20.10.2021 | Neues Buch

Networking statt needle work: Kaiserinnen der Frühen Neuzeit

Sie wurden als Kaiserinnen gekrönt und waren ranghohe Fürstinnen. Aber welche konkrete Rolle spielten sie in der Politik? Die ÖAW-Historikerin Katrin Keller macht sich in einem neuen Buch auf die Suche nach wenig erforschten Frauen und deren politischem Einfluss.

Eleonore von Pfalz Neuburg war die dritte Ehefrau des Habsburgerkaisers Leopold I. © Wikimedia Commons

Wenn es um Kaiserinnen geht, denkt man zumindest in Österreich sofort an Maria Theresia und Sisi. Dabei gab es zahlreiche andere ranghohe Fürstinnen der Frühen Neuzeit, die eine wesentliche Rolle für das Funktionieren des Reiches gespielt haben. Katrin Keller, stellvertretende Direktorin des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), hat sich in ihrem Buch „Die Kaiserin. Reich, Ritual und Dynastie“ mit diesen schillernden – und heute oft vergessenen – Frauenfiguren auseinandergesetzt.

Gut vernetzte Entscheiderinnen

Sie waren Netzwerkerinnen, die bei Ämtervergaben und Personalentscheidungen eine wichtige Rolle spielen konnten und repräsentative Aufgaben wahrnahmen. „Und es kam durchaus vor, dass Fürstinnen und Kaiserinnen als politische Beraterinnen ihrer Ehemänner fungiert haben. Oder im Notfall, wenn diese erkrankt oder auf Reisen waren, die Regierung übernommen haben“, sagt Keller im Interview.

Warum weiß man so wenig über Kaiserinnen und ihre Aufgaben im Reich?

Katrin Keller: Die Geschichtswissenschaft hat sich bis weit ins 20. Jahrhundert kaum mit Frauen beschäftigt. Als ihre Handlungsmacht dann endlich zum Thema wurde, waren es vor allem Frauen der Unterschicht, die ins Zentrum rückten. Hexen, Kriminalität und Wahlrechtskämpfe waren Felder, auf denen man nach rebellischen Frauen gesucht hat. Relativ spät erst richtete sich das Interesse auf Frauen aus den herrschenden Schichten, fragte man danach, ob Fürstinnen tatsächlich nur gestrickt und Kinder bekommen haben, oder ob sie politische Handlungsmöglichkeiten hatten. Dieses Forschungsfeld gibt es seit rund 25 Jahren.  

„Für die Zeitgenoss/innen des 16. bis 18. Jahrhunderts war es sehr viel selbstverständlicher als für uns, dass es ein symbolisch überhöhtes Herrscherpaar gibt, das gemeinsam Herrschaft ausübte.“

Welche wichtigen Erkenntnisse traten dabei zutage?

Keller: Es hat sich herausgestellt, dass es sehr wirkungsmächtige Frauen gegeben hat - und zwar nicht nur Elisabeth I. von England oder Katharina die Große in Russland. Man nahm Ehefrauen von Fürsten und Kaisern genauer unter die Lupe, und fand heraus, dass diese durchaus politisch mitmischten. Mich hat bei meiner Studie auch die rechtliche Seite interessiert: Wie wird man überhaupt Kaiserin? Welche Funktionen hatte die Kaiserin dann im Reich? Denn wie in allen Institutionen war es auch in den Gremien des Reiches für Frauen kaum möglich aktiv zu werden. Wenn man aber das Reich auch als System von Dynastien versteht, die miteinander verbunden sind, wenn man bedenkt, dass Zeremoniell und Rituale wie die Krönung für die Politik des Reiches eine zentrale Rolle spielten, dann hatten sie eine wichtige Stellung.

Wie wurden sie von ihren Zeitgenoss/innen wahrgenommen?

Keller: Sicherlich war die Kaiserin ihrem Mann nachgeordnet; rechtlich, aber auch in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Aber es war für die Zeitgenoss/innen des 16. bis 18. Jahrhunderts sehr viel selbstverständlicher als für uns, dass es ein symbolisch überhöhtes Herrscherpaar gibt, das für eine Dynastie steht und Vorbildwirkung für die Gesellschaft hatte, und das gemeinsam Herrschaft ausübte.

Kaiserliche Aufgabenteilung

Welche Funktion hatte die Kaiserin in politischer Hinsicht?

Keller: Es gibt den Begriff des Arbeitspaares, den die Historikerin Heide Wunder ursprünglich geprägt hat, um das gemeinsame Wirtschaften von Handwerker- und Bauernfamilien zu beschreiben. Er lässt sich aber auch auf das Ausüben von Herrschaft anwenden. Beide, Kaiser und Kaiserin, hatten bestimmte Aufgabenbereiche, die von der Repräsentation von Macht und Rang – im Übrigen auch durch besondere Frömmigkeit – über die Ausgestaltung jeweils eigener Netzwerke bis zu politischen Verhandlungen reichten. Die Kaiserin hat Ämter vergeben, wenn auch in geringerem Maße als ihr Mann. Sie hat Netzwerke gebaut, auf die ihr Mann zurückgreifen konnte. Und es kam durchaus vor, dass Fürstinnen und Kaiserinnen als politische Beraterinnen ihrer Ehemänner fungiert haben. Oder im Notfall, wenn diese erkrankt oder auf Reisen waren, die Regierung übernommen haben.

„Es kam durchaus vor, dass Fürstinnen und Kaiserinnen als politische Beraterinnen ihrer Ehemänner fungiert haben oder im Notfall die Regierung übernommen haben.“

Können Sie ein Beispiel nennen?

Keller: Auf meinem Blog findet man zahlreiche Beispiele, auch unterschiedliche Formen, wie Frauen an Macht teilhaben konnten. Mit Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg (1655–1720), das war die dritte Frau von Kaiser Leopold I., möchte ich mich in einem neuen Forschungsprojekt weiter beschäftigen. Ich habe zahlreiche Briefe von ihr gefunden, die sie an ihren Vater und Bruder geschrieben hat. Darin kann man sehr deutlich erkennen, wie sie zugunsten ihrer Familie an Netzwerken baute, mitbestimmte, wie Ämter besetzt wurden, und nicht zuletzt auf die Wahl ihres Sohnes Karl VI. zum Kaiser Einfluss nahm.

 

Auf einen Blick:

Katrin Keller ist stellvertretende Direktorin am Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraums der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Ihr Buch „Die Kaiserin. Reich, Ritual und Dynastie“ ist 2021 Open Access im Böhlau Verlag erschienen.

Blog von Katrin Keller zu Kaiserinnen der Frühen Neuzeit