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Außerirdische

Gibt es Leben im Weltall? Eher nein.

10.12.2024

In gleich drei Artikeln der Fachzeitschrift Astrobiology gehen Weltraumforscher:innen der ÖAW der Frage nach, wie viele lebensfreundliche Habitate es in unserer Galaxie gibt. Im Interview erklärt Helmut Lammer, einer der beiden Erstautoren der Arbeiten, was für ein seltener Schatz die Erde ist und warum ihn die Abwesenheit von Außerirdischen nicht wirklich überrascht.

Die Idee, dass es viele Erden gibt, ist eher Science Fiction. © NASA, ESA, and G. Bacon (STScI)

Wenn Helmut Lammer in der Nacht auf den Sternenhimmel blickt, stellt er sich dieselbe Frage, wie wahrscheinlich viele Menschen: Gibt es dort draußen irgendwo Leben? Oder zumindest lebensfreundliche Bedingungen? Anders als für viele von uns ist diese Frage für Lammer nicht nur eine philosophische sondern Berufsalltag. Er leitet am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eine Forschungsgruppe für Sonnensystem-Physik. „Daher hat mich interessiert, warum die Erde im Vergleich zur Venus, auf der höllische Bedingungen herrschen, und zum Mars, der wohl zu klein ist für komplexes Leben, so lebensfreundlich ist.“

Eine Antwort hat Lammer nun gemeinsam mit Kolleg:innen in der Fachzeitschrift Astrobiology formuliert, denn: „Wir haben in den vergangenen Jahren viel über die Evolution und mögliche Habitabilität von Planeten gelernt und zahlreiche Exoplaneten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Unsere Idee war, dass wir viel Neues über Geo- und Astrophysik wissen und damit auch bessere Aussagen über mögliche Habitate machen können.“

Schlechte Karten für Star Trek

Was ist die Definition von lebensfreundlich?

Lammer: Wir haben uns auf erdähnliche Habitate fokussiert, auf denen potenziell komplexes Leben entstehen könnte. Das heißt vor allem flüssiges Wasser und eine von Stickstoff und Sauerstoff dominierte Atmosphäre mit Spuren von CO2. Auf der Erde gibt es diese Zusammensetzung der Luft nur aufgrund von Leben. Die frühe Erdatmosphäre hätte diese Anforderungen nicht erfüllt. Sie konnte keine höheren Organismen hervorbringen. Erst die Produktion von Sauerstoff durch die Fotosynthese in Mikroorganismen wie Cyanobakterien hat das vor etwa 2,3 Milliarden Jahren ermöglicht. Alle Tiere brauchen einen bestimmten Sauerstoffgehalt in der Luft, weil nur Sauerstoff genug Energie für komplexes Leben bereitstellen kann. Das gilt auch für andere Planeten. Mit zu wenig Sauerstoff ist das Leben auf Mikroorganismen beschränkt. Ein erdähnliches Habitat braucht außerdem Plattentektonik, die den Kohlenstoffkreislauf am Laufen hält.

Es gibt etwa 100 Milliarden Sterne in der Milchstraße, aber diese Liste wird schnell kürzer, wenn wir nach Leben suchen.

Das ist eine strenge Definition.

Lammer: Das wird hitzig debattiert. Auch der Mars erfüllt einige Definitionen von Habitabilität, zumindest Mikroorganismen könnten dort wahrscheinlich überleben. Aber die meisten Leute haben Star Trek vor Augen, wenn sie an extraterrestrisches Leben denken. Das muss man klar klassifizieren. Wir sprechen in unseren Fachartikeln über Habitate der Klasse 1, die in der habitablen Zone ihres Sterns kreisen und eine Stickstoff-Sauerstoff-dominierte Atmosphäre mit ein wenig CO2 haben. Andere Faktoren wie die Größe der Planeten sind für weniger relevant.

Eine Formel für außerirdisches Leben

Ihr Team hat eine Formel entwickelt, um die erwartbare Zahl dieser Habitate in unserer Milchstraße abzuschätzen. Wie funktioniert das?

Lammer: Diese Idee ist nicht neu. Seit den 60er Jahren wird mit der Drake-Gleichung versucht, die Häufigkeit von außerirdischem Leben abzuschätzen. Das Problem ist, dass wir über die Parameter so wenig wissen, dass am Ende jeder das Ergebnis herausbekommt, das er gerne hätte. Heute wissen wir deutlich mehr und unsere Gleichung ist ein Versuch, eine wissenschaftlich stringente Einschätzung vorzunehmen. Die Formel soll eine fundierte Einschätzung der Zahl der Habitate in der Galaxie liefern. Als Parameter brauchen wir zum Beispiel die Zahl der Sterne in der Milchstraße und müssen wissen, wie gut Planeten aufgrund der Strahlung ihrer Sterne im Schnitt ihre Atmosphäre halten können. Bestimmte Zonen in der Galaxie, zum Beispiel das Zentrum, wo ständig starke Gammastrahlenausbrüche vorkommen, sind von vornherein ausgeschlossen. Die Metallizität des Sterns, also der Anteil an Elementen, die schwerer sind als Helium, muss ebenfalls passen.

Eins von hundert Milliarden

Wie viele geeignete Sterne für Leben gibt es? 

Lammer: Durch die Evolution eines Sterns ergeben sich Einschränkungen. Unsere Sonne verändert sich wie jeder Stern im Verlauf der Zeit. Die junge Erde hätte ihre Atmosphäre nicht halten können, wenn die Sonne mehr UV oder Röntgenstrahlung abgegeben hätte. Wir wissen, dass Rote Zwerge, die häufigste Art von Sternen im Universum, sehr aktiv sind und die Atmosphären von Planeten mit ihrer Strahlung einfach wegblasen können. Wenn Sterne älter werden, nimmt ihre Leuchtkraft außerdem zu, bis sie alles Wasser auf ihren Planeten verdampfen. Es gibt etwa 100 Milliarden Sterne in der Milchstraße, aber diese Liste wird schnell kürzer, wenn wir nach Leben suchen. Der Stern muss in der richtigen Zone der Galaxie liegen, braucht die richtige Zusammensetzung und darf nicht zu volatil oder stark strahlend sein. 

Es muss uns nicht wundern, dass wir noch keine Außerirdischen gesehen haben.

Was häufig sind lebensfreundliche Planeten?

Lammer: Der Planet braucht flüssiges Wasser und die richtige Menge an radioaktiven Elementen, damit er nicht zu schnell auskühlt. Die meisten Exoplaneten, die wir bisher gefunden haben, haben aufgrund der Strahlung ihres Sterns keine Atmosphäre oder eine so genannte primordiale Atmosphäre, die nur aus Wasserstoff und Helium besteht. Das hängt davon ab, wie viel Gas der Planet während seiner Entstehung sammeln konnte. Plattentektonik und Wasser sind ebenfalls wichtige Voraussetzungen. Wir glauben, dass die Plattentektonik auf der Erde erst durch die Kollision mit einem marsgroßen Objekt eingeleitet wurde, bei der auch der Mond entstanden ist.

Bei welchen Parametern gibt es die größte Unsicherheit?

Lammer: Wir wissen noch nicht genug darüber, wie häufig Plattentektonik auf Planeten entsteht. Bei etwa 100 Milliarden Sternen bleiben wahrscheinlich 60.000 bis 250.000 Planeten über, die grundsätzlich Kandidaten für Habitate sein könnten. Wenn die Hälfte davon eine Wasserstoff-Helium-Atmosphäre hat und Plattentektonik zum Beispiel in einem Prozent der Fälle vorkommt, dann bleiben für die ganze Galaxie nur noch 300 bis 1250 Planeten. Außer den zuvor genannten Faktoren gibt es noch weitere, zur Zeit nicht genau definierbare Parameter, die dieses Ergebnis weiter reduzieren. Unsere Formel sagt, dass selbst ein Wert von weniger als einem Habitat für die Milchstraße im Rahmen liegt. Es muss uns also nicht wundern, dass wir noch keine Außerirdischen gesehen haben.

Werden andere Zivilisationen wohl nie treffen

Die Gleichung sagt, dass Habitate für komplexe Organismen sehr selten sind. Wie sicher ist das?

Lammer: Wenn wir falsch liegen, dann finden wir in Zukunft viele Exoplaneten mit erdähnlichen Atmosphären.Vor allem Planeten, die nicht um Zwergsterne kreisen, sind interessant. Das ESA Teleskop PLATO wird hier in den kommenden Jahren wertvolle Erkenntnisse liefern. In den nächsten zehn bis 15 Jahren werden wir auch kleinere Planeten um sonnenähnliche Sterne finden und ihre Atmosphären mit Teleskopen untersuchen. Wenn wir viele Planeten wie Venus oder Mars entdecken, wäre Plattentektonik wohl ein seltenes Phänomen. Sonnenähnliche Sterne könnten die Statistik ändern, weil wir bisher fast nur Exoplaneten um Rote Zwergsterne kennen. 

Wir sagen nicht, dass die Erde das einzige Habitat für komplexes Leben ist, aber dass sie sehr selten ist, scheint plausibel.

Erklärt eure Formel die Abwesenheit außerirdischer Zivilisationen?

Lammer: Wir wissen nichts über die Halbwertszeit von Zivilisationen. Die Unsicherheit ist also enorm. Wenn man zudem die enormen Distanzen bedenkt, ist nicht sicher, ob mögliche Zivilisationen sich jemals treffen würden. So belebt wie in Star Trek ist unsere Galaxie sicher nicht, das hätten wir sonst schon mitbekommen. Wir sagen nicht, dass die Erde das einzige Habitat für komplexes Leben ist, aber dass sie sehr selten ist, scheint plausibel. Und unser Ergebnis bezieht sich ja nur auf die Milchstraße. Selbst wenn es im Schnitt nur ein geeignetes Habitat pro Galaxie gäbe, wären das im gesamten sichtbaren Universum immer noch Milliarden von Möglichkeiten. Planeten wie die Erde sind auf jeden Fall wertvoll und wir sollten alles daran setzen, sie zu schützen.

 

AUF EINEN BLICK

Helmut Lammer ist Gruppenleiter am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und lehr Astrophysik an der Universität Graz.

Publikationen:

H. Lammer and M. Scherf: Preface to Eta-Earth Revisited: How Common Are Earth-like Habitats in the Galaxy?, Astrobiology, doi:10.1089/ast.2024.0116, 2024

H. Lammer et al.: Eta-Earth Revisited I: A Formula for Estimating the Maximum Number of Earth-like Habitats, Astrobiology, doi:10.1089/ast.2023.0075, 2024

M. Scherf et al.: Eta-Earth Revisited II: Deriving a Maximum Number of Earth-like Habitats in the Galactic Disk, Astrobiology, doi:10.1089/ast.2023.0076, 2024