30.08.2022 | Noch bis 11.9.

Weltraumforschung als 30 Meter langer Comicstrip

Wissenschaftsvermittlung einmal anders: Das Institut für Weltraumforschung der ÖAW hat seinen Fünfziger mit einer Ausstellung gefeiert. Im Zentrum steht dabei ein riesiger Comic. Was es damit auf sich hat, erklärt ÖAW-Weltraumforscher Werner Magnes im Interview. Die Schau ist noch bis 11. September im Grazer Center of Science Activities zu sehen.

Noch bis 11. September heisst es in Graz: Abheben ins Weltall mit der „Mission Possible!“ des Instituts für Weltraumforschung der ÖAW. © Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Zum 50. Geburtstag des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) wurde Ende letzten Jahres im Center of Science Activities des Universalmuseums Joanneum in Graz die Ausstellung „Mission Possible!“ eröffnet. Die Schau wird noch bis 11. September gezeigt. Wer sie noch nicht besucht hat, sollte jetzt die Gelegenheit ergreifen. Prädikat: Sehenswert.

Hinter der Ausstellung, die im Kern aus einem 30 Meter langem Comic besteht, steckt jede Menge aktuelle Forschung. Werner Magnes, Leiter der Forschungsgruppe „Weltraummagnetometer“, spricht im Interview über reale und fiktive Weltraummission, die wichtige Verbindung zwischen Kultur und Forschung und darüber, auf welche zukünftigen Flüge ins All er sich schon heute freut.

ABHEBEN INS WELTALL

Wie kam es dazu, dass der Geburtstag des Instituts für Weltraumforschung der ÖAW mit einer Ausstellung gefeiert wurde?

Werner Magnes: Bei unseren ersten Überlegungen, wie wir denn das Jubiläum gebührend feiern könnten, war eine Ausstellung schon immer ganz oben auf der Wunschliste: Aber das Wie und Wo musste sich erst entwickeln. Durch die Grazer Weltraumtage, an denen in drei aufeinanderfolgenden Jahren auch die Aktivitäten des Instituts in der Innenstadt von Graz unter freiem Himmel präsentiert wurden, gab es beste Kontakte zum Grazer Kindermuseum. Die Kolleg*innen vom Kindermuseum haben uns dann auch den Sonderausstellungsbereich des Center of Science Activities (CoSA), das sie mitbetreuen, als passenden Ort vorgeschlagen.

Im Comic arbeiten die Forscher*innen an einer fiktiven Mission zum Saturnmond Enceladus. Die Mission folgt einem durchaus realistischen wissenschaftlichen Szenario.

Wer hat die künstlerische Aufbereitung der Inhalte angeregt?

Magnes: In den ersten Gesprächen mit dem CoSA hat sich schnell gezeigt, dass wir deren Ansprüchen einer zeitgemäßen und attraktiven Präsentation mit unseren text- und objektlastigen Ideen nicht wirklich gerecht wurden. Spannend fanden die Kolleg*innen vom CoSA jedoch das Thema “Wie läuft eine Weltraummission ab, an der sich das Institut beteiligt?”. Dies würde sich hervorragend als Bildgeschichte umsetzen lassen, hieß es. Wir waren von der Idee begeistert und das Ergebnis ist ein rekordverdächtiger Comicstrip, der zwei Meter hoch und dreißig Meter lang ist.

Sowohl die NASA als auch die europäische Weltraumorganisation ESA erarbeiten derzeit Pläne für Großmissionen zur weiteren Erforschung des Enceladus.

DIE REISE GEHT ZUM SATURNMOND ENCELADUS

Und worum geht es in dem Comic?

Magnes: Im Comic arbeiten die Forscher*innen des Instituts an einer fiktiven Mission zum Saturnmond Enceladus, die mit den ersten Vorbereitungen im Jahr 2030 beginnt und etwa 2050 abgeschlossen sein wird. Die Mission folgt einem durchaus realistischen wissenschaftlichen Szenario. Die Kombination aus Wassereis, Wärme durch Gezeitenkräfte und hoher Dichte, die auf Gesteinsschichten im Inneren schließen lässt, machen diesen Eismond zu einem Topkandidaten, um Leben oder zumindest einfache Grundbausteine dafür zu finden. Sowohl die NASA als auch die europäische Weltraumorganisation ESA erarbeiten derzeit Pläne für Großmissionen zur weiteren Erforschung des Enceladus.

Wie realistisch ist die Arbeit des Instituts im Comic denn dargestellt?

Magnes: Der Ablauf der Mission ist absolut realistisch dargestellt, aber wir haben Vereinfachungen vorgenommen. So wird zum Beispiel für die Vermessung des Ozeans und der Wasserdampfatmosphäre des Enceladus in Wirklichkeit mehr als ein fiktives Hybrid-Instrument, im Comic wird es „Massenspektro-Magnetometer“ genannt, benötigt.

Wer hat den Comic gezeichnet?

Magnes: Die Kolleg*innen vom CoSA haben uns den steirischen Zeichner Chris Scheuer vorgeschlagen, weil sein prägnanter Stil mit viel Liebe zum Detail sehr gut zum Weltraumthema passt.

Wir wollen sowohl junge Weltraumfans als auch Erwachsene mit naturwissenschaftlichem Interesse ansprechen.

weltraumforschung begeistert

Welches Zielpublikum soll die Ausstellung erreichen?

Magnes:  Wir wollen sowohl junge Weltraumfans als auch Erwachsene mit naturwissenschaftlichem Interesse ansprechen. Deshalb haben wir die Präsentation so gewählt, dass man sich auf mehreren Ebenen auch tiefer mit den Inhalten beschäftigen kann. Der Comic dient auf oberster Ebene als roter Faden, der zeigt, wie eine Weltraummission abläuft. In den Bildern sind – quasi als zweite Ebene – Klappen eingebaut, hinter denen sich Ausstellungsstücke verbergen, die die Geschichte des Instituts dokumentieren. Da präsentieren wir zum Beispiel unser „ältestes“ Magnetometer, das im Spacelab 1 verwendet wurde und als einziges wieder funktionstüchtig aus dem Weltraum zurückgekehrt ist. Auch Satellitenmodelle und die Reste eines Messgeräts, das 1996 an Bord einer Rakete in Französisch-Guyana explodiert ist, werden gezeigt. Darüber hinaus wird diese Ebene mit Hands-on-Elementen und Videopräsentationen aufgelockert. Als dritte Ebene wurden QR-Codes in die Ausstellung integriert, die es den Besucher*innen erlauben, detaillierte Informationen zur Geschichte und den Forschungsschwerpunkten des Instituts einzusehen.

Wenn Sie anlässlich des nun endenden Jubiläums nochmal zurückblicken, was waren die Highlights in 50 Jahren Weltraumforschung?

Magnes: Bei etwa vierzig Missionsbeteiligungen fällt die Auswahl sehr schwer. Die Rosetta-Mission der ESA, die erstmals einen Kometen für zwei Jahre begleitet und eine erfolgreiche Landung auf ihm geschafft hat, war sicher ein spezieller Höhepunkt. Das Rasterkraftmikroskop MIDAS zur Vermessung von mikrometerkleinen Kometenstaubteilchen, das unter der Leitung unseres Instituts entwickelt wurde, ist als Modell in der Ausstellung zu sehen. Aber auch die noch laufende MMS-Mission der NASA ist derzeit eine große Sache für uns. Hier ist Österreich größter Partner außerhalb der USA. Wir haben gemeinsam mit der österreichischen Industrie und diversen internationalen Partnern insgesamt 20 Instrumente für vier Satelliten gefertigt und mehr als sechs Jahre nach dem Start der Mission gibt es noch keinen einzigen Ausfall zu beklagen; die wissenschaftliche Ernte ist dementsprechend groß. Für die weiteren 37 Missionen und all ihre Besonderheiten fehlt hier leider der Platz.

Das bringt uns schon in die Zukunft. Worauf freuen sich die Forscher*innen am Institut in den kommenden Jahren ?

Magnes: Ein ganz besonderes Highlight stellt die bevorstehende PLATO-Mission mit starker Grazer Beteiligung dar. Die Raumsonde wird bald nach dem Start im Jahr 2026 mithilfe der Transitmethode nach erdähnlichen Exoplaneten bei sonnenähnlichen Sternen suchen. Die ESA-Mission JUICE, die 2023 zu einer achtjährigen Reise zum Jupiter und seinen Eismonden abheben soll, wird ebenfalls sehr spannend. Hier haben wir zusammen mit der TU Graz ein neues Magnetometer entwickelt, das die Stärke von Magnetfeldern extrem genau vermessen kann, auch bei tiefsten Temperaturen, starker Strahlung und nach sehr langer Anreisezeit. Kolleg*innen am Institut haben aber auch die Antennen des Radiowelleninstruments kalibriert und sind Mitglieder im Team des Teilchenmessgerätes von JUICE.

 

AUF EINEN BLICK

Werner Magnes leitet am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz eine Forschungsgruppe, die sich mit dem Design und Bau weltraumtauglicher Magnetometer befasst. Er war bereits an zahlreichen Weltraummissionen beteiligt, etwa zum Mars oder zum Kometen „Tschuri“, sowie aktuell an der Mission BepiColombo der europäischen Weltraumagentur ESA.

Die Ausstellung „Mission Possible!“ ist noch bis 11.9.2022 im CoSA – Center of Science Activities im Joanneumsviertel in Graz zu sehen. Die Ausstellung wurde anlässlich des 50. Geburtstags des Grazer Instituts für Weltraumforschung der ÖAW konzipiert.