13.01.2022 | Don't look up!

Planetenkiller: Warum Asteroiden hauptsächlich im Film einschlagen

Die Einschläge von Kometen und Asteroiden sind in Film und Fernsehen beliebte Szenarien für einen Weltuntergang. ÖAW-Weltraumforscher Christian Möstl erklärt im Interview, warum das so ist und weshalb wir uns trotzdem nicht zu fürchten brauchen.

Künstlerische Darstellung der Mission Hera im Orbit um Didymos
Eine gemeinsame Mission von NASA und ESA zum Doppelasteroiden Didymos soll zeigen, dass es möglich ist, die Bahn eines Asteroiden durch den Einschlag einer Raumsonde zu ändern. Die NASA-Sonde DART (Double Asteroid Redirection Test) ist im November 2021 gestartet. Die ESA-Sonde Hera (siehe Illustration) soll im Jahr 2024 folgen. © CC BY-SA IGO 3.0

Im Hollywood-Film Don’t Look Up!, der aktuell auf Netflix läuft, versuchen Leonardi Di Caprio und Jennifer Lawrence als Wissenschaftler/innen die Welt vor einem bevorstehenden Kometeneinschlag zu warnen. Ohne etwas zu spoilern, sei zumindest soviel verraten: Allzu leicht tun sie sich nicht dabei, die Welt vom drohenden Untergang zu überzeugen.

Auch wenn der Komet im Film eher als Metapher für langfristige Menschheitsbedrohungen wie den Klimawandel steht, stellt sich trotzdem die Frage: Wie wahrscheinlich ist ein Kometeneinschlag eigentlich? Immerhin haben Einschläge von Objekten aus dem All die Erdgeschichte mitgeprägt. Der Chicxulub-Krater, ein 66 Millionen Jahre alter durch einen Asteroiden verursachter Einschlagkrater mit rund 180 Kilometer Durchmesser in Mexiko , wird sogar mit dem Aussterben der Dinosaurier in Zusammenhang gebracht.

Allzuviel Sorgen über einen „Planetenkiller“ muss man sich gegenwärtig dennoch nicht machen: „Ein Mensch wird im Verlauf seines Lebens wahrscheinlicher einen Lotto-Sechser machen, als einen größeren Einschlag erleben“, sagt Christian Möstl vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz. Warum das so ist, erklärt er im Interview.

Eins zu hundert Millionen

Im Netflix-Film Don’t Look Up dient ein Komet als Metapher für den Klimawandel, der oft ignoriert wird. Warum sind Einschläge von Kometen und Asteroiden beliebte Szenarien in Hollywood?

Christian Möstl: Prinzipiell beginnt jeder Katastrophenfilm mit einem ignorierten Wissenschaftler bzw. einer ignorierten Wissenschatflerin. Langfristige Bedrohungsszenarien wie der Klimawandel passieren aber auf sehr langen Zeitskalen. Ein Einschlag sorgt hingegen unmittelbar für Verwüstung und ist perfekt für einen Film. Wir wissen auch, dass solche Einschläge in der Erdgeschichte mehrmals passiert sind.

Pro Jahr beläuft sich die Chance, dass ein großer Komet oder Asteroid mit mehr als zehn Kilometer Durchmesser einschlägt, auf etwa eins zu hundert Millionen.

Ist man als Wissenschaftler zufrieden mit der Hollywood-Version?

Möstl: Die Darstellung in den Filmen Armageddon und Deep Impact war prinzipiell realistisch. Bei Don’t Look Up waren sogar Berater von der NASA mit am Werk. 

Müssen wir uns also auch im echten Leben vor einem Einschlag fürchten?

Möstl: Die Wahrscheinlichkeit für einen realen Einschlag ist sehr klein. Ein Mensch wird im Verlauf seines Lebens wahrscheinlicher einen Lotto-Sechser machen, als einen größeren Einschlag erleben. Pro Jahr beläuft sich die Chance, dass ein großer Komet oder Asteroid mit mehr als zehn Kilometer Durchmesser einschlägt, auf etwa eins zu hundert Millionen. Die Menschen fürchten sich, weil sie schlecht in der Beurteilung unwahrscheinlicher Risken sind. Verunsicherung entsteht auch, wenn die Medien ungefährliche Objekte künstlich aufbauschen. Der Boulevard produziert gefühlt jedes Jahr einen Planetenkiller. 

Kaum Gefahr

Das Ende der Welt wird also nicht durch einen Einschlag kommen?

Möstl: Ein großer Einschlag wäre sicher eine globale Katastrophe. Das letzte Ereignis dieser Art war der Asteroideneinschlag in Yucatán in Mexiko, der vor 66 Millionen Jahren die Dinosaurier ausgelöscht hat. Diese Zeitskalen gehen so weit über eine Lebenszeit hinaus, dass die Wahrscheinlichkeiten gegen Null gehen. Pro 100 Jahre gibt es statistisch einen Einschlag eines Objekts mit etwa 50 Meter Durchmesser. Alles was kleiner als 20 Meter ist, wird von der Atmosphäre abgehalten, wie von einer Wand. 

Warum sehen wir nicht mehr Spuren von großen Einschlägen?

Möstl: Zeit spielt eine große Rolle. Ein Einschlag vor Milliarden Jahren ist nach so langer Zeit kaum mehr aufspürbar. Der vergleichsweise junge Krater des Asteroiden von Yucatán ist heute hingegen noch gut zu sehen. Wir wissen aus statistischen Modellen, dass Einschläge immer wieder passiert sein müssen. Aber über einen sehr langen Zeitraum fehlen die geologischen Spuren, weil die Krater über lange Zeitskalen verwittern oder durch Plattentektonik oder Vulkanismus verschwinden.

Überraschende Riesenobjekte mit mehr als zehn Kilometer Durchmesser könnten nur aus der Oortschen Wolke kommen. In so einem Fall hätten wir nur wenige Monate Vorlaufzeit.

Kometen und Asteroiden sind also keine Gefahr?

Möstl: Asteroiden und Kometen muss man zur Risikobewertung in zwei Populationen teilen. Im inneren Sonnensystem gibt es zwischen Mars und Jupiter den Asteroidengürtel und einige Objekte, die als Trojaner mit Jupiter reisen. Hier kennen wir alle Brocken, die größer als zehn Kilometer sind, inklusive ihrer Umlaufbahnen. Es gibt aber eine Gruppe von Objekten, die zwischen 100 und 500 Meter Durchmesser haben und sehr schwer zu entdecken sind. Diese Asteroiden sind gefährlich. Sie können für regionale Verwüstung sorgen, wenn sie bewohnte Gebiete treffen. Ein solcher Einschlag kommt statistisch gesehen alle paar Tausend Jahre einmal vor. Überraschende Riesenobjekte mit mehr als zehn Kilometer Durchmesser könnten nur aus der Oortschen Wolke kommen, die unser Sonnensystem umhüllt und zu groß und zu weit weg für eine Katalogisierung ist. In so einem Fall hätten wir nur wenige Monate Vorlaufzeit. 

Das klingt bedrohlich.

Möstl: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Komet in Richtung Erde abgelenkt wird, ist verschwindend gering. Das Sonnensystem ist zudem so groß, dass eine Kollision sehr unwahrscheinlich ist. Und von außen betrachtet ist die Erde sehr dünn besiedelt und hauptsächlich mit Wasser bedeckt, was das Risiko für Menschen nochmals verringert.

Ablenkung statt Kollision

Was könnten wir denn im Falle einer drohenden Kollision tun?

Möstl: Wenn wir einen solchen Asteroiden früh genug sehen könnten, könnten wir ihn theoretisch ablenken. Das hängt aber stark von der Zusammensetzung ab. Auch ein Brocken mit ein paar hundert Meter Durchmesser könnte bei sehr poröser Konsistenz durchaus sprengbar sein.

Wenn wir einen Asteroiden früh genug sehen könnten, könnten wir ihn theoretisch ablenken.

Welche möglichen Gegenmaßnahmen gibt es?

Möstl: Im Prinzip gibt es drei Optionen. Bei wenig Zeit bliebe wohl nur der Rückgriff auf Atomwaffen, um das Objekt zu sprengen. Bei mehr Zeit könnte eine möglichst schwere Sonde auf eine Rakete gepackt werden, um das Objekt wie mit einem Projektil abzuschießen und abzulenken. Eine eher hypothetische Idee, die noch deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, ist der sogenannte Gravitationstraktor, bei dem eine Sonde über lange Zeit in einer Umlaufbahn um den Kometen oder Asteroiden kreist, und das Objekt mit dem winzigen Impuls ihres Triebwerks über Jahre hinweg aus der Bahn lenkt. 

Ist das tatsächlich praktikabel?

Möstl: Die Raumfahrtorganisationen Europas und der USA kooperieren bei den Missionen DART und Hera, um erstmals einen Asteroiden mit einer Sonde abzuschießen. DART ist im November 2021 aufgebrochen und wird in den kleineren Partner eines Doppelasteroidensystems gelenkt. Hera wird 2024 gestartet, um die Folgen zu dokumentieren. Damit bekommen wir erstmals realistische Daten, um zu klären, ob ein Objekt auf diese Weise abgelenkt werden kann. Die Physik lässt das zumindest zu. Wir sollten deshalb möglichst viele Ressourcen in die Durchmusterung des Himmels stecken und mehr über die Beschaffenheit von Asteroiden und Kometen lernen. 

Sonnenstürme bieten ein viel realistischeres Katastrophenszenario.

Wie gut ist die die Überwachung gefährlicher Objekte?

Möstl: Jede Nacht wird der Sternenhimmel von einem Netzwerk aus Teleskopen nach potenziell gefährlichen Objekten durchkämmt. Das Ziel ist es, alle Objekte mit einer Größe von 100 bis 500 Meter zu finden. Derzeit kennen wir etwa 8.000 Objekte mit mehr als 140 Meter Durchmesser, die der Erde nahe kommen. Das ist etwa ein Drittel des geschätzten Gesamtbestandes. In den vergangenen zehn Jahren ist hier schon einiges passiert, wir haben mehrere tausend Objekte identifiziert, die mehr als 100 Meter messen. 

Welche Gefahren aus dem All machen eigentlich dem Fachmann Sorgen?

Möstl: Sonnenstürme sind mein Spezialgebiet. Die bieten ein viel realistischeres Katastrophenszenario, auch wenn sie weniger spektakulär wirken. Ein Ereignis wie das Carrington Event wäre heute viel bedrohlicher als 1859, weil unsere Zivilisation viel mehr elektromagnetisch anfällige Technologie verwendet. Alle 50 bis 100 Jahre kommt es statistisch gesehen zu einem großen Sonnensturm, der die Erde trifft und regional oder vielleicht auch großflächiger zu Netzausfällen führt.

 

AUF EINEN BLICK

Christian Möstl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dort leitet er aktuell zwei vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekte zu Sonnen- bzw. geomagnetischen Stürmen. Ein Jahr verbrachte er im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes am Space Science Laboratory der University of California, Berkeley, in den USA.