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Hitzewellen, Dürren und mehrSachstandsbericht

Klimawandel: Österreich wird zu Hitze-Hotspot

Drei Grad voraus: Österreich erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt. Die ÖAW-Gebirgsforscherin Margreth Keiler erklärt, warum das so ist, was jetzt passieren muss und weshalb Klimaschutz auch eine soziale Frage ist.

03.07.2025
Vertrockene Sonnenblumen auf einem Feld, hinter denen die Sonne aus einem wolkenlosen Himmel scheint
Die Auswirkungen des Klimawandels betreffen auch Österreichs Landwirtschaft massiv.
© AdobeStock

Der Klimawandel ist längst bei uns angekommen – und er schreitet schneller voran als in vielen anderen Regionen der Welt. Hitzewellen, Dürren, Starkregen und schwindende Schneesicherheit setzen dem Alpenland spürbar zu. Das bestätigt auch der Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2), der auf rund 800 Seiten eine umfassende wissenschaftliche Analyse zum Klimawandel liefert.

Koordiniert wurde der Bericht von Margreth Keiler, Geographin und Direktorin des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW in Innsbruck. Im Interview beschreibt sie die Ursachen für die besondere Betroffenheit Österreichs, die Grenzen der Anpassung – und warum Klimapolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie auch soziale Gerechtigkeit mitdenkt.

Hotspot des Klimawandels

Warum ist Österreich zu einem Hotspot des Klimawandels geworden?

Margreth Keiler: Österreich erwärmt sich deutlich schneller als der globale Durchschnitt. Das liegt unter anderem an der geografischen Lage im Inneren des Kontinents, wo die Erwärmung stärker ausfällt als für die Ozeane. Zudem sind in unserer Atmosphäre weniger Aerosole – also Partikel, die Sonnenstrahlung reflektieren und so kühlend wirken. Steigende Temperaturen führen dazu, dass mehr Wasserdampf in der Luft ist, was wiederum intensivere Starkniederschläge begünstigt. Diese verursachen Hochwasser oder Murenabgänge. Gleichzeitig nehmen Hitzewellen und Dürren zu – mit Folgen für die Gesundheit (besonders bei älteren oder arbeitenden Menschen im Freien), Landwirtschaft und Wald. Schutzwälder geraten unter Stress und werden anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Viele alpine Pflanzenarten finden in höheren Lagen keinen Lebensraum mehr und sind vom Aussterben bedroht. Anpassungen sind möglich – etwa durch naturbasierte Lösungen wie den Erhalt von Feuchtgebieten – aber nur begrenzt. Niedrige Skigebiete etwa stoßen bereits an ihre Anpassungsgrenzen.

Besonders stark betroffen sind städtische Räume und alpine Täler.

Ist die aktuelle Entwicklung – also rund drei Grad Celsius Erwärmung in Österreich – überraschend oder war das absehbar?

Keiler: Global liegt die Erwärmung derzeit bei etwa 1,4 Grad Celsius, Österreich jedoch bereits bei rund 3,1 Grad. Diese Differenz ist erklärbar durch die kontinentale Lage und die geringere Aerosolkonzentration. Auch Nachbarländer wie Bayern oder die Schweiz verzeichnen ähnliche Entwicklungen. Besonders stark betroffen sind städtische Räume und alpine Täler. So wird etwa Innsbruck in Zukunft bei einer globalen Erwärmung um vier Grad Celsius  ähnlich viele Hitzetage wie Wien verzeichnen – also durchschnittlich fast zwei Monate mit Temperaturen über 30 Grad jährlich, bei Extremjahren sogar bis zu 90 Tage.

Hitze: Höhere Sterblichkeit, sinkende Produktivität

Was sind darüber hinaus wichtige neue Erkenntnisse des aktuellen Klimaberichts für Österreich im Vergleich zur ersten Ausgabe 2014?

Keiler: Es gibt Fortschritte: Einige Maßnahmen wurden umgesetzt und die Emissionen konnten reduziert werden. Doch um die Klimaziele 2040 zu erreichen, müssen die Emissionen jetzt deutlich schneller sinken – insbesondere in den Bereichen Verkehr, Industrie und Gebäudewärme. Dazu braucht es eine umfassende Elektrifizierung und eine Infrastruktur, die diese ermöglicht – also etwa ausreichend Strom aus erneuerbaren Quellen sowie leistungsfähige Netze zum Transport. Zusätzlich ist ein gesellschaftlicher Wandel notwendig, hin zu einem klimafreundlichen Lebensstil. Dabei helfen Anreize, aber auch klare rechtliche Rahmenbedingungen. Diese geben Industrie und Unternehmen Planungssicherheit für Investitionen in eine klimakompatible Zukunft. Klar ist: Jede Investition in Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen erspart uns künftig enorme Kosten durch Schäden – etwa durch Extremwetterereignisse oder gesundheitliche Belastungen.

Es gibt also durchaus Fortschritte. Trotzdem steuern wir global gesehen auf ungefähr drei Grad Klimaerhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts zu. Was bedeuten das konkret für uns?

Keiler: Bei drei Grad globaler Erwärmung – das bedeutet bis knapp fünf Grad in Österreich – drohen erhebliche Schäden. Die Sterblichkeit durch Hitze steigt, die Produktivität sinkt. In der Landwirtschaft nehmen Ernteverluste und Wasserknappheit zu, besonders im Osten. Ohne aktives Wassermanagement – also Monitoring, gerechte Verteilung und sparsame Nutzung – drohen Konflikte um Ressourcen. Auch Starkregen und Hochwasser werden häufiger und extremer, gerade in Regionen mit hoher Bodenversiegelung oder kleinen alpinen Einzugsgebieten.

Der Skitourismus wird stark eingeschränkt sein und nur noch in höheren Regionen möglich sein. Regionen, die stark vom Wintertourismus abhängen, müssen sich jetzt neu ausrichten, um langfristige wirtschaftliche Schäden zu vermeiden. Anpassungen sind teilweise möglich, scheitern aber oft an ökonomischen Grenzen.

Klimaschutz als soziale Frage

Inwiefern ist Klimaschutz auch eine soziale Frage?

Keiler: Der Bericht zeigt, dass einkommensschwächere Haushalte deutlich weniger Emissionen verursachen, gleichzeitig aber oft stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Das liegt unter anderem daran, dass sie sich etwa keinen Hitzeschutz leisten können, ihre Wohnungen schlecht isoliert sind oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen, eine Klimaanlage anzuschaffen. Haushalte mit höheren Einkommen hingegen verfügen über die nötigen Ressourcen, um sich besser anzupassen – oder durch die Installation einer PV-Anlage, mit der sie ihre Energiekosten senken können. Sie profitieren also stärker von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen.

Gerade deshalb braucht es gezielte Ausgleichsmechanismen, damit diese sozialen Ungleichheiten – die sich durch den Klimawandel noch verschärfen – nicht zu gesellschaftlichen Blockaden führen. Nur wenn Klimapolitik als gerecht empfunden wird, wird sie auch breit mitgetragen. Im Bericht haben wir versucht, diese unterschiedlichen Dynamiken und Mechanismen darzustellen und Lösungsansätze aufzuzeigen.

Welche Rolle spielen technologische Lösungen wie CO₂-Speicherung oder E-Fuels in Österreich?

Keiler: Technologien wie grüner Wasserstoff oder E-Fuels werden in einigen Sektoren wichtig sein – etwa in der Industrie oder im Schwerverkehr, wo Elektrifizierung allein nicht ausreicht. Es gibt bereits erste Pilotprojekte, etwa einen elektrischen Hochofen in Gmunden (Keramikherstellung). Doch diese Technologien sind teuer und ineffizient im Vergleich zur direkten Elektrifizierung. CO₂-Speicherung kann ergänzend wirken, aber nicht im nationalen Alleingang – sie erfordert internationale Kooperation, geeignete Speicherstätten und klare Kostenverteilungen. Für das Erreichen der Klimaziele ist Technologie nur ein Teil der Lösung – der Fokus muss auf Reduktion der Emissionen und Systemwandel liegen.

Veränderung wird oft als Verlust wahrgenommen – doch sie kann Lebensqualität steigern.

Wie lässt sich der Gedanke überwinden, Klimaschutz sei Verzicht?

Keiler: Veränderung wird oft als Verlust wahrgenommen – doch sie kann Lebensqualität steigern. Beispiele wie das Rauchverbot in Lokalen oder die Umgestaltung der Mariahilfer Straße in Wien zeigen, dass Maßnahmen anfangs auf Widerstand stoßen, später aber breite Akzeptanz finden. Pilotprojekte und partizipative Prozesse können helfen, neue Lösungen erfahrbar zu machen – etwa mehr Bäume in der Stadt, bessere Radwege oder kühle öffentliche Räume. Wichtig ist, die nötige Infrastruktur zu schaffen, damit klimafreundliches Verhalten überhaupt möglich ist.
Schon jetzt ist klar: Je früher wir handeln, desto mehr können wir abmildern – nicht nur im Sinne des Klimas, sondern auch für unsere Gesundheit, Wirtschaft und gesellschaftliche Stabilität.

 

Auf einen Blick

Margret Keiler hat in Innsbruck und Aberdeen Geographie studiert. Von 2011 bis 2020 war sie Dozentin für Geomorphologie, Naturgefahren- und Risikoforschung am Geographischen Institut der Universität Bern. Seit 2021 ist sie Direktorin des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie Professorin am Institut für Geographie der Universität Innsbruck.