfristig muss man sich darauf vorbereiten, was der Klimawandel an Hitzeentwicklungen mit sich bringen wird, und die Gesundheitssysteme darauf vorbereiten, mit welchen Folgen sie zu rechnen haben. Wir wollen in den Köpfen verankern, dass es wichtig ist, wenn wir über Klimawandel sprechen, auch darüber nachzudenken, wie die zukünftige Bevölkerung der Stadt und auch des städtischen Umlands aussehen wird. Wer zieht wohin? Wo befinden sich die vulnerablen Bevölkerungsgruppen? Auf wen müssen wir besonders achtgeben und diese Bevölkerungsdynamiken im Blick haben? Mit unserer Studie wollen wir diese Evidenz und Information bereitstellen, die dann genutzt werden kann von Gesundheitsbehörden.

 

AUF EINEN BLICK

Roman Hoffmann forscht als PostDoc am Institut der Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und am International Institute for Applied Systems Analysis in Laxenburg. An der ÖAW ist er Mitglied der Forschungsgruppe „Migration, Education and Environment“.