04.11.2021 | Stipendien

Frauen in der Forschung: Karrierehürden abbauen

Olympiagewinnerin und Mathematikerin Anna Kiesenhofer hielt ein Plädoyer fürs Anderssein im Rahmen einer feierlichen Gala für vier Nachwuchsforscherinnen, die für ihre herausragenden Arbeiten „For Women in Science“-Stipendien erhalten.

Olympiasiegerin und Mathematikerin Anna Kiesenhofer gratulierte per Videostream den Gewinnerinnen der diesjährigen „For Women in Science“-Stipendien. © ÖAW/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Wann hat man schon die Möglichkeit, einen Karrieretipp von einer Olympiasiegerin zu bekommen? „Steht zu eurer Meinung, lasst euch nicht einschüchtern“, sagte Anna Kiesenhofer, Mathematikerin und Überraschungsgewinnerin in der Disziplin Radrennfahren bei den Olympischen Spielen heuer in Tokio: „Ich bin auch in meinem Beruf untypische Wege gegangen. Oft führt gerade dieses Anderssein zum Erfolg und zur Zufriedenheit.“

Plädoyer fürs Anderssein

Kiesenhofer schickte ihr Plädoyer fürs Anderssein als Videobotschaft an die vier ausgewählten Top-Forscherinnen, die am 27. Oktober im Rahmen einer feierlichen Gala im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ausgezeichnet wurden. Die mit je 25.000 Euro dotierten „For Women in Science“-Stipendien gehen an die Mathematikerin Anna Breger (Universität Wien), die Zoologin Alice Laciny (Konrad-Lorenz-Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung), die Pharmazeutin Monika Malik (Universität Wien) und die Biotechnologin Kerstin Radstädter (TU Wien).

„Seht es als Bestätigung an für das, was ihr schon geschafft habt“, führte Kiesenhofer weiter aus: „Die Goldmedaille hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. Ich habe mich im Studium oft zu sehr von anderen einschüchtern lassen. Das ist schade, ich wünsche euch, dass ihr dieses Selbstvertrauen während eurer ganzen Karriere habt. Dass ihr es schafft, zu euren Entscheidungen zu stehen, egal, was andere sagen.“

Fünf Nobelpreisträgerinnen

Seit 2007 werden die Stipendien von L'Oréal Österreich in Kooperation mit der Österreichischen UNESCO-Kommission und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung vergeben. Sie verfolgen das Ziel, exzellente Nachwuchsforscherinnen beim Aufbau einer Laufbahn in den Grundlagenwissenschaften zu unterstützen und Karrierehürden abzubauen. Zudem holt die Initiative jene Frauen vor den Vorhang, die mit bahnbrechenden Ergebnissen entscheidend zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen. Mehr als 3.600 Frauen auf der ganzen Welt wurden bisher bereits mit „For Women in Science“-Preisen ausgezeichnet. Fünf von ihnen haben den Nobelpreis bekommen.

Als Festredner zitierte Helmut Denk, Mediziner und Präsident der ÖAW von 2009 bis 2013, den Physiker Albert Einstein: Logik bringt dich von a nach b. Deine Fantasie bringt dich überall hin. „Sie können auf das Erreichte stolz sein“, sagte er zu den Stipendiatinnen: „Mit ihrer Leidenschaft sind sie Vorbilder für andere.“ Wioletta Rosolowska, Country General Managerin bei L'Oréal Österreich und Deutschland, meinte in ihrer Rede, dass Covid-19 für viele Frauen einen Karriere-Backlash zur Folge gehabt habe, gerade für Mütter sei es eine schwierige Phase gewesen. L'Oréal hat 985 Millionen Euro in Forschung investiert, in den Laboren gibt es einen Frauenanteil von 70 Prozent.

Beeindruckende Role-Models

Sabine Haag betonte als Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission, dass diese Stipendien ihr ein persönliches Anliegen seien. „Mittlerweile gibt es mehr weibliche als männliche Studierende. Aber auf jeder Stufe der wissenschaftlichen Karriereleiter werden es weniger Frauen“, so Haag: „Frauen kommen seltener in Führungspositionen, haben mehr Hürden zu überwinden. Deshalb müssen wir uns von veralteten Vorstellungen befreien und sichtbar machen, welch exzellente Arbeit Frauen leisten. Und zeigen, dass es bereits beeindruckende Role-Models gibt.“

Martin Netzer, Generalsekretär im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, bedankte sich für die hohe Kontinuität bei diesem Wissenschaftspreis, das sei nicht selbstverständlich. „Weibliche Karrieren waren in Corona in Gefahr, unterbrochen zu werden. Kontinuität ist wichtig, um vielversprechende wissenschaftliche Karrieren gewährleisten zu können.“  Frauen hätten es schwerer, das würde die Datenlage beweisen. „Lassen Sie sich trotzdem nicht ins Bockshorn jagen. Seien sie selbstbewusst“, so Netzer.

Mehr Diversität in der wissenschaftlichen Landschaft

Am Schluss kamen die Ausgezeichneten selbst zu Wort, sie wurden in einem Videobeitrag vorgestellt, und erzählten live, was sie mit dem Preisgeld machen möchten, worin ihr Forschungsschwerpunkt liegt. Die Insektenforscherin Alice Laciny schlug dabei in eine ähnliche Kerbe wie Olympiasiegerin Kiesenhofer. Sie führte aus, wie wichtig eine inklusive Wissenschaft ist. „Autismus muss kein Hindernis sein. Autistische Menschen bringen andere Sichtweisen ein, sie tragen zur Diversität der wissenschaftlichen Landschaft bei“, so Laciny, die Ameisen und Bienen untersucht, und wie sie von Wissenschaftler/innen beschrieben werden: „Bienenvölker sollten die göttliche Relevanz der Monarchie erklären, im Kalten Krieg standen sie als negative Metapher für den Kommunismus, heute sehen wir sie als Superorganismen. Wir dürfen nicht vergessen: Vor und hinter jedem Experiment steht immer ein Mensch, der die Daten interpretiert.“

 

AUF EINEN BLICK

Das Förderprogramm „For Women in Science“ vergibt Stipendien an junge Wissenschaftlerinnen in der Medizin, den Naturwissenschaften oder der Mathematik, die am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere stehen oder um den (Wieder-)Einstieg in eine wissenschaftliche Laufbahn zu unterstützen.

For Women in Science-Stipendien