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WeltfrauentagPhysik

Ohne Vorbilder in die Forschung

07.03.2025

"Es ist mir während meines gesamten Studiums keine einzige Professorin untergekommen," so die Experimentalphysikerin Birgitta Schultze-Bernhardt. Wie viel sich in den letzten Jahrzehnten für Frauen in der Forschung verändert hat, erzählt sie im Interview anlässlich des Weltfrauentages.

Vom Regenbogen zur UV-Strahlung: Die Begeisterung für physikalische Phänomene führte Brigitta Schultze-Bernhardt schließlich in die Forschung.
© Adobe Stock

Die Experimentalphysikerin Birgitta Schultze-Bernhardt hatte während ihrer Ausbildung kaum weibliche Vorbilder und hofft heute, mehr Mädchen für Physik zu begeistern. Anlässlich des Weltfrauentages hält sie einen Vortrag über das von ihr entwickelte Feldspektrometer, mit dem es möglich sein soll, neue Erkenntnisse über die komplexen Prozesse zu bekommen, die in unserer Erdatmosphäre ablaufen.

Wann hat Ihre Begeisterung für Physik begonnen?

Birgitta Schultze-Bernhardt: Während meiner Schulzeit habe ich Mathematik geliebt, am Ende haben mich dann physikalische Phänomene mehr gereizt, weil sie doch alltagsnäher waren. Ich war schon als Kind von Licht begeistert, wenn die Sonne auf ein Wasserglas gefallen ist und irgendwo ein Regenbogen entstanden ist. In meiner aktuellen Forschung beschäftige ich mich auch mit Licht, aber vor allem mit UV-Strahlung, die hochenergetisch ist. 

Ich war schon als Kind von Licht begeistert, wenn die Sonne auf ein Wasserglas gefallen ist und irgendwo ein Regenbogen entstanden ist.

War Ihnen klar, dass Mathematik und Physik Fächer sind, die männlich besetzt sind? 

Schultze-Bernhardt: Ich war auf einem Mädchengymnasium in München. Es war also für mich irrelevant, wer sich für Physik entscheidet. Aber gleichzeitig war ich trotzdem das einzige Mädchen in meinem Jahrgang, das Physik studieren wollte. Ich habe im Nachhinein viel darüber nachgedacht, warum das so war. Im Studium waren wir zu Beginn rund zwanzig Prozent Frauen, wobei die wenigsten in die Forschung wollten, die meisten studierten auf Lehramt. Am Ende des Studiums waren weniger als zehn Prozent Frauen übrig. Es ist mir während meines gesamten Studiums keine einzige Professorin untergekommen. Es gab wohl welche, das habe ich im Nachhinein recherchiert, aber ich hatte keine Vorlesungen bei einer Frau. 

Hat Sie das irritiert?

Schultze-Bernhardt: Erst später, damals habe ich es einfach so hingenommen. Mittlerweile finde ich natürlich schon, dass es bereits in den Schulen mehr Lehrer:innen geben sollte, die den Schüler:innen zeigen, wie sehr Physik für unseren Alltag relevant ist und auch wieviel Spaß Physik machen kann. Meine Leistung in dem Fach war auch oft davon abhängig, wie sehr mich jemand begeistern konnte. 

Familien-unfreundliche Forschung

Warum sind so wenig Frauen in der Physik? 

Schultze-Bernhardt: Es ist ein grundsätzliches Problem der Wissenschaft, dass sie sich schwer mit den Herausforderungen eines Familienlebens vereinen lässt. Der Druck und die Verunsicherung in der wissenschaftlichen Welt sind groß, man muss sich profilieren mit Post-Doktorats-Stellen, die meist auf ein bis zwei Jahre befristet sind. Man hangelt sich so von einem Zeitvertrag zum nächsten. Oft muss man flexibel sein, was den Ort betrifft. Wenn man dann auch noch eine Familie gründen möchte, ist das eine extreme Herausforderung.

Wie haben Sie geschafft, Karriere und drei Kinder unter einen Hut zu bringen?

Schultze-Bernhardt: Ich habe als Postdoktorandin sehr gehadert mit dem Wissenschaftssystem, weil es keine Sicherheit geboten hat, langfristig zu planen. Andererseits bin ich mittlerweile auch sehr dankbar, weil ich durch die Befristungen viele unterschiedliche Erfahrungen sammeln konnte, die mich wissenschaftlich und auch persönlich sehr bereichert haben. Mein Partner, der mittlerweile mein Ehemann ist, ist auch Wissenschaftler. Es war wichtig, nicht allein kämpfen zu müssen, das System gemeinsam zu kennen. Ich hatte aber auch Glück mit dem Timing. Mein erstes Kind kam in den USA auf die Welt, genau am Ende meines ersten Postdoc-Aufenthalts, als ich schon wissenschaftliche Ergebnisse hatte.  Ich habe meine Babypause dazu genutzt, Anträge zu schreiben. Aber, wenn ich zurückdenke, dann hat damals niemand von meinen Kolleg:innen ein Kind bekommen. In Graz erlebe ich das zum Glück schon etwas anders. 

Kinderbetreuung gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine bei Konferenzen.

Was hat sich verändert? 

Schultze-Bernhardt: Es hat sich extrem viel getan. Allein, dass wir dieses Interview führen, ist ein Zeichen, dass es in der Gesellschaft ein neues Bewusstsein gibt. Für mich war es während des Studiums einfach ein „biologisches Schicksal“. Als mein erstes Kind knapp ein Jahr alt war, musste ich auf eine Konferenz in die USA fliegen. Mein Mann war auch eingeladen, wir dachten, wir teilen, wer auf das Kind aufpasst. Kinderbetreuung gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine bei Konferenzen. Unglücklicherweise sollte er dann moderieren, als ich mit meinem Vortrag dran war. Wir hatten dann noch weitere Probleme, ich wurde mit meinem Kind nicht einmal auf das Konferenzgelände gelassen.  

Das ist heute anders? 

Schultze-Bernhardt: Das war vor zehn Jahren. Mittlerweile wird zum Teil Kinderbetreuung angeboten. Vor zwei Jahren war ich auf einer Konferenz, da war ganz selbstverständlich ein fünfjähriges Kind mit dabei, sogar während des Vortrags. Und das war für alle in Ordnung. Ich habe auch öfter ein Kind in ein Meeting mitnehmen müssen. Egal, an welcher Uni ich gerade gearbeitet hatte, ich habe nie schlechte Erfahrungen damit gemacht. Ganz im Gegenteil. Das ist für alle Kolleg:innen eine auflockernde Abwechslung. 

Doublestandard in der Wissenschaft

Gleichzeitig nehmen Männer eher selten ihre Kinder mit? 

Schultze-Bernhardt: Männer riskieren da vielleicht lieber weniger. Ich kenne Forscherkollegen, die denken, dass sie dann nicht mehr ernst genommen werden, wenn sie mit einem Kind auftauchen. Frauen haben oft gar keine andere Wahl, sie müssen ihr Kind in den Arbeitsalltag integrieren. 

 Worin geht es in Ihrem Vortrag, den Sie am Weltfrauentag halten werden?

Schultze-Bernhardt: Ich werde über meine Forschung sprechen. Und zwar ausschließlich. Natürlich ist das Thema Frauen in der Wissenschaft wichtig und ich bin offen für Fragen, aber ich möchte diese Gelegenheit nutzen, junge Menschen, die noch nicht ganz sicher sind, was sie später studieren wollen, für ein Physikstudium zu begeistern. 

Wenn ich junge Mädchen motivieren kann, dann freut mich das sehr.

Sie wollen ein Role Model sein? 

Schultze-Bernhardt: Das klingt mir zu anmaßend. Aber, wenn ich junge Mädchen motivieren kann, dann freut mich das sehr. Man hat einfach so viele Optionen mit diesem Studium, sei es in der Lehre, in der Forschung oder in der Industrie. Man kann sogar Bundeskanzler:in damit werden. 

 

AUF EINEN BLICK

Brigitta Schultze-Bernhardt ist Experimentalphysikerin und forscht an der TU Graz. Seit 2021 ist sie Mitglied der Jungen Akademie der ÖAW. Am 7.3.2025 hält sie einen Vortrag über das von ihr entwickelte Feldspektrometer an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 

Zu weiblichen Mitgliedern der ÖAW werden regelmäßig Biografien veröffentlicht, um deren Beitrag zur Forschung hervorzuheben. 

Frauenbiografien