28.04.2023 | Historische Reiseberichte

Joseph von Hammer-Purgstall als Orientreisender

Ein von Forscher:innen der ÖAW herausgegebener Sammelband befasst sich mit Orientreisen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. Konrad Petrovszky, Historiker an der ÖAW, nimmt in seinem Beitrag die Schriften des Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall unter die Lupe, die im Zuge seiner Aufenthalte im osmanischen Orient entstanden sind.

Historische Ansicht von Jaffa aus dem Buch: „Bilder aus dem Orient“ von August Löffler und Moritz Busch, Triest: 1864 © ÖNB
Historische Ansicht von Jaffa aus dem Buch: „Bilder aus dem Orient“ von August Löffler und Moritz Busch, Triest: 1864 © ÖNB

Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856) war der erste Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ehemals Kaiserliche Akademie der Wissenschaften), die letztes Jahr ihr 175-jähriges Jubiläum feierte. Die angestrebte diplomatische Karriere wurde ihm schon früh vereitelt, doch trug er als Historiker und Übersetzer islamischer Literaturen maßgeblich zu Begründung der wissenschaftlichen Orientalistik bei. In welchem Maße seine Schriften auch die Spuren persönlicher Erfahrungen tragen, darüber wusste man bisher erstaunlich wenig.

Der ÖAW-Historiker Konrad Petrovszky hat dazu in dem jüngst erschienen Sammelband „On the Way to the '(Un)Known'?“ einen Aufsatz verfasst. Das Buch versammelt 22 Autor:innen aus verschiedenen Ländern, die Reiseberichte aus dem Osmanischen Reich zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert analysieren.

Wie ist die Begeisterung Joseph von Hammer-Purgstalls für den Orient zu erklären?

Konrad Petrovszky: Hammer-Purgstall wurde als Joseph Hammer in Graz geboren, war bürgerlicher Herkunft und wurde aufgrund seines Sprachtalents in die Orientalischen Akademie aufgenommen, die 1754 von Maria Theresia gegründet wurde, um einen diplomatischen Nachwuchs auszubilden, der in morgenländischen Sprachen geschult war. Hier lernte Hammer bereits im jugendlichen Alter neben Latein und Griechisch, Französisch und Italienisch auch Türkisch, Osmanisch und Persisch. Schon früh war er von den Kulturen des Orients, allen voran von der persischen fasziniert. Zu gerne er wäre er dauerhaft auf diplomatische Mission geschickt worden, was aber aufgrund der vielen Unstimmigkeiten mit seinen Vorgesetzten nur für ein paar wenige Jahre Wirklichkeit werden sollte. Sein in Umfang und Vielfalt kaum zu überblickendes Werk kann in gewissem Sinne auch als Versuch gesehen werden, sein berufliches Scheitern zu bewältigen.

Wie lange war er überhaupt im Orient unterwegs und in welcher Funktion?

Petrovszky: Hammer-Purgstall war kein klassischer Orientreisender, obwohl er das sicherlich gerne gewesen wäre. Er wurde nach Abschluss seiner Sprachausbildung nach einiger Verzögerung als sogenannter „Sprachknabe“ und später „Legationssekretär“ nach Konstantinopel entsandt. Von einer 11-monatigen Unterbrechung abgesehen, verbrachte er rund sechs Jahre im Osmanischen Reich, darunter mehrere Monate auf Reisen im östlichen Mittelmeerraum und Ägypten sowie die letzten zehn Monate in Iași, im Osten des heutigen Rumäniens. Hammer war äußerst ehrgeizig und wurde von Zeitgenossen als rechthaberisch und unbelehrbar beschrieben. Nach Maßgabe der damals geltenden Regeln brachte er zu viel eigenen Gestaltungswillen ein, so dass ihm Fürst von Metternich mangelndes Takt- und Feingefühl für den diplomatischen Dienst attestierte. Dies alles führte zum abrupten Ende seiner aktiven Diplomatenlaufbahn im Jahr 1807.

In Ihrem Beitrag in den Sammelband On the Way to the  '(Un)Known'?geht es unter anderem um Weiblichkeit im Schreiben von Hammer-Purgstall. Was ist darunter zu verstehen?

Petrovszky: Es geht mir erst einmal darum herauszustellen, dass einige von Hammers Büchern auf Reiseerfahrungen beruhten. Dabei war die Beobachtung fremder Realitäten aufs engste mit seiner Selbstinszenierung als Gelehrter verknüpft. Wie er Weiblichkeit wahrnimmt und darstellt – ich spreche hier von „Weiblichkeiten“ – gewährt uns interessante Einblicke nicht nur in gesellschaftliche Verhaltensmuster, sondern auch in Hammers Selbstverständnis bzw. -erwartungen. Neben mythisch-metaphorischen Überhöhungen „des Weiblichen“ in seinen Reisebeschreibungen berichten seine weitgehend unveröffentlichten Lebenserinnerungen auch von erotischen Sehnsüchten. Bemerkenswert sind seine Berichte von weiblichen Bekanntschaften, denen er seine vertieften Sprachkenntnisse etwa des Arabischen oder Neugriechischen zu verdanken hatte. Hinzu kommt, dass Hammer als jemand, der im adelig geprägten diplomatischen Milieu stets fremdelte, gerade im Umgang mit Frauen intellektuelle Alternativen suchte zu dem als verknöchert empfundenen Milieu der Bürokratie, mit der er den längsten Teil seines Lebens über Kreuz lag.

Sie sagten, seine Lebenserinnerung seien nur zu einem geringen Teil bekannt. Wovon erfahren wir darin noch?

Petrovszky: Hammer war ein ungeheuer produktiver Geist, der permanent geschrieben hat – er verfasste wissenschaftliche Abhandlungen, literarische Übersetzungen und sogar eigene Dichtungen. Seinen Erinnerungen geben über die gesellschaftlichen und subjektiven Entstehungsbedingungen Auskunft. Er berichtet darin aber auch, dass ihm sein unermüdliches Schaffen zunehmend gesundheitlich zu schaffen machte. Über Augenschmerzen klagt er schon als junger Mann. Er war bestrebt, so wenig wie möglich zu schlafen, um seine Zeit maximal zu nutzen. Schließlich merkt er selbstkritisch an, dass ihm im fortgeschrittenen Alter klar wurde, dass seine Kinder nicht viel von ihrem Vater hatten, der seine Zeit nahezu vollständig der Forschung widmete.

 

AUF EINEN BLICK


Konrad Petrovszky ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsbereich Balkanforschung des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes.

Der Sammelband On the Way to the "(Un)Known"?  befasst sich mit Reiseberichten über den Orient vom 15. bis zum 19. Jahrundert.